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Anhörung wegen Kuss-Eklat bei Frauen-WMSpaniens Fußball-Chef Rubiales lehnt Rücktritt konsequent ab

Lesezeit 4 Minuten

Erst hieß es, dass Luis Rubiales zurücktreten wird. Doch es kam ganz anders. Der 46-Jährige spricht von einer Hetzkampagne gegen ihn.

Zunächst berichteten mehrere Medien übereinstimmend, dass Luis Rubiales wegen des Kuss-Skandals beim WM-Finale der Frauen offenbar als Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF zurücktreten will. Er soll seinem Team mitgeteilt haben, dass er seine Entscheidung am Freitag öffentlich machen werde, schrieben die Sportzeitungen „Marca“, „Mundo Deportivo“, „AS“, „Sport“ und andere Medien am Donnerstag übereinstimmend. Nun kam es zur Kehrtwende – Rubiales lehnt den Rücktritt ab.

Für Freitag wurde eine außerordentliche Generalversammlung des spanischen Fußballverbandes RFEF angesetzt. Bei dem Treffen sollte über Konsequenzen aus dem übergriffigen Verhalten des Verbandschefs beraten werden. Der 46-jährige Fußballfunktionär wollte dort auch seinen Rücktritt bekannt geben, hieß es.

Eklat im spanischen Fußball: Luis Rubiales lehnt Rücktritt ab

Der 46-Jährige hatte vergangenen Sonntag bei der Siegerehrung der spanischen Fußball-Weltmeisterinnen in Australien die Spielerin Jennifer Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst. Hermoso hatte kurz darauf in einem Video gesagt, dass ihr der Kuss unangenehm gewesen sei. „Aber was sollte ich machen?“, fügte sie hinzu. Ein Sturm der Entrüstung brach los und viele in Spanien forderten den Rücktritt von Rubiales.

Doch dazu kam es bei der Generalversammlung nicht: Rubiales lehnte die Forderungen nach einem Rücktritt konsequent ab. Fünfmal habe er lautstark „Ich werde nicht zurücktreten“ gerufen, berichtet unter anderem das spanische Sport-Portal „Relevo“.

Der RFEF-Präsident verteidigte sein Verhalten erneut: Der Kuss sei ein „spontaner, gegenseitiger und einvernehmlicher Kuss“ gewesen. Für seine Geste auf der Ehrentribüne, bei der er sich vor Spaniens Königen Letizia jubelnd in den Schritt griff, entschuldigte er sich – er sei so emotional gewesen, dass er die Kontrolle verloren habe.

Rubiales sprach zudem von einer „Kampagne“ gegen ihn – eine „Sensationslust des falschen Feminismus“. Schon seit seinem Amtsantritt 2018 gebe es eine „Jagd“ gegen ihn, die er nicht verdiene. Rubiales werde unter Druck gesetzt. Viele würden ihn jedoch unterstützen. Gegen die, die ihn „öffentlich ermorden“ wollen, wozu er Presse, Politik und andere Sport-Funktionäre zählt, werde er rechtliche Schritte einleiten. Er pocht auf Gerechtigkeit und werde weitermachen.

Rubiales vor Rücktritt: FIFA-Disziplinarverfahren gibt wohl Ausschlag

Spanische Medien hatten zuvor spekuliert, die Mitglieder der Generalversammlung könnten Rubiales den Rücken stärken. Für diesen Fall hatte die Regierung bereits angekündigt, dass sie einschreiten werde. Der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sánchez bezeichnete das Verhalten von Rubiales jüngst als „inakzeptabel“.

Inzwischen wurde auch ein Disziplinarverfahren durch den Weltfußballverband FIFA eingeleitet. „Die FIFA bekräftigt ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Achtung der Integrität aller Personen und verurteilt deshalb jedes gegenteilige Verhalten aufs Schärfste“, teilte die Organisation am Donnerstag mit.

Die Disziplinarkommission prüfe einen Verstoß gegen Artikel 13 des eigenen Reglements, der mit „Beleidigendes Verhalten und Verstöße gegen die Grundsätze des Fairplay“ überschrieben ist. Rubiales ist auch Vizepräsident der Europäischen Fußball-Union UEFA.

Scharfe Kritik von Ministerpräsident Sanchez: „Was wir gesehen haben, ist inakzeptabel“

Auch die spanische Regierung hatte Druck gemacht. „Natürlich warten wir darauf, dass etwas passiert. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Regierung handeln“, sagte Präsidentschaftsminister Félix Bolaños. Nach dem Vorfall in Sydney war in den vergangenen Tagen die Kritik und Empörung immer größer geworden, sodass die RFEF zum Handeln gezwungen wurde. „Was wir gesehen haben, ist inakzeptabel“, sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez.

Die spanische Spielerinnen-Gewerkschaft FutPro forderte „beispielhafte Maßnahmen“. Solche Handlungen dürften „niemals ungestraft bleiben“, teilte die Gewerkschaft mit und zitierte auch Hermoso. „Meine Gewerkschaft FutPro kümmert sich in Abstimmung mit meiner Agentur TMJ um die Verteidigung meiner Interessen und ist der Gesprächspartner in dieser Angelegenheit“, sagte die Weltmeisterin demnach.

Erzwungener Kuss für Jennifer Hermoso: Weitere Vorwürfe gegen Rubiales

Zuvor war bekannt geworden, dass vom Verband am Montag verbreitete Zitate der Spielerin nicht von Hermoso stammten. Rubiales soll zudem Spielerinnen gedrängt haben, ein Entschuldigungsvideo mit ihm aufzunehmen. Eine ehemalige Gewerkschaftschefin berichtete zudem von sexistischem Verhalten des Verbandschefs in der Vergangenheit.

Rubiales hatte – mit Verzögerung – am Montag einen Fehler eingeräumt. Er habe Hermoso „spontan“ und „ohne jede böse Absicht oder bösen Willen“ auf den Mund geküsst. Der Vorfall hatte die Diskussion über übergriffiges Verhalten im Fußball erneut befeuert.

Fußballstar Megan Rapinoe meldet sich zu Wort: „In was für einer verkehrten Welt leben wir eigentlich?“

US-Star Megan Rapinoe sprach von einem großen „Ausmaß an Frauenfeindlichkeit und Sexismus in diesem Verband und in diesem Mann“. Dem Portal „The Athletic“ sagte die 38-Jährige in einem Interview: „In was für einer verkehrten Welt leben wir eigentlich? Auf der größten Bühne, auf der man feiern sollte, muss Jenni (Hermoso) von diesem Kerl körperlich angegriffen werden.“

Karl-Heinz Rummenigge, Aufsichtsrat des FC Bayern München, verteidigte Rubiales unterdessen gegen die Vorwürfe. Der Kuss sei „absolut okay“ gewesen, befand Rummenigge – und bekam dafür ebenfalls scharfe Kritik zu hören. (rxa/das, mit dpa)