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„Das werde ich nie vergessen“Thomas Kessler erinnert sich an FC-Derbysieg 2016

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Thomas Kessler, Sportchef des 1. FC Köln.

Köln – Thomas Kessler hat sich als Sportlicher Leiter beim 1. FC Köln gleich in seiner ersten Saison etabliert und ist Teil des bislang erfolgreichen personellen Umbruchs auf der Führungsebene des Fußball-Bundesligisten. Matin Sauerborn sprach mit dem 36-Jährigen über Derbys und Teamwork.

Herr Kessler, Sie sind wie Salih Özcan ein Gladbach-Experte: Drei Bundesligaspiele mit dem FC und St. Pauli gegen die Borussia, alle drei gewonnen.

Wenn ich im Tor stand, habe ich noch kein Pflichtspiel gegen Mönchengladbach verloren. Auch in der Jugend nicht.

Okay, wie sieht es dann mit einem Einsatz am Samstag aus?

Ich habe unseren Trainer schon gesagt: Wenn alle Stricke reißen, habe ich noch zwei Tage Vorbereitung. Also, wenn er mich noch mal durch den Wald jagen will, kann er sich das überlegen (lacht).

Am 19. November 2016 haben Sie als Profi Ihr einziges Derby mit dem FC gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie an das legendäre 2:1 in Gladbach mit Marcel Risses Tor des Jahres kurz vor Schluss?

Wir waren in der Länderspielpause und ich hatte lange nicht gespielt. Tage vorher war dann schon klar, dass ich spielen werde, weil Timo Horn sich schwerer verletzt hatte. Ich wurde im Vorfeld überall und ständig auf das Spiel angesprochen. Man spürt als gebürtiger Kölner natürlich eine hohe Verantwortung in einem Derby, das FC-Trikot tragen zu dürfen. Im Vorfeld spielt man da natürlich einige Szenarien durch. Zum Einmarsch ins Stadion sind die diese Gedanken dann allerdings sofort weg. Ab da ist man als Spieler im Tunnel.

Es ist für Sie ja auch ganz gut gelaufen, oder?

Ich hatte einige gute Aktionen, mit denen ich die Mannschaft im Spiel gehalten habe. Die Krönung war natürlich Cellos Hammer aus 30 Metern in den Winkel. Nach dem Spiel haben wir dann gemeinsam vor der Tribüne gefeiert. Diese Emotionen werde ich nie vergessen und zu einem späteren Zeitpunkt sicher auch meinen Kindern zeigen – auch wenn es am Ende sicher ein glücklicher Sieg für uns war.

War es Ihr bestes Spiel Ihrer Torwartkarriere?

Sicher war es das emotionalste, und das mit der größten Last auf meinen Schultern in meiner Laufbahn. In meiner persönlichen Wahrnehmung gab es schwierigere und bessere Spiele von mir.

2016 waren die Voraussetzungen zwischen Gladbach und Köln vor dem Derby sicher andere. Der FC hat in dieser Saison sportlich auf die Borussia aufgeholt und steht in der Tabelle überraschend vor der Borussia. Was erwarten Sie am Samstag für ein Spiel?

In der Tabelle stehen wir vor ihnen. Nach den Erfolgen der Borussia in den letzten 10 Jahren, ist es für uns allerdings noch ein weiter Weg davon zu sprechen, dass wir sportlich aufgeholt haben. Für Samstag erwarte ich ein emotionales, intensives Spiel, auch weil beide Fan-Lager wieder da sind. Das Derby ist wegen seiner Rahmenbedingungen so besonders. Das sind am Ende die besonderen Duelle, die ein Spieler bestreiten will, wenn er sich dazu entschließt einen Vertrag beim FC zu unterschreiben.

Es geht doch aber wie in jedem Spiel nur um drei Punkte?

Faktisch ja, allerdings hat dieses Spiel für das Umfeld in Köln eine deutlich höhere Bedeutung als nur drei Punkte. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, das Borussia Mönchengladbach dieses Spiel nutzen will, um gerade mit Blick aufs Hinspiel, etwas gutmachen zu wollen. Wir befinden uns in einer komfortablen Tabellensituation und in einer guten Verfassung. Wir rechnen uns Chancen aus, am Samstag als Sieger vom Platz zu gehen. Damit uns dies gelingt, müssen wir unsere Motivation und unsere Emotionen so kanalisieren, dass wir uns an den Matchplan halten und keinen wilden Fußball spielen, wie in der ersten Stunde gegen Mainz. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir auch in diesem Spiel an unser Leistungslimit kommen.

Es ist Ihre erste Saison als Sportlicher Leiter beim FC. Wie fühlen Sie sich als Neuling in diesem verantwortungsvollen Job?

Für mich war es zunächst ein Sprung ins kalte Wasser. Im ersten Jahr meines Trainees habe ich bewusst alle Abteilungen abseits des Sports durchlaufen. Es war für mich ein großer Mehrwert, außerhalb der Fußball-Blase den Verein kennenzulernen und etwas Abstand vom Profifußball zu bekommen. Im zweiten Traineejahr war geplant wieder näher an die Lizenzabteilung zu rücken. Doch wie der Fußball so ist, kam die verantwortungsvolle Position schneller als gedacht. Ich musste schnell in die neue Aufgabe reinwachsen und lernen, dass ich öffentlich nicht mehr als der Spieler Thomas Kessler wahrgenommen werde, sondern für den ganzen Club spreche und Verantwortung trage. Meine tägliche Arbeit wird in der Öffentlichkeit logischerweise am sportlichen Erfolg gemessen. Daher bin ich sehr froh, dass die sportlichen Leistungen unserer Mannschaft und die gute Arbeit unseres Trainerteams dazu geführt haben, dass wir im Hintergrund bisher in Ruhe arbeiten konnten.

Von außen gewinnt man den Eindruck, dass die Zusammenarbeit im Club gut funktioniert. Sie haben ja selbst im Sommer 2021 gesagt, dass dies die Grundlage für den Erfolg sein muss.

Wie jeder andere hier bin ich Teil eines Teams. Der Umgang miteinander ist ein ständiger Prozess. Unser Ziel war es vom ersten Tag an, alle mitzunehmen. Jeder leistet hier seinen Beitrag zum Erfolg des Clubs, ob im Fanshop, auf der Geschäftsstelle oder auf dem Platz. Das spiegelt sich darin wider, dass Spieler, die wie gegen Mainz eingewechselt werden, sofort voll da sind und ihren Beitrag leisten, anstatt persönlich enttäuscht zu sein, dass sie nur eine halbe Stunde spielen. Wir werden auch in Zukunft nur erfolgreich sein können, wenn jeder im Club alles dem nachhaltigen Erfolg unterordnet.

So wie 2016/17, der Saison, in der Sie das Derby gespielt haben und sich für Europa qualifizieren konnten?

Das kann ich nicht seriös beantworten, weil mir damals als Spieler die Einsichten in das große Ganze gefehlt haben. Ich kann aber sagen, dass die Stimmung in der Mannschaft so gut wie damals ist und es einen respektvollen Umgang miteinander gibt. Im Hinblick auf das Kollektiv ist die aktuelle Saison vergleichbar mit 2016/17.

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Trotz des großen Umbruchs auf der Geschäftsführerebene? Passen die neuen leitenden Angestellten zum FC, obwohl Ihnen eine FC-Vergangenheit fehlt?

Ein klares Ja. Eine durchgehend hohe Identifikation mit einem Club ist nicht gleichbedeutend mit Erfolg. Man darf sich nicht nur ständig in den Armen liegen. Reibung ist wichtig im Management. In der Zusammenarbeit entstehen Synergien und die sehe ich bei uns in jedem Meeting und jedem Gespräch. Ich habe die neue Geschäftsführung so kennengelernt, dass sie sich zu 100 Prozent mit der Aufgabe beim 1. FC Köln identifizieren. Das ist ungemein wichtig, da wir uns weiterhin in einer schwierigen finanziellen Situation befinden, die uns dazu zwingt, mehr und intensiver nachzudenken, um nachhaltig gute Entscheidungen für den Club zu treffen. Alle müssen an einem Strang ziehen. Dafür sehe ich uns in der Konstellation sehr gut aufgestellt.

Beim FC wird momentan viel über Vertragsverlängerungen gesprochen, zum Beispiel bei Trainer Steffen Baumgart oder bei Salih Özcan. Auch Ihr Vertrag läuft 2023 aus. Wann verlängern Sie als demnächst von der DFL zertifizierter Manager?

Ich habe im letzten Sommer eine große Chance erhalten hier in einer leitenden Funktion etwas mitgestalten zu können. Unsere Strategischen Ziele sind weit über 2023 ausgelegt. Daher verspüre ich eine große Motivation weiter am nachhaltigen Erfolg des Clubs arbeiten zu dürfen. Alles weitere wird die Zeit zeigen.