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Fragen und AntwortenWas man zum möglichen Preisschock an der Tankstelle wissen muss

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf mehrere Zapfsäulen einer Tankstelle. (Symbolbild)

Blick auf mehrere Zapfsäulen einer Tankstelle. (Symbolbild)

Steht der nächste Schock an der Tankstelle bevor, wenn die EU kommende Woche dem Import von russischem Diesels den Riegel vorschiebt?

Kein Diesel mehr von Wladimir Putin: Bald ist es so weit. Bereits seit Anfang Dezember darf kein russisches Rohöl mehr über den Seeweg in die EU eingeführt werden. Ab dem 5. Februar wird der Einfuhrstopp auf raffinierte Kraftstoffe ausgeweitet. Dazu zählt auch Diesel. Über Jahre hinweg hat sich Deutschland viele Millionen Tonnen direkt aus Russland beschafft.

Noch ein paar Tage – dann ist das passé. Steht der nächste Schock an der Tankstelle bevor, wenn die EU kommende Woche dem Import von russischem Diesels den Riegel vorschiebt? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was muss man gerade für Diesel zahlen?

Zuletzt sind die Preise für Diesel und Benzin wieder gestiegen. Der ADAC, der wöchentlich die Preise von mehr als 14000 Tankstellen auswertet, belegt den Trend. So kostete am Mittwoch ein Liter Diesel im bundesweiten Mittel 1,86 Euro. Das sind nochmal 2,9 Cent mehr als vor einer Woche. Im gleichen Zeitraum verteuerte sich der Preis für Benzin um rund vier Cent auf durchschnittlich 1,80 Euro pro Liter.

Was hat man vergangenes Jahr bezahlt?

2022 war nach ADAC-Angaben das teuerste Tankjahr aller Zeiten. Super E10 kostete im bundesweiten Mittel 1,86 Euro je Liter, gut 27 Cent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2012. Bei Diesel lag der Durchschnittspreis bei 1,95 Euro je Liter. Gegenüber 2012 entspricht das sogar einer Preisdifferenz von fast 47 Cent. In der Spitze mussten Verbraucher für den Liter Diesel kurzzeitig über 2,30 Euro blechen, für Benzin über 2,20 Euro pro Liter.

Wie teuer wird das Tanken ab Februar?

Das ist schwer abzuschätzen. Fachleute sind uneins, wie stark die Auswirkungen der Sanktionen an den Zapfsäulen ankommen werden. „Wir stehen vor einem wilden Februar“, warnt Verkehrsexperte Thomas Puls vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Wir müssen mit einer steigenden globalen Nachfrage rechnen, bei einem stagnierenden Angebot.“

Das wird tendenziell dazu führen, dass der Treibstoff wieder teurer wird.
Verkehrsexperte Thomas Puls

Die Lage auf dem Weltmarkt sei schon vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs angespannt gewesen, weil es nur wenige Exporteure gebe. Wenn Russland als wichtigster Lieferant für Deutschland wegfällt, wird das laut Puls die generelle Dieselknappheit verschärfen. Seine düstere Prognose: „Das wird tendenziell dazu führen, dass der Treibstoff wieder teurer wird.“

Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) befürchtet eine Preisrallye

Auch der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) befürchtet eine Preisrallye an den Tankstellen. „Die europäischen Dieselimporte aus Russland belaufen sich in diesem Januar bisher auf 770000 Barrel pro Tag, die höchste Menge seit März letzten Jahres“, teilt Geschäftsführer Jürgen Ziegner mit und warnt: Der Wegfall werde „zwangsläufig“ zu steigenden Verbraucherpreisen führen.

„Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer ist gelassener. Für den Direktor des Center for Automotive Research in Duisburg wird das Importverbot wahrscheinlich keinen „merklichen Einfluss“ auf den Dieselpreis haben. Das hänge mit dem seit Jahren rückläufigen Dieselanteil bei Neuzulassungen zusammen. Dadurch sei die Nachfrage nach dem Sprit in der Autoindustrie geringer.

Der ADAC kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: Eine klare Prognose sei zwar schwer zu treffen, dennoch gehe man nicht davon aus, dass sich das Embargo „massiv auf den Dieselpreis auswirken wird“, informiert ein Sprecher. Die Sanktionsmaßnahmen seien längst bekannt, sodass eine „Umstellung der Lieferwege rechtzeitig eingeleitet werden konnte“.

Warum ist Diesel teurer als Benzin?

Benzin wird in Deutschland mit 65,5 Cent pro Liter besteuert, Diesel mit 47 Cent. Theoretisch müsste Diesel also stets knapp 19 Cent günstiger sein. In der Praxis sieht es aber anders aus. Ein Grund dafür findet sich im Heizöl: In Ölheizungen wird ein Produkt verfeuert, das mit Diesel-Treibstoff weitgehend identisch ist.

Und auch Heizöl ist deutlich teurer geworden. Zudem haben viele Hausbesitzer ihre Tanks bereits im Herbst für den Winter gefüllt – und die Industrie setzt inzwischen vermehrt auf Diesel als Gas-Ersatz. Die Nachfrage ist gestiegen und somit auch der Preis.

„Die Preisentwicklung hängt auch stark von China ab“, erklärt Thomas Puls vom IW Köln. Das Land sei ein „prägender Verbraucher“ für rohes und verarbeitetes Öl. Die strikte Null-Covid-Politik und die Abriegelung von Millionenstädten habe Chinas Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr erheblich gehemmt, was den Preis für Diesel an den Börsen noch „im Rahmen“ gehalten habe, wie es Puls formuliert. Nun, wo sich das Land wieder öffne, gewinne auch die Diesel-Nachfrage an Auftrieb. „So wird Öl auf dem Weltmarkt wieder teurer gehandelt.“

Wie steht Deutschland im Ländervergleich da?

Laut Statistischen Bundesamt müssen Diesel-Fahrer hierzulande im EU-Vergleich mit am meisten zahlen. Am günstigsten kommen Dieselfahrer auf Malta weg. Dort kostete der Liter am Montag vergangener Woche 1,21 Euro. Teurer als hierzulande ist es in Schweden, wo der Liter Diesel am Montag 2,16 Euro kostete.

Wie viel Diesel kommt noch aus Russland?

Derzeit sind die letzten mit russischem Diesel beladenen Frachter Richtung Deutschland unterwegs. Erst vergangene Woche machte ein Tanker in Wilhelmshaven fest; in dessen Bug befanden sich 40000 Tonnen des hochpolitischen Treibstoffes.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge bezog Deutschland zwischen Januar und November 2022 knapp 4,2 Millionen Tonnen des Destillats Gasöl, aus dem Diesel und Heizöl gewonnen werden, aus Russland. Allein im November waren es 469292 Tonnen. Von Januar bis Oktober 2022 wurde nie mehr importiert als im November, melden die Statistiker. Dezember oder gar Januar-Zahlen liegen noch nicht vor. Zum Vergleich: 2019 kaufte Deutschland nach Eurostat-Daten 15 Millionen Tonnen Dieselkraftstoff im Ausland ein. 4,8 Millionen Tonnen lieferte Russland.

Welche Länder spielen bei der Versorgung eine Rolle?

Saudi-Arabien könnte ein wichtiger Diesellieferant werden. Das Königreich verfügt wie andere Golfstaaten auch über riesige neue Raffinieren, die Millionen Tonnen Kraftstoff produzieren können. Aber ob das reicht, um den Wegfall russischen Diesels zu kompensieren? Thomas Puls hat seine Zweifel.

Das Problem: die Transportkapazitäten der EU. „Die Zahl der geeigneten Tanker ist begrenzt“, so der Ökonom. Hinzu kommt, dass die Schiffsrouten nach Europa deutlich länger seien als von russischen Häfen im finnischen Meerbusen. Der Treibstoff käme in einer geringeren Taktung in den Häfen von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen an, wo er gelagert wird.

Indien und die USA haben ihre Lieferungen in den letzten Wochen erhöht. Die US-Raffinerien werden dieses Jahr voraussichtlich eine Rekordmenge an Destillaten produzieren, zu denen der in Lastwagen und Autos verwendete Diesel gehört.

Die Raffinerien in der EU können nicht annähernd den heimischen Dieselbedarf decken.
Thomas Puls

Aber selbst wenn genug Ersatz-Öl aus anderen Ländern beschafft werden kann, stellt sich die Frage, ob die EU und Deutschland genügend Diesel daraus herstellen können. „Russland kann deshalb so viel Diesel liefern, weil das Land noch aus Sowjetzeiten über weit mehr Raffineriekapazitäten verfügt, als es selbst braucht“, sagt Thomas Puls. „Die Raffinerien in der EU können nicht annähernd den heimischen Dieselbedarf decken.“