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„Kann Vertrauen nicht verlangen“Leiter der Shell-Rheinland-Raffinerie im Interview

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In Köln-Godorf und im benachbarten Wesseling befindet sich die größte Raffinerie von Shell in Deutschland.

Die Shell-Raffinerie in Wesseling und Köln-Godorf produzierte in den letzten Jahren viele negative Schlagzeilen. Über die aktuelle Sachlage sprach Michael Greuel mit dem neuen Chef Frans Dumoulin.

Herr Dumoulin, Sie sind seit Juni dieses Jahres neuer Direktor der Shell Rheinland Raffinerie. Haben Sie sich schon etwas eingelebt?

Ja, ein wenig. Meine Frau und ich sind inzwischen hierher umgezogen, unsere Kinder sind bereits aus dem Haus. Aber es gab in den letzten drei Monaten viel Arbeit. Daher werde ich noch etwas Zeit benötigen, um die Stadt und die Umgebung besser kennenzulernen.

Ihre ersten 100 Tage in der Raffinerie sind nun vorüber. Was hatte in dieser Zeit für Sie Priorität?

Verschiedene Dinge haben einen hohen Stellenwert für mich, dazu gehört etwa die Ausbildung in unserem Unternehmen. Wir sind darauf angewiesen, immer wieder neue Fachkräfte zu gewinnen – und sie bestenfalls selbst auszubilden. Daher habe ich jüngst die Zahl der Ausbildungsplätze pro Jahrgang von 25 auf 30 erhöht. Hinsichtlich des Inhalts der Ausbildung habe ich ebenfalls einige Ideen, über die wir in den kommenden Wochen zusammen mit dem Betriebsrat nachdenken werden.

Durch mehrere Vorfälle in den vergangenen Jahren, etwa den Austritt von Kerosin aus einer Leckage 2012, hat das Image der Raffinerie arg gelitten. Wie haben Sie das Ganze aus der Ferne erlebt?

Ich habe das natürlich mitbekommen, solche Ereignisse werden bei Shell selbstverständlich auch konzernweit kommuniziert. Wenn man so etwas hört, wird man bescheiden und fragt sich, ob so etwas auch bei einem selbst passieren kann. Welche Auswirkungen der Kerosin-Austritt hier auf das Verhältnis zur Nachbarschaft hatte, habe ich in 300 Kilometer Entfernung allerdings nicht so wahrgenommen. So richtig bewusst wird es mir erst jetzt. Egal wohin ich gehe: Sobald ich sage, dass ich bei Shell arbeite, werde ich auf den Kerosinschaden angesprochen.

Aber Sie bereuen Ihren Wechsel ins Rheinland deswegen nicht?

Nein, absolut nicht. Ich bin gerne hier. Es ist eine tolle Herausforderung und genau der richtige Schritt für mich. Die Position hier im Rheinland ist eine der größten innerhalb der Shell-Raffinerien.

Als Direktor gehört es nun fraglos zu Ihren Aufgaben, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Ich verstehe die Empörung über das Vergangene sehr gut. Jedoch kann man nie ausschließen, dass etwas passiert. Wir müssen mit allen Mitarbeitern der Raffinerie und auch der Fremdfirmen jeden Tag wieder neu daran arbeiten, solche Vorkommnisse zu verhindern. Vertrauen kann man bekommen, aber nicht verlangen. Es wiederaufzubauen, gelingt nur durch Taten und nicht durch irgendwelche Versprechen. Wir brauchen langjährig eine gute Performance, Transparenz sowie schnelle und inhaltlich richtige Kommunikation, wenn etwas passiert. Dann kommt auch das Vertrauen wieder. Wann das sein wird, kann niemand sagen. Aber ich sehe uns schon auf einem guten Weg.

Nach den Vorfällen der Vergangenheit haben auf Veranlassung der Behörden externe Gutachter das Sicherheitsmanagement der Raffinerie unter die Lupe genommen und 63 Verbesserungsempfehlungen formuliert. Die Umsetzung der Maßnahmen wurde nun von den Gutachtern noch mal überprüft. Worum ging es dabei?

Unter anderem um eine bessere Kommunikation mit Behörden und Nachbarn, Verbesserungen bei Inspektionen und Wartung sowie eine höhere Sensibilisierung bei Arbeits- und Anlagensicherheit. Einen großen Teil der Empfehlungen haben wir inzwischen umgesetzt. Das heißt aber nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen können.

In dem neuen Bericht der Gutachter heißt es auch, dass die Maßnahmen zu einer „erheblichen Belastung der Organisation“ geführt hätten, zudem sei parallel an einigen Stellen Personal reduziert worden. Eine dauerhafte Überlastung der Mitarbeiter sollte aber vermieden werden. Fehlt Ihnen Personal?

Nein, wir sind eine Organisation mit 1500 Mitarbeitern. Und am Ende müssen wir natürlich wettbewerbsfähig bleiben, können also nicht uneingeschränkt Menschen einstellen. Aber es gibt deswegen keine personellen Lücken oder übermäßig viele Überstunden bei uns. Vielmehr hatte diese Belastung natürlich auch mit den Maßnahmen zu tun, die wir zur Verbesserung der Sicherheit durchgeführt haben.

Zum Beispiel?

Es wurden Tausende Rohrleitungen überprüft sowie mehr als 20 Kilometer oberirdisch neu verlegt, um sie zukünftig besser kontrollieren zu können und das Risiko für das Grundwasser zu minimieren. Das musste schnell gehen. Denn jeder Tag, den man dies schneller umsetzt, verringert das Risiko. Ende des Jahres werden wir weitere Maßnahmen abgeschlossen haben, das nimmt dann schon einigen Druck weg. Darüber hinaus wollen wir aber auch die Arbeitskultur im Unternehmen verändern, um die Mitarbeiter zu entlasten.

Was bedeutet das denn konkret?

Ohne, dass das allzu verallgemeinernd klingen soll, aber es arbeiten viele stolze Rheinländer hier (lacht). Sie sind natürlich auch mit Recht stolz, das ist kein Problem. Nichtsdestotrotz muss sich jeder aber bewusst sein, dass es durchaus okay ist, zuzugeben, wenn man etwas nicht weiß und das Gespräch darüber sucht sowie Fragen stellt. Daran wollen wir arbeiten.

Im Grunde soll also eine gewisse Fehlerkultur Einzug halten?

Die gibt es in Teilen hier auch schon, aber sie ist ausbaufähig. Wir machen in diesem Bereich sehr viel: Trainings, Videos, Versammlungen, die ganze Palette. So haben wir auch zehn einfache Verhaltensweisen, die von den Mitarbeitern gelebt werden sollen, etwa: „Fehler passieren nicht einfach, sie werden gemacht.“ Die Grundsätze hängen – sogar auf kölsch – in meinem Büro.

Diese Verhaltensweisen orientieren sich dann aber hoffentlich nicht am kölschen Grundgesetz.

Da sagen Sie was (lacht). Nein, ganz im Gegenteil. Grundsätze wie „Et hätt noch immer jot jejange“ helfen uns hier überhaupt nicht weiter.

Die Raffinerie

Die Rheinland Raffinerie ist mit einer Rohölverarbeitungskapazität von rund 17 Millionen Tonnen pro Jahr auf einer Gesamtfläche von 440 Hektar nach eigenen Angaben die größte Raffinerie Deutschlands. Entstanden ist sie im Jahr 2002 aus der Fusion der Raffinerie der deutschen Mineralölgesellschaft RWE DEA in Wesseling und der Shell-Raffinerie in Köln-Godorf.

Nach der Kerosin-Leckage und verschiedenen Bränden zwischen 2012 und 2014 hatten die Bezirksregierung und das NRW-Umweltministerium die Überprüfung des Sicherheitsmanagements der Raffinerie durch externe Gutachter veranlasst. (mig)

Zur Person

Frans Dumoulin ist gebürtiger Niederländer, hat Physik studiert und arbeitet seit 1990 bei Shell, mit Stationen unter anderem in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. Von 2007 an war er Produktionsmanager im niederländischen Pernis, laut Shell die größte Raffinerie Europas. Er ist verheiratet und hat drei Töchter.