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„Von Vereinen missverstanden“Studie misst ökologischen Fußabdruck der Bundesliga

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Flugzeug Symbol DPA 021219

Symbolbild

Berlin – Der ökologische Fußabdruck von Roberto Firmino dürfte so manchen Klimaschützer verzweifeln lassen. Der frühere Hoffenheimer Bundesliga-Profi, jetzt in Diensten von Champions-League-Sieger FC Liverpool, legte allein in diesem Jahr schon fast 100 000 Kilometer mit dem Flugzeug zurück. Nach der Studie eines Klimaforschers der Universität Manchester entspricht allein das einer CO2-Emission von fast 50 Tonnen. Noch deutlich höhere CO2-Emissionen aber verursachen die Fan-Wanderungen an jedem Bundesliga-Wochenende.

Etwa 400 000 Stadien-Gänger pilgern im Schnitt zu den Spielstätten von FC Bayern, Borussia Dortmund und Co. - und hinterlassen dabei einen kräftigen ökologischen Fußabdruck. „In der Summe liegen wir bei rund 7800 Tonnen CO2, die pro Spieltag ausgestoßen werden“, sagt Patrick Fortyr von der Klimaschutzberatung CO2OL vor der aktuellen UN-Klimakonferenz in Madrid.

Um die von Transport und Konsum der Fans an nur einem Spieltag verursachten Emissionen wieder auszugleichen, benötigt es Experten zufolge der Aufforstung von etwa 60 000 Bäumen auf einer Fläche von umgerechnet 48 Fußballfeldern. Das geht aus einer Kurzstudie der Nachhaltigkeitsexperten von Co2OL für den Deutschlandfunk hervor.

Die Studie sei nur eine Modellierung, betont Fachmann Fortyr. Eine Verallgemeinerung der Aussagen sei unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten schwierig. „Die klimatechnischen Fußabdrücke der Vereine unterscheiden sich schon aufgrund ihrer Lage. Ruhrpottvereine haben im Schnitt deutlich kürzere Wege zurückzulegen als Leipzig, die für jedes Auswärtsspiel weit reisen müssen“, erklärt der CO2-Experte.

Diskussion über Klimaschutz in der Bundesliga

Es sei merkwürdig, dass die Diskussion bisher überhaupt nicht aufkam, sagt Fortyr. Die Rolle des Fußballs falle trotz Klimanotstands etwas unter den Tisch. Fortyr beklagt neben den halbherzigen Maßnahmen vieler Vereine insbesondere die unzureichende Erfassung der Emissionen. „Positiv-Beispiel ist der VfL Wolfsburg, der seine Treibhausgasemissionen regelmäßig nach einem internationalen Bilanzierungsstandard erfasst.“

Die deutschen Proficlubs aus Ober- und Unterhaus haben nach Angaben der Deutschen Fußball Liga (DFL) im März diese Jahres einen Arbeitskreis einberufen, um gemeinsame Klima-Lösungen zu suchen. Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe beobachtet, dass das Klima-Thema bei den Vereinen an Relevanz gewinnt. „Der Fußball klammert Klimaschutz nicht länger aus“, sagte er unlängst der „taz“.Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann zeigte zuletzt Verständnis, falls einer seiner Spieler anstatt zu trainieren an der Klima-Demo von „Fridays for Future“ teilnehmen würde. „Wenn es für eine gute Sache ist, könnte ich vielleicht darüber hinwegsehen.“ Freiburgs Coach Christian Streich hält den Klimastreik für absolut berechtigt.

Die Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim und Mainz 05 versuchen mit gutem Beispiel voranzugehen. „Seit Saisonbeginn handelt die TSG [...] konsequent klimaneutral und kompensiert alle nicht vermeidbaren Emissionen“, heißt es auf der Internetseite der Hoffenheimer. Mainz 05 behauptet sogar, „seit 2010 klimaneutral“ zu sein. Durch Zertifikate gleiche der Verein seine CO2-Emissionen aus - auch die der Fans bei Auswärtsreisen.

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Die Rhein-Hessen seien eine positive Ausnahme, sagt Experte Fortyr. Dennoch müsse man bei der Bewertung genau hinsehen. Oft würden sich viele Attribute, die sich die Vereine anheften, als geschönt oder undurchsichtig entpuppen. „Wir brauchen transparente und einheitlich erfasste CO2-Bilanzen aller Vereine“, betont Fortyr. Eine solche Transparenz sehe er bis auf wenige Ausnahmen nicht. „Ich glaube, bei einigen Vereinen wird ein vermeintlich ökologisches Auftreten als Marketinginstrument missverstanden.“Insbesondere bei der Mobilität der Fans und Teams bestehe noch jede Menge Handlungsbedarf. Schätzungen der Klimaschutzexperten von CO2OL zeigen, dass teilweise bis zu 70 Prozent der Fans nach wie vor mit dem Auto zu den Spielen reisen.

Die Vereine haben oft keine direkte Handhabe auf das Mobilitätsverhalten ihrer Anhänger“, erklärt Fortyr. Es bedürfe einer Menge Fingerspitzengefühl, um den Umstieg der Fans auf Bus und Bahn oder das Rad zu begleiten. „Wenn ein Verein die Zahl der Parkplätze einschränkt oder die Park-Preise nach oben schraubt, muss er sich die Frage stellen, ob er so nicht eher die Leute komplett vom Stadion fernhält“, so Fortyr. „Meines Erachtens hilft am ehesten ein Belohnungssystem für eine klimaschonende Anreise - und die Vereine müssen weiter mühsame Überzeugungsarbeit leisten.“ Dazu gehöre auch, nicht nur Fans aufzufordern, umweltfreundlich anzureisen, sondern es auch selbst zu tun. (dpa)