Köln – Steffen Baumgart ist viel ehrgeizig und viel zu sehr Wettkampftyp, als dass er nicht wahrnahm, welche Bandbreite an Konsequenzen die 0:1 (0:1)-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg mit sich zog. Natürlich stand auch für den Cheftrainer des 1. FC Köln am Samstag der umjubelte Einzug in einen europäischen Clubwettbewerb im Vordergrund, aber so ganz konnte und wollte Baumgart seine Enttäuschung nicht verbergen.
Als er also Florian Kohfeldt nach der Pressekonferenz nach draußen begleitete, raunte er seinem Wolfsburger Kollegen zu, was ihn trotz des großen Erfolgs umtrieb: „Es sind erst einmal Ausscheidungsspiele.“ Im Klartext: Der FC hat dank des Leverkusener 4:2-Erfolgs in Hoffenheim als Tabellensiebter aktuell erst einmal nur die Playoffs in der Conference League am 18. und 25. August sicher. Zwei Spiele, die darüber entscheiden, ob die Kölner in die Gruppenphase einziehen und dort sechs weitere Partien bestreiten dürfen.
Gefühlswelten in Müngersdorf
Die Chance schon am Samstag die Gruppenphase der Europa League klarzumachen war nach der unglückliche vierten Heimniederlage der Saison und dem doch etwas überraschenden 4:1 von Union Berlin in Freiburg ebenso dahin wie der Traum von der Champions League. Die Kölner benötigen nun am letzten Spieltag in Stuttgart einen Sieg und Schützenhilfe des VfL Bochum, um die Köpenicker wieder abzufangen und als Sechster in die Europa League einzuziehen.
„Ich finde es schwer Euphorie aufzubauen, wenn man mit 0:1 verliert“, gab Baumgart Einblick in seinen Gemütszustand nach dem Spiel. Verständlich angesichts der verpassten Möglichkeiten und des Spielverlaufs, der die Kölner vor 50.000 Zuschauer im ausverkauften Rheinenergiestadion als besseres Team auswies. „Der Unterschied war, dass wir in den letzten Wochen das Tor früh gemacht haben und diesmal nicht“, analysierte der FC-Coach. Torjäger Anthony Modeste (3.), Benno Schmitz (6.) und Salih Özcan (19.) konnten den furiosen Start der Hausherren nicht krönen.
Von Enttäuschungen und Disharmonien gepflasterte Spielzeit
Das beschäftigte die Kölner in ihrem Glauben, dass die Dinge weiter von der Hand gehen könnten Was zuletzt in Augsburg, gegen Bielefeld und in Gladbach die ohnehin breite Brust weiter anschwellen ließ, fiel gegen den VfL aber schwer. Jedenfalls nicht so leicht, wie es angesichts der tabellarischen Bedeutungslosigkeit des Spiels für die Wolfsburger im Vorfeld mancher gehofft haben dürfte.
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Das Kohfeldt-Team zeigte am Ende einer von Enttäuschungen und Disharmonien gepflasterten Spielzeit eine erstaunliche Mentalität und erzielte die Tore. Das erste von FC-Eigengewächs Yannick Gerhardt, der 13 Jahre lang das Trikot der Kölner trug, hielt der Überprüfung des Videoassistenten auf Abseits gerade noch so stand (43.) – das zweite ebenso schön herausgespielte von Lukas Nmecha (55.) kassierte der VAR dagegen zurecht ein.
Baumgart kann sich ein „innerlich grinsen“ nicht verkneifen
Das nicht gegebene 0:2 setzte noch mehr Kräfte bei den Kölnern frei und mündete in einem 30-minütigen, allerdings erfolglosen Sturmlauf. Am Ende lag der FC in allen relevanten Statistiken klar vorne, verzeichnete 17:5-Torschüsse, 57 Prozent Ballbesitz und hatte sagenhafte 34 Flanken in den Wolfsburger Strafraum geschickt. Der Beleg dafür, dass das Baumgart-Team wieder einmal alles versucht und gegeben hatte. „Die Jungs marschieren und gehen immer an die Grenzen. Wenn wir über die gesamte Saison reden, dann gebührt ihnen ein Riesen-Kompliment“, lobte der FC-Coach.
Zum Feiern war Baumgart am Samstag zwar nicht zumute, der Blick auf die Tabelle nach dem 33. Spieltag ließ ihn aber „innerlich grinsen“. So ging es auch seinen Spielern in ihren diffusen Befindlichkeiten sich nach einer Niederlage freuen zu können. Es war skurril mit anzusehen, wie Jonas Hector sich nach dem Schlusspfiff erschöpft und enttäuscht auf den Rasen setzte und unbemerkt in seinem Rücken der Platzsturm der jubelnden Fans auf ihn zurollte. Ausgerechnet an dem so öffentlichkeitsscheuen FC-Kapitän ließen die zerrenden Anhänger ihre Freude aus. Hector machte sich so schnell es ging wieder frei und folgte seinen Teamkollegen in der Kabine.
„Fußball ist schön und wir sollten das genießen“
„Das ist komisch, Glückwünsche zu hören, weil wir verloren haben. Trotzdem hat es gereicht. Wenn ich sehe, wo wir herkommen: letzte Saison fast abgestiegen und dieses Jahr Europa. Fußball ist schön und wir sollten das genießen“, fasste Anthony Modeste die Gefühlswelten der Kölner zusammen.
Zuvor hatte sich der 34-Jährige wie nach der Europapokal-Qualifikation vor fünf Jahren von den Fans auf Händen tragen lassen und Hoffnung auf einen Verbleib in Köln gemacht. „Wer hat gesagt, dass ich den Verein verlassen will? Ich habe einen Vertrag bis 2023 und genieße die Zeit mit meinen Kollegen. Das ist, was ich will.“ Diesmal könnte es also mit dem Torjäger in den Europapokal gehen, 2017 war er bekanntlich nach China gewechselt – und der FC in der folgenden Saison ohne ihn abgestiegen.
Das soll diesmal anders laufen und kann es ganz sicher auch mit einem Trainer wie Steffen Baumgart. Der Erfolgscoach brauchte dann auch nicht lange, um den Erfolg in der Niederlage passend einzuordnen: „Wenn wir jetzt wieder anfangen, was wir verloren haben, dann muss ich sagen: Gucken Sie sich die Saison an, was wir alles gewonnen haben. Nur das zählt, und nicht hätte, Wenn und Aber. Wir haben eine überragende Saison gespielt.“ Und wer weiß, vielleicht kommt am Samstag in Stuttgart ja auch noch die Kirsche auf die Torte.