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Ungewöhnliche IdeeFleischer bringt Waschbär auf die Speisekarte

Lesezeit 3 Minuten
Jerichow: Michael Reiß zerlegt in seiner Fleischerei in Kade einen Waschbären.

Jerichow: Michael Reiß zerlegt in seiner Fleischerei in Kade einen Waschbären.

Ein Wildfleischer ist mit einer ungewöhnlichen Idee an den Start gegangen. Statt gefangene und getötete Tiere wegzuwerfen, kommen sie nun zum Beispiel in die Bratwurst.

Im Schlachtraum von Michael Reiß zeigt sich ein ungewöhnliches Bild: An einem großen Fleischerhaken hängt ein erlegter Waschbär. Es ist Schlachtetag für eine ganze Reihe der kleinen Raubtiere in der Wildererhütte in Kade. An dessen Ende landen Waschbärenbuletten und Waschbärenwürste in Reiß’ Kühlkammer.

Der 45-Jährige ist erst seit kurzem Wildfleischer. Im Sommer 2022 erhielt er die EU-Zulassung für die Verarbeitung des Wildes. In einem Jahr hat er es aufgrund seiner Waschbärenbuletten zu lokaler Berühmtheit gebracht. Selbst aus Berlin und Leipzig kämen mittlerweile Kunden zu ihm ins Jerichower Land in Sachsen-Anhalt.

Waschbären fangen wir viel, und die schmeißen wir weg. Da habe ich das Veterinäramt angerufen.
Michael Reiß, Fleischer

Doch wie kam er zu dieser ungewöhnlichen Idee? Nach der Betriebsgründung sei der Landkreis auf ihn aufmerksam geworden und habe ihn gebeten, den Kreis bei der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin zu vertreten. „Da hat es in mir gerattert. Willst du da jetzt mit einer Hirschsalami hin, die jeder Landkreis hat?“, erzählt Reiß. „Es musste etwas Besonderes sein.“ Eines Abends sei ihm die Idee gekommen: „Waschbären fangen wir viel, und die schmeißen wir weg. Da habe ich das Veterinäramt angerufen: ,Mensch, kann ich auch Waschbären verarbeiten?‘“

Die Behörde habe Reiß erklärt, dass eine Parasitenuntersuchung der Tiere nötig sei, dann könne er loslegen. Als „Kostehappen“ für die Grüne Woche eignete sich am besten ein „kleines Bällchen“. So landete Reiß schließlich bei der Waschbärenbulette. Auf der Grünen Woche Anfang 2023 seien die Besucher erst aus allen Wolken gefallen. „Wollen sie uns verarschen?“ und „Ist das ihr Ernst?“ sei bei vielen die erste Reaktion gewesen. „Ganz viele haben sich dann aber getraut“, erzählt Reiß. Die Rückmeldungen seien überwiegend positiv ausgefallen.

Rostbratwurst aus Waschbärenfleisch

Nach der Grünen Woche habe er die Bällchen in sein Sortiment aufgenommen, so Reiß. Für seinen Imbisswagen habe er zudem eine Rostbratwurst aus Waschbärenfleisch kreiert. Inzwischen gibt es auch „Waschbären-Frühstücksfleisch“ als Konserve im Glas für den Versand. Sein Ziel sei keineswegs eine Massenproduktion, sagt Reiß. Er wolle den einen oder anderen anregen, „auch seine Falle zu stellen und diese invasive Art unter Kontrolle zu kriegen“.

Denn die Tiere richten nach Angaben von Jägern in der Natur einen enormen Schaden an. Sie räumten Nistkästen aus und zerstörten Baumhöhlen und Bodengelege, sagte ein Sprecher des Landesjagdverbandes Brandenburg. Im Jagdjahr 2022/23 wurden nach Angaben des Verbandes allein in Brandenburg rund 30000 Waschbären erlegt, fast zehn Prozent mehr als im Jagdjahr davor. Das reiche aber bei weitem nicht aus, erklärte der Verbandssprecher. Der Bestand weite sich teilweise „dramatisch“ aus.

Einige Naturschützer dagegen seien der Meinung, dass der Waschbär mittlerweile zur heimischen Tierwelt gehöre und somit das Recht auf eine friedliche Existenz habe, heißt es beim Naturschutzbund Deutschland. Meist gelinge es ohnehin nicht, durch Jagd oder Fang die Populationen zu verringen.

Warum arbeiten so wenig andere Fleischer mit Waschbärenfleisch? „Das ist wahrscheinlich aus kommerzieller Sicht für den ein oder anderen abschreckend“, sagt Reiß. „Das sind dann schon mal mehr als 25 Euro Fixkosten ohne die Arbeitszeit mit einzubeziehen.“ (dpa)