Köln – Eine halbe Stunde nach Abpfiff hatte jeder, der es haben wollte, sein Stück Rasen. Einige trugen ganze Lagen davon, andere nutzten den Trinkbecher für den Abtransport eines Minimalgrüns. Der 1.FC Köln spielt wieder im Europapokal, und es zeigte sich schnell, dass weder die 0:1- Niederlage noch die Warnung des Clubs vor einem Platzsturm die Fans in Müngersdorf bremsen konnte.
Wie vor fünf Jahren, als sich der FC letztmals qualifizieren konnte, enterten die Zuschauer das Grün, schossen Erinnerungsfotos und zerlegten die Tore in Souvenirs.
„Es ist doch Wahnsinn, was dieses Jahr passiert ist“, sagen Claus und Florian Liély. Wieder dabei zu sein im internationalen Geschäft sei das wichtigste, egal in welcher Liga. Außerdem sei nächste Woche immer noch Platz 6 drin. Florian (16) träumt von Olympique Marseille, eine Auswärtsfahrt sollte es in jedem Fall schon sein.
Trainer Steffen Baumgart hatte in der Woche noch gemahnt, nicht zu früh zu feiern, man könne leicht etwas liegen lassen. Doch in diesem Fall folgten ihm die Fans ganz und gar nicht. Zwar war einigen die Enttäuschung nach der Niederlage anzumerken, doch der Party-Frohsinn überwog. Besonders die Mittellinie wurde schnell abgetragen. Ein neuer Rasen kostet einen sechsstelligen Betrag, soviel hatte der Club bereits vorab mitgeteilt.
Fans stürmen den Rasen und die Stadt
Schnell wechselten die Fans in der ganzen Stadt in den Feiermodus, in den Kneipen und auf den Ringen wurde es am Abend immer voller. Der traditionelle Korso entfiel aber weitgehend. Das Kunstwerk „Ruhender Verkehr“ auf dem Hohenzollernring wurde nur von einzelnen geerntet. Dafür lagen sich die Menschen in den Biergärten in den Armen und feierten den Europapokaaaaaal.
Im Stadion hatte sich die Party schon vor Spielbeginn abgezeichnet. Stadionsprecher Michael Trippel schmetterte ins Mikrofon, dass diese Saison für die letzten zwei Jahre entschädige. Mit Spielbeginn war es noch einige Phon lauter als in den letzten Wochen. Daran änderte auch die Torflaute im letzten Heimspiel nichts. Ultras zündeten trotzt Dauermahnung aus den Lautsprechern ein bengalisches Feuer nach dem anderen.
Die zusätzlichen Zäune auf der West- und Osttribüne erzielten nicht die gewünschte Wirkung: Mit dem Schlusspfiff stürmten die Fans von den Rängen auf den Rasen, feierten den Club und sich selbst mit dem seit Wochen zu hörenden „Europapokal“-Klassiker. Einige entledigten sich ihres Schuhwerks, um den Rasen von Müngersdorf zu spüren.
„Es ist ein Wunder“
Sven Schumacher ist FC-Fan seit 40 Jahren, doch für dieses besondere Spiel ist er aus dem Schwabenland angereist. „Es ist ein Wunder, was da dieses Jahr passiert ist.“ Genau vor einem Jahr stand das Team mit fast den gleichen Spielern vor dem Abstieg. „Nun müssen wir den Weg mit jungen, hungrigen Spielern weitergehen.“
Er ist sicher, dass der Trainer die Mannschaft auf dem Boden hält. Mit Sohn Anton dürfte das schwieriger werden, der 4-Jährige erlebte sein erstes Spiel in Müngersdorf. Daraus erwächst ein Anspruch.