Köln – Herr Funkel, wie verfolgen Sie die laufende Fußball-EM n ach der anstrengenden Rettung des 1. FC Köln, von der Couch?
Das Spiel gegen Portugal habe ich allein mit meiner Frau gesehen, die anderen Spiele in einer Gruppe von rund 14 Freunden. Und da fiebere ich dann genauso mit wie all die anderen 70 Millionen Bundestrainer. Ich leide, ich schimpfe und ich kritisiere.
Was hat Ihnen bei der EM am besten gefallen bisher?
Zur Person
Friedhelm Funkel ist der einzige Trainer im deutschen Fußbal, der sechsmal mit einer Zweitligamannschaft den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hat. Der 67-Jährige kann aber auch Feuerwehrmann, wie er im Saisonendspurt beim 1. FC Köln mit dem Klassenerhalt bewiesen hat. Der gebürtige Neusser lebt in Krefeld, ist in zweiter Ehe verheiratet und hat aus erster Ehe zwei erwachsene Töchter. Als Fußballer prägte er mit Bruder Wolfgang die goldene Ära von Bayer 05 Uerdingen. (spo)
Ich fand die Spiele gut bislang. Die Belgier, die Italiener, das Emotionale der Dänen, wie sie mit der Situation um Eriksen umgegangen sind, das war toll. Gefallen haben mir grundsätzlich auch volle Stadien, aber es bereitet mir zugleich auch Sorgen. Kann das wirklich schon wieder möglich sein? Wenn Deutschland Dienstag in Wembley spielt, ist dort ja noch nichts vorbei. Ganz im Gegenteil. Ich finde das schwierig.
Die deutsche Mannschaft sorgt für viel Diskussion, Bundestrainer Löw steht wieder in der Kritik. Auch bei Ihnen?
Ich weiß, dass es im Kopf eines Trainers andere Gedanken gibt als in der breiten Masse der Anhänger. Das Spiel gegen Ungarn war aber schon sehr, sehr enttäuschend. Bei allem Respekt: Ich verstehe eine Dreierkette gegen Frankreich, aber gegen Ungarn einen Offensivspieler zu opfern, das verstehe ich nicht. Es war dann ein Quergeschiebe und ein Rückpassfestival. Wir haben riesen Glück gehabt, dass wir nicht in der Vorrunde ausgeschieden sind. Aber ich weiß natürlich auch, dass wir im Achtelfinale gegen England ein ganz anderes Spiel zeigen werden. Ich hoffe nur, dass Jogi die richtigen Schlüsse zieht.
Welche wären das?
Zurück zur Viererkette. Wenn wir einige Bayern-Spieler in der Zentrale zur Verfügung haben, dann müssen diese Spieler auf ihren bestmöglichen Positionen spielen. Die Achse Kimmich, Goretzka, Müller im 4-2-3-1 verspricht Dynamik, Torgefährlichkeit und Risikobereitschaft.
Wie sähe Ihre Aufstellung für das Achtelfinale in Wembley gegen England aus?
Neuer ist unantastbar, auch wenn er nicht glücklich aussah gegen Ungarn. Ginter auf der rechten Seite, Hummels und Rüdiger in der Innenverteidigung, Gosens links. Dann Kimmich und Goretzka zentral. Das würde bedeuten, dass Gündogan und Kroos auf die Bank müssten, aber das ist nun mal so, dass auch etablierte Spieler nicht in jedem Spiel zum Einsatz kommen können. Rechts davor würde Havertz spielen, in der Mitte Müller mit der Spitze Werner davor, links der junge Musiala. Das wäre meine Aufstellung. Auch ohne Gnabry und Sane. Wir brauchen jetzt frische Leute, Spieler, die im Eins gegen Eins gut sind.
Wie beurteilen Sie die Leistung von Leroy Sane?
Manchmal verzweifle ich, manchmal lässt er mein Herz höher schlagen. Er ist ein typischer Außenbahnspieler. In der Nationalelf ruft er aber seine Leistung nicht so ab. Er wirkt gehemmt. Ich glaube, er hat nicht die Emotion, um dauerhaft das hohe Niveau zu erreichen.
War die Rückkehr von Thomas Müller und Mats Hummels in den Kader der richtige Schritt?
Im Fall Müller auf jeden Fall, aber der muss hinter der Spitze spielen, da ist er noch viel wertvoller. Mats Hummels spielt bisher solide, er kann sich aber noch steigern, wie auch Antonio Rüdiger. Wir brauchen in der Abwehr mehr Aufmerksamkeit.
Wäre ein Trainerwechsel schon früher die richtige Lösung beim DFB gewesen?
Nein, absolut nicht. Jogi Löw hat das verdient, dass er dieses Turnier zu Ende spielen kann. Ich wünsche ihm, mindestens den Sprung ins Halbfinale zu schaffen. Aber er muss am Dienstag mutige Entscheidungen treffen.
Wer wird Europameister?
Belgien, Italien oder Frankreich, dahinter folgt Deutschland.
Sie erleben im TV auch die EM-Experten, von Bastian Schweinsteiger über Christoph Kramer, Prince Boateng oder Almuth Schult. Wer gefällt Ihnen am besten?
Der Beste ist Christoph Kramer, er macht das herausragend. Er ist als Weltmeister so etwas von Mensch geblieben, das freut mich jedes Mal. Null abgehoben. Er ist mir heute noch dankbar, dass ich ihm damals in Bochum die Chance gegeben habe, in der 2. Liga Fuß zu fassen. Wenn Christoph mal nicht gespielt hat, hat der nie gestänkert, im Gegenteil. So einen charaktervollen Spieler findet man nicht oft.
Den Trainer Funkel gibt es jetzt definitiv nicht mehr?
Man hat ja schon gesehen, dass es auch ohne mich geht. Ich hatte ja die Gründe gesagt: Durch die Pandemie war Vieles nicht möglich, was ich mir vorgenommen hatte, deswegen bin ich zurückgekommen. Die sieben Wochen in Köln haben Spaß gemacht, ich habe Blut geleckt, war voll dabei, aber es war auch sehr anstrengend. Ich habe ein gewisses Alter, ich sollte auch auf meine Gesundheit achten. Über eine ganze Saison werde ich nicht mehr arbeiten. Aber ich schließe nicht mehr aus, noch einmal irgendwo helfend einzuspringen, dafür hat es mir zu gut gefallen in Köln. Ich warte ab, was in den nächsten Monaten passiert.
Wie haben Sie Köln gerettet?
Wir sind eng zusammengewachsen, und ich habe schnell Jonas Hector auf meiner Seite gehabt, der war dann auch innerhalb der Mannschaft wie verwandelt, das haben alle bestätigt. Er hat tolle Spiele gemacht, in Kiel eine sensationelle Ansprache an die Mannschaft gehalten. Ich hatte auch ein tolles Trainerteam dort. Und: Im Hinspiel gegen Kiel habe ich Jannes Horn, Kingsley Ehizibue, Sebastian Andersson und Florian Kainz draußen gelassen, sie waren im Rückspiel die Matchwinner. Ich wusste, dass alles erst in Kiel entschieden wird. Nur bei Jannes Horn hat mir Schiedsrichter Aytekin gesagt: Herr Funkel, nehmen sie Horn raus, bei der nächsten Aktion sieht er die Rote Karte.
Ein guter Zug Aytekins. Passiert so etwas öfter?
Nein. Aber so ist er, erfahren, ruhig. Das machen die jungen Schiedsrichter nicht. Ich habe schon vor zehn Jahren gesagt, dass ich diese Altersgrenze für Schiedsrichter überhaupt nicht verstehen kann, wie das jetzt auch bei Manuel Gräfe der Fall ist. So ein Schwachsinn. Wenn ich die physischen Voraussetzungen erfülle, die Tests bestehe, warum soll ich nicht bis 50 oder 51 weitermachen? Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen. Ein Vorteil muss das Älterwerden ja haben (lacht).
Für Sie war klar, dass Sie in Köln nicht weitermachen?
Es ist schwierig dort. Eigentlich ist einer zu wenig dort im Vorstand, der vom Sport Ahnung hat. Es muss ein Vizepräsident im Vorstand sein, der den Trainer und den Sportvorstand unterstützt. Wenn die drei vertrauensvoll klar sind, muss das gemacht werden, wenn das Geld da ist. Nicht wie in Köln, wo erst ein Ausschuss und ein Mitgliederrat mitentscheidet.
Ihr Ex-Verein Fortuna Düsseldorf geht mit dem jungen und unbekannten Trainer Christian Preußer einen neuen Weg. Was halten sie davon?
Sehr vielversprechend, sehr mutig. Ich kenne ihn nicht, finde das aber sehr spannend. Ich verfolge Fortuna ja intensiv. Alle seine Äußerungen waren authentisch und bescheiden in den ersten Interviews. Er ist mit Freiburg in die dritte Liga aufgestiegen, das muss man mit einer U23 erst einmal schaffen. Und er hat ein sehr gutes Vorbild mit Christian Streich in Freiburg gehabt. Ich bin gespannt, wie er mit dem Druck in der 2. Liga in Düsseldorf umgehen wird, bin aber optimistisch, dass das hinhauen kann.
Ihr Heimatverein KFC Uerdingen hat gerade die Drittliga-Lizenz verloren, der Verein liegt in Trümmern. Wie sehen Sie die Perspektive?
Über Perspektive zu sprechen ist sehr schwierig. Es ist schade, dass es so weit gekommen ist. Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, dass die Perspektive mit Herrn Ponomarev nicht gut ist, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass es überall schiefgelaufen ist, wo er helfen wollte. Jetzt muss man erstmal schauen, dass man eine Mannschaft zusammen bekommt. Und einen Trainer. Im Moment sieht es noch so aus, dass man in der Regionalliga spielen darf. Das wäre gut.
Können und wollen Sie helfen?
Der Verwaltungsrat hat mit mir Kontakt aufgenommen, ob ich helfen könnte. Im Moment sind mir da noch zu viele Fragezeichen im Spiel. Aber auch da habe ich gesagt, dass ich nach meinem Urlaub zu einem Gespräch bereit bin und mir anhören will, wie der Weg aussieht. Klar ist: Der KFC liegt mir als Traditionsverein am Herzen.
Wie sieht Ihr Leben in den nächsten Monaten aus?
Ich werde sehr viel Sport und wieder häufiger Urlaub machen. Ich werde meine Tenniskünste versuchen zu verbessern, gerade jetzt im Sommer. Werde wieder in Restaurants mit Freunden essen gehen. Ich hoffe einfach, dass für alle das normale Leben zurückkommt.