Die erlösende Meldung kam um 15 Uhr: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA gibt grünes Licht für den Impfstoff der Mainzer Firma Biontech. Nach der Zustimmung der EU-Kommission darf der Impfstoff BNT 162b2 in der Europäischen Union ausgeliefert werden. An den Börsen atmeten die Anleger auf. „Das ist einer der wichtigsten Tage in der Bekämpfung der Pandemie“, sagte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach unserer Redaktion. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: „Wir freuen uns, dass die Europäische Arzneimittelbehörde die Zulassung empfohlen hat. Mit großer Kraftanstrengung haben wir in Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen die notwendigen Vorbereitungen getroffen.“
Wann starten die Impfungen?
Es bleibt dabei: Am 27. Dezember starten die Impfungen in der Europäischen Union. In Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern soll mit Impfungen durch mobile Teams in Altenheimen begonnen werden. „Wir schützen die Verwundbarsten zuerst“, twitterte Spahn. „Aufgrund der zunächst begrenzten Mengen werden wir damit beginnen, in den Pflegeeinrichtungen zu impfen“, so Laumann.
Wie viel Impfstoff gibt es?
Zunächst erhält Deutschland 400 000 Impfdosen von Biontech. Da jeder zweimal geimpft werden muss, reicht das für 200 000 Bürger. Das Mainzer Unternehmen und sein Partner Pfizer wollen im ersten Quartal insgesamt bis zu 13 Millionen Dosen liefe rn, was für 6,5 Millionen Menschen reicht. Allerdings sind allein in der ersten Gruppe, die in Deutschland nach Ansicht der Ständigen Impfkommission (Stiko) prioritär geimpft werden sollen, schon mehr Menschen.
Schützt der Impfstoff auch vor Mutationen, wie sie nun in Großbritannien aufgetreten sind?
Experten beruhigen: „Momentan gehen wir davon aus, dass sich die aufgetretene Mutation nicht nachteilig auf die Wirksamkeit des Impfstoffes auswirkt“, sagte Marylyn Addo, Virologin am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Momentan gebe es auch keine Hinweise auf eine erhöhte Infektionsschwere der neuen Variante. „Virus-Mutationen an sich sind erwartbar und nicht ungewöhnlich.“ Ähnlich äußerten sich der Virologe Christian Drosten und Karl Lauterbach. „Die Mutation aus Großbritannien ändert nichts an der Impfkampagne, sie zeigt im Gegenteil, wie wichtig das rasche I mpfen jetzt ist“, so Lauterbach. Der Biontech-Impfstoff greife auf eine breite Mischung von Sars-Cov2-Komponenten zu und erfasse damit auch die Mutation. „Die Impfung wird uns also auch vor dieser Mutante schützen.“
Ist der Biontech-Impfstoff auch für Allergiker geeignet?
Für die Mehrheit der Allergiker ja, meint Lauterbach. „Nur schätzungsweise jeder 1000. Allergiker zählt zur Gruppe derer, die schon mal einen anaphylaktischen Schock hatten – diese Menschen haben grundsätzlich Probleme mit Impfungen, nur für sie ist der Biontech-Impfstoff möglicherweise ein Problem“, sagt der SPD-Experte. „Heuschnupfen allein ist kein Grund, sich nicht impfen zu lassen.“
Wer wird zuerst gegen das Virus geimpft?
Spahn hat auf Basis der Stiko-Empfehlung eine Verordnung erlassen. Danach sind als erstes („Schutzimpfung mit höchster Priorität“) die Menschen an der Reihe, die über 80 Jahre alt sind, die in Alten- und Pflegeheimen wohnen oder arbeiten sowie medizinisches Personal in Notaufnahmen und auf Covid-Stationen von Krankenhäusern. Als zweite Gruppe („hohe Priorität“) sind über 70-Jährige an der Reihe, geistig Behinderte und deren Betreuer, medizinisches Personal mit erhöhtem Risiko, sowie Personen, die in Obdachlosen- oder Asybewerberunterkünften wohnen oder tätig sind.
Was ist mit wichtigen Berufen?
Ärzteverbände kritisieren, dass niedergelassene Ärzte nicht früher an der Reihe sind, obwohl sie die meisten Covid-Patienten behandeln. Gewerkschaften hatten auch für Polizisten, Erzieher und Lehrer eine bevorzugte Impfung gefordert. Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission, verteidigt dagegen die Reihenfol ge: Entscheidend sei die Überlegung, zunächst Menschen zu schützen, die ein großes Risiko für schwere Krankheitsverläufe hätten, sagte Mertens dem Sender SWR. Das schütze auch das Gesundheitssystem.
Was ist mit der Kanzlerin?
Personen aus relevanten Positionen in Regierung und Verwaltung sollen laut Spahns Verordnung als dritte Gruppe („erhöhte Priorität“) geimpft werden. Das dürfte erst ab Frühjahr der Fall sein. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat aber nichts dagegen, dass die Kanzlerin und andere prominente Politiker zuerst geimpft werden. „Wenn prominente Vorbilder hilfreich sind, um Impfskeptiker zu überzeugen und damit eine Welle an Impfbereitschaft auszulösen, bin ich der Letzte, der das kritisieren würde“, sagte er unserer Redaktion.
Wann kommt der nächste Impfstoff?
Bis zu m 6. Januar will die EMA über die Zulassung des Impfstoffes von Moderna entscheiden. Der US-Konzern setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie, bei der ein Botenstoff des Virus injiziert wird und den Körper zur Produktion des Proteins anregen soll, auf das der Körper dann Antikörper bildet. „Ich hoffe, dass die EMA den ähnlichen Impfstoff von Moderna bald zulässt. Um die Pandemie zu stoppen, müssen wird rund 60 Prozent der Bevölkerung impfen“, sagte Lauterbach.
Muss man sich wie bei der Grippe jährlich impfen lassen?
Das erwartet Virologin Addo nicht. „Eine jährliche Impfung mit einem neuen angepassten Impfstoff, wie bei der Influenza, wird nach unserem jetzigen Kenntnisstand nicht notwendig werden.“ Wie lange der Impfschutz andauere, werde derzeit noch untersucht. „Es ist aber vorstellbar, dass, wie es auch bei anderen Impfungen notwendig ist, ein Impfs chutz nach einigen Jahren aufgefrischt werden muss“, sagte Addo weiter.