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Nach der BundestagswahlKoalitionsoptionen ausloten in Wipperfürth und Lindlar

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Er bleibt für Oberberg im Bundestag. Dr. Carsten Bordesser (r.), hier mit der SPD-Kandidatin Michaela Engelmeier und dem früheren Bundestagsabgeordneten Friedhelm Julius Beucher (2. und 4. v.r.).

Wipperfürth/Lindlar – Während auf Bundesebene die Sondierungsgespräche für eine künftige Regierung laufen, analysieren die Parteien vor Ort die Wahlergebnisse.

Wipperfürth und Lindlar fallen im Oberbergischen Kreis bei den Wahlergebnisse besonders auf. So gibt es hier die höchste Wahlbeteiligung, die meisten Stimmen für die CDU und die wenigstens für die AFD. Sind die beiden Kommunen besonders politisch? Sowohl der alte und neue CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Carsten Brodesser, wie auch die SPD-Kandidatin Michaela Engelmeier wohnen in Lindlar. Mit Christian Berger (CDU) und Thorben Peping (SPD) stammen auch die Landtagskandidaten der beiden größeren Parteien aus Wipperfürth und Lindlar.

Spitze bei der Wahlbeteiligung

82,7 Prozent Wahlbeteiligung in Lindlar – unter allen Kommunen Oberbergs kreisweiter Spitzenwert. Auch bei drei anderen Werten sticht Lindlar heraus. Bei den Erststimmen erzielte Dr. Carsten Brodesser für die CDU mit 40,7 Prozent in seinem Wohnort Lindlar sein bestes Ergebnis. Und nirgendwo schnitten die Grünen besser ab als in Lindlar (15,6 Prozent), nirgendwo ist die AfD schwächer (5,1 Prozent der Zweitstimmen).

Hohe Verluste für die CDU

Gegenüber der Bundestagswahl 2017 hat die CDU Lindlar rund zehn Prozentpunkte eingebüßt. Dennoch ist Sven Engelmann, der Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes, mit dem Wahlausgang „glücklich und zufrieden – unser primäres Ziel war es, dass Carsten Brodesser wiedergewählt wird, und das haben wir erreicht“. Vor Ort erhalte die Lindlarer CDU viel Zuspruch, doch zugleich hätten viele Bürger ihr Bedauern über den Kanzlerkandidaten Armin Laschet ausgedrückt. „Dabei ist Laschet ein guter Moderator.“ Und das sei eine Fähigkeit, die bei einem möglichen Bündnis mit den Grünen und der FDP gefordert sei.

Lindlarer SPD sieht sich im Aufwind

Bei den Zweitstimmen konnte die SPD in Lindlar deutlich zulegen, bei den Erststimmen kaum. Wolfgang Mettgenberg, der Vorsitzende der Lindlarer Sozialdemokraten, glaubt, dass viele Wähler der Großen Koalition eine gute Arbeit bescheinigt hätten und dass CDU-Kandidat Brodesser in Lindlar sehr angesehen sei. Mettgenberg kann sich auch eine Neuauflage der „GroKo“ durchaus vorstellen, dieses Mal unter Führung der SPD.

Im Mai 2022 steht mit der Landtagswahl bereits der nächste Urnengang an. Thorben Peping, SPD-Kandidat für Oberberg-Nord, sieht die SPD im Aufwind. „Wir gehen jetzt nahtlos in den Landtagswahlkampf über.“ Dass die SPD so gut abgeschnitten habe, sei dem engagierten Wahlkampf und Spitzenkandidat Olaf Scholz zu verdanken, aber auch der Schwäche der CDU. „Armin Laschet war ein guter Wahlkampfhelfer für uns.“ Dass Laschet trotz der Rekordverluste für die CDU Kanzler werden wolle, sei „sehr dreist“.

FDP will mitregieren

Steffen Mielke, Vorsitzender der FDP Lindlar, freut sich über 11,8 Prozent der Zweitstimmen für die Liberalen. „Vor allem bin ich froh, dass es keine ultralinke Regierung geben wird“, so Mielke. Die FDP werde für die Regierungsbildung gebraucht, ob am Ende eine Jamaika-Koalition oder eine Ampel herauskomme, sei ihm egal. Mielke plädiert für einen „Klimaschutz mit Augenmaß“. Was ihm am Wahlausgang nicht gefällt: „Dass 700 Lindlarer für die AfD und 200 für die Partei ,Die Basis’ gestimmt haben.“

Lindlarer Grüne bevorzugen die Ampel

Auch wenn die Grünen in Lindlar nie stärker waren, „wir hätten uns bundesweit noch drei bis vier Prozent mehr gewünscht“, sagt Ingo Harnischmacher (Bündnis 90/Grüne). „Anfängerfehler“ im Wahlkampf hätten dazu beigetragen, gleichzeitig hätte die Partei aber auch den meisten Gegenwind abbekommen. Harnischmacher kann sich eine Ampelkoalition mit SPD und FDP auf Bundesebene gut vorstellen. „In Lindlar haben wir gute Erfahrungen gemacht, alle befruchten sich gegenseitig.“ Der Grünen-Vorsitzende hofft, dass die Verhandlungen sich nicht zu lange hinziehen. „Wir brauchen schnell eine handlungsfähige Regierung.“

CDU Wipperfürth mit dem kreisweit bestem Ergebnis

„Wir sind in Oberberg und Wipperfürth noch mit einem blauen Auge davon gekommen“, kommentiert Christian Berger das Ergebnis der CDU. Er habe im Straßenwahlkampf oft erlebt, dass CDU-Wähler gesagt hätten, dass sie Laschet nicht wählen könnten, die CDU aber wohl. Ebenso sei kritisiert worden, dass es im Wahlkampf keine Inhalte gegeben habe. Dabei habe die CDU jede Menge Inhalte, offenbar sei das beim Wähler nicht wirklich angekommen. Er wolle die CDU vor Ort mit erneuern und viel Präsenz zeigen. Er sehe die Chance, neu zu starten, die Lehren aus der Wahl müssten jetzt gezogen werden.

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Die CDU erreichte mit 33,3 Prozent in der Hansestadt kreisweit das beste Ergebnis. Im Vergleich zu 2017 ein Minus 11,6 Prozentpunkten. 13 Prozentpunkte hat Brodesser in Wipperfürth eingebüßt. Mit 39,6 Prozent erreichte er das zweitbeste Ergebnis im Kreis.

Wipperfürther SPD rechnet mit Ampelkoalition

Es sei ein spannender Wahlabend gewesen, so Regina Billstein, stellvertretende Vorsitzende des SPD-Ortsvereins. Mit einigen anderen Politkern hatte sie die Wahl im Rathaus verfolgt und sich über das Ergebnis der SPD gefreut. Kandidatin Michaela Engelmeier konnte ihr Ergebnis von 2017 um 2,6 Prozentpunkte auf 24,93 Prozent verbessern, die Partei legte um gut 6 Prozentpunkte zu. Zum Einzug in den Bundestag reichte es für Engelmeier nicht, bedauerte Billstein. Sie geht jetzt davon aus, dass es in Berlin eine Ampel-Koalition mit Olaf Scholz als Bundeskanzler gehen wird, denn Scholz sei ein liberaler Sozialdemokrat.

FDP trotz Verlusten zufrieden mit Wahlergebnis

Zufrieden mit dem Wahlergebnis der FDP zeigte sich Ortsvorsitzende Sylvie Amamra. Jörg von Polheim hatte bei den Erststimmen zugelegt und erreichte 9,9 Prozent, die Partei musste dagegen Einbußen hinnehmen und erreichte nur noch 12,4 Prozent. Persönlich befürworte sie eine Jamaika-Koalition, so Amamra.