22 Teilnehmer aus dem Kreis Euskirchen genossen die „tierische“ Entschleunigung. Eine Frage stellte sich aber: Wer führt hier wen?
Caritas-AngebotBei Wanderung mit Lamas in Hellenthal können Flutopferfamilien entspannen
„Das ist Buddy, die Schmusebacke“, sagt Julia Samans von „Eifel Lamas“ in Hellenthal und schaut das große weiße Tier vor sich an. Und „Buddy“ tut das, was ihm nachgesagt wird. Innig kuschelt es, die Bananenohren gespitzt, seinen Fellkopf an dem seines Frauchens, wenn man das, etwas in die Irre führend, so nennen will. Denn Julia Samans ist eher Tierpflegerin, und „Buddy“ kein Kuscheltier.
„Nein, Lamas und Alpakas sind Distanztiere,“ erklärt die Fachfrau: „Sie sind es aber bei uns gewohnt, dass man sie mal berührt. Sie lassen das zu, wenn es in Maßen geschieht.“
Um die beiden herum steht in der Nachmittagssonne bei Hellenthal eine gemischte Gruppe aus 22 Menschen, die das Entschleunigungsangebot der Caritas Euskirchen für Flutopferfamilien und Fluthelfer genießen. Vom Baby bis zur über 60-Jährigen sind verschiedene Altersgruppen vertreten. Sie kommen aus dem Norden des Kreises Euskirchen und sie vereint ein Interesse: einmal mit Lamas und Alpakas durch die Eifel zu wandern.
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Sie haben einen Platz für dieses Angebot ergattert, das die Caritas kostenlos anbietet. „Wir haben gewonnen“ –, so zumindest haben Ulrike und Marion aus Weilerswist die Zusage empfunden. Ihre erste Lama-Wanderung – und das gratis. Da schaue ihr Wellensittich zuhause wohl etwas ratlos aus dem Käfig heraus, doch jetzt ist Größeres zu erwarten.
Das Angebot der Caritas Euskirchen ist zu einem wahren Renner geworden
Welcher der um die Gruppe entspannt der Dinge harrenden südamerikanischen Vierbeiner es nun sein wird, den die beiden Frauen an der neonfarbenen Leine führen werden, ist noch nicht ausgemacht. Doch das findet sich.
Zunächst gibt es eine Kurzeinführung von Julia Samans. Dass Lamas zum Tragen von Lasten gezüchtet werden, weshalb sie größer und kräftiger als die oft dunkelfelligen Alpakas sind, deren dichte Fellwolle wiederum begehrt ist. Beide Tierarten eint bei Bedarf ihre Eignung für die Pflege des Gartengrüns, doch das ist eher eine Sekundärtugend.
Die Frage aller Fragen aber ist: Stimmt, was Zoobesucher vor dem Lama-Gehege auf dem Warnschild lesen können: „Vorsicht, Tiere spucken!“?
Ja, das sei richtig, klärt Julia Samans auf, doch die Lamas bedienten sich des gezielten Sekretauswurfs nur dann, „wenn es um die Einhaltung der Hierarchie in der Herde geht, oder wenn ihnen ein anderes Lama zu sehr auf die Pelle rückt“. Zudem könnten Lamas sehr wohl zwischen Tier und Mensch unterscheiden.
Das beruhigt einerseits. Andererseits ist da auch Lama „Hannibal“, ein weiß-beiges Exemplar mit blauen Augen, was, so Julia Samans, „auf einen Gendefekt hindeutet“. Davon betroffene Tiere sind entweder blind oder taub. „Hannibal“ ist Letzteres. Meint die Fachfrau zumindest. „Manchmal zweifele ich aber, ob das wirklich stimmt, manchmal nicht“, gesteht sie. Ein Lama ist eben auch nur ein Mensch: Es hört, was es hören will.
Ansonsten aber nähmen die gebürtigen Andenbewohner die Menschen an ihrer Seite „so, wie sie sind“, beruhigt die Tierexpertin. Man fragt sich also, was es bedeuten soll, wenn das Lama neben einem partout nicht gehorchen will.
Nun soll es aber auf die rund zweistündige, knapp vier Kilometer lange Tour entlang der Eifelschleife „Eisvogelwanderweg“ gehen. Alle haben sich ein Lama oder Alpaka an die Leine genommen.
Doch „Picasso“ hält die kleine Kolonne auf. Er steht ganz vorne und bewegt sich keinen Meter. Denn erst kommen „Oskar“, der Herden-Chef, so Julia Samans, dann „Samson“, ein ebenfalls beeindruckend großes Lama, und übernehmen die Führungsrolle – mit ihrem menschlichen Begleitpersonal an der Leine. Denn wer hier wen führt, ist gerade nicht so wichtig, Hauptsache die Lamas und Alpakas wissen, in welcher Reihenfolge sie gehen wollen.
Nach der Beseitigung der Flutschäden wirkt die Wanderung beruhigend
In der wie immer nämlich. So ergibt sich eine im hinteren Teil der Karawane zunehmend bunt gewürfelte Mischung. Mitten drin sind Helene und Klaus aus Rheder, die die Chance zu ihrer ebenfalls ersten Lama-Wanderung gerne genutzt haben: „Wir hatten mit der Beseitigung der Flutschäden im Haus viel Arbeit. Das könnte uns guttun“, so hätten sie gedacht, als sie von dem Angebot lasen. Der Effekt tritt ein wie gewünscht.
Alexandra, die mit Ehemann Joachim und den Kindern Christian (zwei Monate, im Kinderwagen) und Elena dabei ist, freut sich über „ein bisschen Abwechslung für das größere Kind. Angebote mit Tieren für Kinder gibt es doch eher wenige“.
Echte Freundschaft: Alexander aus Bad Münstereifel und sein Begleiter „Paulchen“
Sabine und Hans aus Arloff sehen das ähnlich. Das Ehepaar hat die Kinder Alexander und Marie mitgebracht, nicht zum ersten Mal. Alexander sucht und findet „Paulchen“. Das kleine Alpaka ist ihm schon bei der ersten Begegnung vor einem Jahr ans Herz gewachsen. Schnell nimmt er es an die kurze Leine, denn Alpakas wie Lamas wollen unterwegs „am liebsten immer fressen, das sollen sie aber nicht“, sagt Julia Samans.
Und während sich die sichtlich gut gelaunte Gruppe gemächlichen Schrittes auf den Weg macht, zunächst entlang des Campingplatzes, dann ins schöne, sich weitende Tal des munter gurgelnden Platißbaches, freut sich Saskia Reder ganz besonders. Sie ist Beraterin im Fluthilfebüro der Caritas Euskirchen und Sozialarbeiterin.
Ihr Team hat die erste Wanderrunde 2022 angeboten, als Versuchsballon. 2023 folgten sechs weitere. In diesem Jahr ist nicht nur die erste am vergangenen Freitag, sondern auch die zweite, die in 14 Tagen stattfindet, ausgebucht. Es gibt sogar eine Warteliste – auch für die geplante dritte Lama-Wanderung in diesem Jahr. „Wir wollten das eigentlich auslaufen lassen, jetzt wird es aber wohl 2024 wieder sechs Touren geben“, schwant Reder.
Nicht immer bekommen Sozialarbeiter so klar gespiegelt, dass Hilfsangebote der sprichwörtlichen kleinen Schritte einfach sinnvoll sind.