Köln – Es ist keineswegs so, dass Steffen Baumgart über Nacht größenwahnsinnig geworden ist oder sich in einen Träumer verwandelt hat. Der neue Trainer des 1. FC Köln ist und bleibt Realist und in seinen Einschätzungen bodenständig. Wahrscheinlich wirken gerade deshalb Baumgarts Aussagen vor dem Auftritt seiner Mannschaft am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) beim FC Bayern München für manch einen irritierend. Realistisch wäre es doch, sich auf das übliche Schicksal einer klaren Niederlage gegen den Rekordmeister einzustellen.
Der 49-Jährige ist aber überhaupt nicht gewillt den FC vor der Herkulesaufgabe beim „besten Team Deutschlands“ kleiner zu machen, als er ist. „Wir werden nach vorne spielen und hoch anlaufen. Wir wollen da hinfahren, um zu gewinnen“, bläst er zur Attacke. Baumgart geht es also um die drei Punkte, das nackte Ergebnis. Aber im weiteren Sinne vor allem um sein Verständnis eines offensiv angelegten Fußball und den Prozess, dass seine Mannschaft daran glaubt: „Wir müssen sehen, dass wir unsere Ideen umsetzen können. Ich werde meinen Fußball nicht verändern, weil die Konstellation David gegen Goliath ist.“
Baumgarts klare Devise
Der Trainer lebt den Mut vor, den sein Team am Sonntag vor 20 000 Zuschauern in der Allianz-Arena aufbringen soll - und muss. Denn sonst wird aus einer vielleicht möglichen Überraschung schnell die immer mögliche Abreibung. „Kopf hoch, Brust raus und nach vorne“, lautet Baumgarts Devise.
Er sagt das nicht einfach nur so dahin und weiß, dass der Schuss angesichts der Weltklasse-Auswahl des Gegners um Torjäger Robert Lewandowski auch mit einer mutigen Einstellung nach hinten losgehen kann: „Wir brauchen nicht über die Qualität der Bayern reden. Sie sind hungrig und wollen immer, das war gegen Dortmund zu sehen. Es ist eine große Herausforderung. Es kann ein richtig geiler Kick werden. Das Ergebnis kann aber auch böse ausgehen.“
Als Trainer noch unerfolgreich gegen die Bayern
Kann, muss aber nicht. Als Trainer des SC Paderborn hat Baumgart die Bayern in der Bundesliga zweimal an den Rand der Verzweiflung gebracht. Sowohl in München als auch in der heimischen Arena unterlagen die Ostwestfalen als krasser Außenseiter nur mit 2:3. Erfahrungen, die Baumgarts Ansatz stützen, Duelle mit den Bayern immer wieder aufs Neue mit Mut und Überzeugung anzugehen. „Ich habe als Trainer noch keinen Punkt gegen die Bayern geholt, trotzdem waren die Spiele alle gut“, erinnert er sich.
Es würde ihm in seiner Trainer-Seele wahrscheinlich mehr schmerzen, wenn sich eine seiner Mannschaften in München hinten reinstellt und 0:2 verliert, anstatt alles zu wagen und 0:6 unterzugehen. Was Baumgart übrigens auch schon erfahren musste. Im Viertelfinale des DFB-Pokals kassierte er 2018 mit dem SC Paderborn als Zweitligist ein halbes Dutzend gegen das Starensemble von der Isar, bei dem der neue Trainer Julian Nagelsmann am Sonntag auf Nationaltorhüter Manuel Neuer und Außenstürmer Kingsley Coman verzichten muss.Nach dem 3:1-Heimsieg gegen Hertha BSC muss und will Baumgart sein Team umbauen. Neben Ersatztorwart Marvin Schwäbe (Handverletzung) fehlt Timo Hübers, der nach einem Schlag auf das Sprunggelenk über Probleme im Knie klagt. Für den Neuzugang von Hannover 96 wird Jorge Meré in der Innenverteidigung auflaufen. Ferner darf davon ausgegangen werden, dass Kingsley Ehizibue anstelle des gebürtigen Münchners Benno Schmitz auf der rechten Seite verteidigen wird. „Easy spielt eine große Rolle für Sonntag“, orakelte der FC-Coach.
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Baumgart denkt auch bei dieser Personal-Rochade mehr offensiv als defensiv. Die Trainingseinheiten dieser Woche vermittelten den Eindruck, dass die Kölner nach Ballgewinnen durch schnelle Spielverlagerungen das Tempo des Niederländers nutzen wollen, um vor allem die linke Abwehrseite der Bayern zu attackieren, wo der ebenfalls pfeilschnelle Alphonso Davies beim 1:1 in Gladbach taktische Schwächen in der Rückwärtsbewegung erkennen ließ. „Wir müssen die Situationen ausnutzen, die sie uns anbieten werden“, fordert Steffen Baumgart wie immer den Weg nach vorne.
Voraussichtliche Aufstellungen: Bayern München: Ulreich; Stanisic, Upamecano, Süle, Davies; Kimmich, Goretzka; Sané, Müller, Gnabry; Lewandowski. – 1. FC Köln: T. Horn; Ehizibue, Meré, Czichos, Hector; Skhiri; Thielmann, Kainz; Ljubicic; Uth, Modeste.