Zum Jubiläum sprechen Präsident Westendorf und der langjährige Schatzmeister Klaus Wolf über die bewegte Historie.
75 Jahre SC Fortuna Köln„Jean Löring war Fluch und Segen für uns“
Der SC Fortuna Köln feiert sein 75-jähriges Bestehen. Herr Wolf, Herr Westendorf, was ist aus Ihrer Sicht der prägendste Moment der Klubgeschichte?
Klaus Wolf: Wie alles für mich bei der Fortuna angefangen hat, 1966. Ich war selbst Fußballer in Köln, hatte dann aber eine Knieverletzung. Am 31. Dezember 1965 habe ich eine Stelle bei der Sparkasse in Bayenthal bekommen. Und am 2. Januar 1966 steht Jean Löring bei mir an der Theke, wir kannten uns durch den Fußball. Er hat mich eine Woche später ins Casino eingeladen, zu „einem Freundeskreis“. Ich saß da am Katzentisch und wusste nicht, was los war.
Wo waren Sie hineingeraten?
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Wolf: Wie sich rausstellte, war es eine Hauptversammlung des Vereins! Löring sagte: „Freunde, es gibt einen Krankheitsfall im Vorstand, wir brauchen einen neuen Schatzmeister. Ich habe jemanden gefunden, der leitet eine Sparkasse und ist so fußballverrückt wie ich. Und er ist seit drei Monaten Vereinsmitglied“ … was gar nicht stimmte. So bin ich bei Fortuna gelandet, bis zu dem Tag hatte ich nichts von meinem Glück geahnt. Ich war bis 1998 Schatzmeister, der dienstälteste im Profifußball.
Und für Sie, Herr Westendorf?
Hanns-Jörg Westendorf: Einerseits der Bundesliga-Aufstieg 1973, da habe ich selbst gerade in der E-Jugend gespielt und war bei allen Heimspielen. Prägend waren auch die vielen Momente, in denen wir geglaubt haben, dass uns der Aufstieg ein zweites Mal gelingt. Wie in der Aufstiegsrunde 1986 gegen Dortmund, als uns ein ganz spätes Gegentor die Bundesliga gekostet hat. Ende der 70er, die ganzen 80er, Anfang der 90er – wir waren immer wieder knapp dran – es hat leider nie wieder geklappt. Das ist auch vielleicht etwas stellvertretend für den Verein. Auf der anderen Seite der Drittliga-Aufstieg 2014 in München durch das Last-Minute-Tor, als das Pendel mal in unsere Richtung ausgeschlagen ist.
Wolf: In Dortmund sind wir betrogen worden! Wir gehen durch Grabosch in Führung und dann bekommt der BVB einen Elfer zum 1:1, der keiner war. Dann fällt das 2:1. Dann lässt der Schiri so lange nachspielen, bis Dortmund das 3:1 macht, es ein Wiederholungsspiel gibt und wir nicht aufsteigen. Der Schiri hat uns verpfiffen noch und nöcher.
Wenn Sie die Wahl hätten: Lieber das späte Gegentor gegen Dortmund 1986 verhindern oder etwas mehr Glück im Pokalfinale gegen den FC 1983?
Westendorf: Für die Klub-Entwicklung wäre ein Aufstieg besser gewesen. Dann hätte man die Finalpleite gegen den FC auch leichter verkraften können.
Wolf: Wir haben toll gespielt. Und dann bekommt mein Freund Bernd Helmschrot im Tor vom Littbarski den Ball durch die Beine geschoben.
Westendorf: Da haben sich Dieter Finkler und Helmschrot gegenseitig behindert. Und Littbarski fällt der Ball vor die Füße.
Ohne Jean Löring würde es Fortuna Köln in dieser Form nicht geben. Herr Wolf, Sie haben ihn 33 Jahre als Schatzmeister begleitet, was verbinden Sie mit dem „Schäng“?
Wolf: Zunächst war es immer Herr Löring, wir haben uns bis zuletzt gesiezt. Löring konnte sein, wie er wollte. Aber er hat immer zu seinem Wort gestanden. Ich habe mit ihm alles per Handschlag besiegelt, es war eine gute Zeit. In finanziellen Dingen war er bei der Fortuna lange vorsichtig. Seine anderen Investments waren natürlich ab und zu problematisch.
War Löring Fluch und Segen für die Fortuna?
Wolf: Ja, das würde ich so sagen. Wäre Löring weitsichtiger gewesen, wären wir Minimum noch zwei oder dreimal in die Bundesliga aufgestiegen. 1993 waren wir ein paar Spieltage vor Saisonende mit Trainer Gerd Roggensack ganz oben. Dann kam raus, dass Löring wieder Hannes Linßen einen langfristigen Vertrag geben wollte. Dann sind wir abgeschmiert und haben nichts mehr gewonnen. Mir wurde oft gesagt, dass wir vernünftiger arbeiten müssen, ohne diese Bierdeckel-Verträge. Oder sowas, als Löring mit unserem Torhüter Jacek Jarecki Fußballtennis gespielt hat, der Gewinner sollte das letzte Wort bei den Vertragsverhandlungen haben. Löring hat übrigens gewonnen.
Wie kam es zum Bruch zwischen Ihnen und Löring?
Wolf: 1998 bin ich von ihm belogen worden. Bernd Schuster war Trainer. Er ist immer zu mir gekommen, wegen einer Vertragsverlängerung: „Wir müssen mit dem Löring sprechen!“ Aber Löring hat mich abgewimmelt. Irgendwann hat mich dann Michael Meier von Dortmund angesprochen: „Was ist denn bei euch los mit dem Training in der Eifel?“ Da wusste ich nichts von, ich wusste nur, dass Löring sein Anwesen in der Eifel hat. „Toni Schumacher ist da, und Spieler geben sich die Klinke in die Hand“, sagte Meier.
Haben Sie Löring zur Rede gestellt?
Wolf: Direkt am nächsten Morgen. Ich habe gesagt, dass Schuster einen guten Plan hat und Schumacher nicht die richtige Lösung ist. „Sie wollen alles auf den Kopf stellen, den FC angreifen, ihn vom Thron stoßen. Mit dem vom FC gefrusteten Schumacher“, sagte ich ihm. Und dass es die Fortuna so in zwei Jahren nicht mehr geben würde und auch sein Unternehmen in zwei Jahren pleitegehen würde. Löring hat nicht auf mich gehört, dann war Feierabend für mich.
Franz Kremer hatte Jean Löring als seinen Nachfolger beim 1. FC Köln im Sinn
Wie war früher das Verhältnis zwischen Fortuna und FC, als man noch auf einem zumindest ähnlichen Level war?
Wolf: Ganz früher hatte Franz Kremer, der Boss, eine Zusammenarbeit mit der Fortuna im Auge. Er hatte auch eine hohe Meinung von Löring und hätte sich ihn sogar als Nachfolger beim FC vorstellen können. Dazu ist es aber nie gekommen.
Nach Fortunas Niedergang und Lörings Tod wurde 2006 Klaus Ulonska Präsident.
Westendorf: Klaus war für diese Phase, als der Verein daniederlag, der perfekte Mann. Seine Symbiose aus seinem eigenen, positiven Darstellungsdrang und der Tatsache, dass die Fortuna ein Gesicht brauchte. Das hat gepasst. Er hatte maßgeblichen Anteil daran, dass wir in die Dritte Liga aufgestiegen sind.
Kann man Löring und Ulonska miteinander vergleichen?
Westendorf: Es waren beides teils polarisierende Männer. Aber die ursprüngliche Verbundenheit von Löring zur Fortuna war eine andere. Er war immer Fußballer. Klaus hat es ja selbst so gesagt: Bis die Fans an meiner Tür geklingelt und mich angefleht haben, bei der Fortuna einzusteigen, hatte ich weder mit dem Klub noch mit Fußball etwas am Hut. Die bundesweite Wahrnehmung der Fortuna entstammt der Ära Löring.
Fortuna spielt wieder in der Regionalliga. Ist ein zeitnaher erneuter Aufstieg realistisch?
Westendorf: Ja. Das muss auch unser Ansinnen sein, wir müssen raus aus der Regionalliga. Mit TV-Geldern im siebenstelligen Bereich und höheren Sponsoren-Einnahmen könnten wir als Drittligist ganz bequem leben. Dieses Jahr ist ein Aufstieg leider illusorisch. Aber nächstes Jahr wollen wir wieder angreifen.
Gab es noch einmal Bewegung in der Stadion-Frage? Es wurde über eine gemeinsame Lösung mit Viktoria gesprochen.
Westendorf: Dem Vorschlag in Stammheim haben wir abgesagt. Wir sind die Südstadt. Und da gehören wir hin. Ein Umzug wäre unser Tod gewesen. Wir hoffen, dass die schlimmen infrastrukturellen Umstände am Südstadion im Zuge der Neugestaltung der Parkstadt Süd in absehbarer Zeit verbessert werden. Wir wollen jedem Kind, das bei uns Fußball spielen will, eine Heimat bieten. So haben wir als Fortuna Köln im Schatten des FC weiter unseren Platz in der Stadt.
Fortuna Köln feiert sein Jubiläum
Fortuna Köln feiert sein 75-jähriges Bestehen im Rahmen des Heimspiels am 3. März gegen den 1. FC Bocholt (19.30 Uhr). Der Klub hat die Spieler der Aufstiegsmannschaft von 1973, die Pokalfinalisten von 1983 sowie die Drittliga-Aufsteiger von 2014 eingeladen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist ebenfalls vor Ort.