AboAbonnieren

„Hawaii war Weltklasse“Wie FC-Co-Trainer René Wagner zum Profifußball kam

Lesezeit 7 Minuten
rene wagner (1)

René Wagner, Assistent von Steffen Baumgart beim 1. FC Köln. 

  1. René Wagner tingelte im ostdeutschen Amateurfußball umher, ehe er Mut bewies und in die USA ging.
  2. Es war der Beginn einer spannenden Reise. Seit dieser Saison ist der 33-jährige Dresdner als Co-Trainer bei Bundesligist 1. FC Köln tätig.
  3. Tobias Carspecken sprach mit ihm.

Herr Wagner, würden Sie sich als Karriere-Exot bezeichnen?

In der heutigen Zeit ist mein Karriereverlauf gar nicht mehr so ungewöhnlich, wie es vielleicht noch vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Ich habe einen etwas anderen Weg gewählt, indem ich während meines Studiums Auslandserfahrung gesammelt habe. Und ich hatte das nötige Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Planen kann man das nicht.

Dennoch war es immer mein Ziel, so hoch wie möglich zu trainieren. Dass es dann so schnell ging, war nicht zu erwarten.

Zur Person

2021

wechselte René Wagner, geboren am 17. Juli 1988 in Dresden, ins Trainerteam des 1. FC Köln. In der vorherigen Spielzeit war der A-Lizenz-Inhaber als Scout und Performance Coach für den SC Paderborn tätig. Zwischen 2015 und 2020 arbeitete er als Trainer in den USA, zuletzt an der Barry University sowie bei Inter Miami. Zu aktiven Zeiten stand der Verteidiger bei mehreren unterklassigen ostdeutschen Vereinen sowie den Pacific Sharks auf Hawaii unter Vertrag. Er bestritt 28 Regionalligaspiele für den VFC Plauen und Wacker Nordhausen. (tca)

Leben Sie Ihren Traum?

Ich habe aktuell den besten Job, den ich mir vorstellen kann.

War es auch Ihr Traum, in die USA zu gehen?

Zunächst hatte ich die Option gar nicht auf dem Schirm. Das war eher Zufall. Ich wurde bei Facebook von einer Agentur angeschrieben, die Sportler für Auslandssemester am College rekrutiert hat. Das war in der Saison 2011/12, als ich bei Dynamo Dresden in der zweiten Mannschaft gespielt habe. Damals durfte ich auch ein paar Mal bei den Profis mittrainieren, hatte aber keine Chance auf Einsatzzeiten.

War das auch die Zeit, in der Sie gespürt haben, dass es nichts wird mit einer Profi-Karriere?

Vielleicht wäre es, wenn ich drangeblieben wäre, mit viel Glück mal ein Drittliga-Einsatz geworden. Das war es mir aber nicht wert. Studium und Auslandserfahrung waren wichtiger für meine persönliche Entwicklung. So sind es nur 28 Regionalligaspiele geworden.

Sie sind dann 2012 für zunächst ein Jahr zu den Pacific Sharks gewechselt. Wie war das Leben auf Hawaii?

Weltklasse. Was die Natur und Aktivitäten an der frischen Luft angeht, gibt es keinen schöneren Ort, den ich mir vorstellen kann. Sportlich wusste ich zunächst nicht, was auf mich zukommt. Das Niveau konnte ich nur schwer einschätzen.

Was nehmen Sie mit?

Vor allem den Umgang mit anderen Menschen, Kulturen und Perspektiven. In meiner Mannschaft waren Skandinavier, Spanier, Franzosen, Japaner... Und Hawaiianer sind nochmal anders als US-Amerikaner. Nach meiner Zeit auf Hawaii war meine Perspektive viel offener. Und ich hatte überhaupt keine Probleme mehr, mich in einem neuen Umfeld wohlzufühlen.

Wie sind Sie mit der Lebensmentalität auf Hawaii klargekommen?

Das war am Anfang etwas schwierig, weil ich gerne pünktlich bin (lacht). Als wir zu Beginn mal zum Bolzen verabredet waren, sind einige Spieler eine Stunde zu spät gekommen. Hawaii hat seine eigene Zeitzone.

2015 sind Sie nach Hawaii zurückgekehrt – um Ihren Master zu machen und parallel bei den Pacific Sharks ins Trainergeschäft einzusteigen.

Eigentlich bin ich mit dem Gedanken zurückgekehrt, langfristig zu bleiben. Letztendlich habe ich die Insel nach zwei Jahren wieder verlassen, weil es auf Hawaii nicht möglich war, Profifußball zu realisieren.

Daraufhin ging es für Sie weiter nach Florida, wo Sie bei Inter Miami gelandet sind.

Das ist auch eher zufällig zustande gekommen. Ich habe den Akademieleiter des Clubs kennengelernt und wir sind ins Gespräch gekommen. Mit dem Resultat, dass ich Co-Trainer bei der U17 und U19 wurde, parallel zum hauptamtlichen Trainerjob an der Barry University.

Haben Sie auch Clubbesitzer David Beckham persönlich kennengelernt?

Wir haben uns zweimal verpasst.

Anfang 2020 brach dann Corona aus. Wie haben Sie diese Phase erlebt?

Genau in der Zeit, in der es mit der Pandemie losging, bin ich nach Deutschland zurückgekehrt. Meine Frau, die ich auf Hawaii kennengelernt habe, ist zunächst in den USA geblieben, weil Sie noch ein Jahr Vertrag als Krankenschwester hatte. Durch Corona hatte sie sehr viel zu tun. Das hat sie in ihrem Beruf noch stärker gemacht. Rückblickend ist für uns beide alles optimal verlaufen. Wir dürfen jetzt gemeinsam in Köln leben – und ich in der Bundesliga trainieren.

Nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland haben Sie als Scout und Performance Coach für den SC Paderborn gearbeitet. Haben Sie mit Steffen Baumgart direkt auf einer Wellenlänge gelegen?

Das hat sich im Laufe des ersten Jahres entwickelt. Irgendwann haben wir gemerkt, dass es zwischen uns passt und wir uns gut ergänzen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich kein Fußballprofi war. Mein abgeschlossenes Studium gibt mir nochmal eine andere Sicht auf Arbeitsprozesse. Ich bin Steffen sehr dankbar, dass er mir dann die Chance gegeben hat, mit nach Köln zu kommen.

Was sind Ihre Aufgaben?

Ich bin Teil des Teams, wir bereiten die Einheiten und die Spiele vor und bringen die verschiedenen Arbeitsgruppen innerhalb des Trainerteams zusammen.

Wie läuft die Entscheidungsfindung?

Wer die bessere Idee hat, gewinnt und setzt sich am Ende durch. Da sind wir – Steffen (Baumgart), André (Pawlak), Macka (Kevin McKenna) und ich – alle gleichberechtigt. Natürlich hat Steffen als Cheftrainer das letzte Wort. Aber er akzeptiert auch das bessere Argument.

Zeichnet genau das den Zusammenhalt aus?

Steffen nimmt uns alle mit. Jedes Mitglied unseres Trainerteams darf seine Meinung äußern. Und dabei ist keiner so von sich eingenommen, dass er seine eigene Meinung durchdrücken muss. Mit diesen Prinzipien sind wir gut durch die Saison gekommen.

Wie passt es menschlich?

Es ist mein erstes Trainerteam in der Bundesliga. Trotzdem kann ich mir aktuell kein besseres vorstellen.

Steffen Baumgart ist auf dem Platz laut und emotional. Wie ist er im Trainerbüro?

Nicht so laut. Steffen wird viel über das definiert, was er an der Seitenlinie leistet. Das ist aber sein Spieltags-Modus. Der Steffen, der bei uns im „Callcenter“ arbeitet, ist ein ganz normaler, ruhiger Fußballlehrer. Niemand, der nur pusht. Sondern jemand, der es auch versteht, seine Idee zu erklären und zu vermitteln.

Eine der ersten Amtshandlungen Baumgarts beim FC war, die Wände im Trainerbüro einreißen zu lassen. Welche Überlegung steckte dahinter?

Steffen war und ist es wichtig, dass wir Trainer alle gemeinsam in einem Raum sitzen. Das hat den organisatorischen Vorteil, dass wir alle Themen gemeinsam besprechen können. Zudem hat so niemand das Gefühl, etwas nicht mitzubekommen. Auch das ist wichtig für die Zusammenarbeit. Schon in Paderborn hatte Steffen ein großes Büro für alle Trainer. Damit hat er gute Erfahrungen gemacht.

Wie bewerten Sie Ihre erste Saison beim FC?

Wir dürfen zurzeit alle sehr zufrieden sein. Es ist etwas bewirkt worden, wenn man betrachtet, wo der Club vor einem Jahr zu diesem Zeitpunkt stand.

Denken Sie über Europa nach?

Für mich spielt das im Moment keine Rolle. Wir haben jetzt erstmal alle richtig Bock, gegen Bielefeld zu gewinnen. Das wird schwer genug, weil wir einen Gegner erwarten, der um den Ligaerhalt kämpfen wird. Das müssen wir annehmen.

Spüren Sie in der Mannschaft eine Europa-Euphorie?

Ich fühle Selbstvertrauen. Die Mannschaft merkt, dass es funktioniert, wenn sie die Dinge umsetzt, die die Trainer fordern. Wir werden zwar vor neue Aufgaben gestellt, weil die Gegner nun tiefer gegen uns agieren und kompakter verteidigen. Damit müssen wir umgehen und lernen. Aber die Tore, die wir gegen Gladbach erzielt haben, zeigen, dass wir mit Ball viel besser geworden sind. Das spürt man in jedem Training.

Wie nehmen Sie den FC wahr?

Es ist Wahnsinn. Als wir am Ostermontag auf der Rennbahn zwei Stunden Autogramme geschrieben haben, hat man gespürt, wie vielen Menschen der FC etwas bedeutet. Ich wohne in Nippes, da hängt an jeder Kneipe eine Köln-Fahne. Das gibt es in dieser Form nicht in vielen Städten. Köln ist gefühlt in allen Stadtteilen cool. Das ist schön. Und selten zugleich.