AboAbonnieren

Finanzen des 1. FC KölnNeuer Kaufmännischer Chef sieht „akute Blutung“ gestoppt

Lesezeit 10 Minuten
Neuer Inhalt

Philipp Türoff beim Spiel des 1.FC Köln vs. Eintracht Frankfurt (23. Spieltag),

Köln – Philipp Türoff (45) ist im Rheinenergiestadion zu Besuch beim eSport Fifa Soccer-Team des 1. FC Köln, das am Wochenende um die Deutsche Meisterschaft kämpft. Martin Sauerborn hat mit dem neuen Kaufmännischen Geschäftsführer des FC gesprochen.

Herr Türoff, am Wochenende findet das Finale der Virtual Bundesliga in Köln ausgetragen. Der 1. FC Köln kann als eines von acht Teams den Meistertitel holen. Wie stehen Sie dem eSport gegenüber?

Ich gehöre der ersten Generation an, die solche Spiele als Teenager nach Hause geholt hat und durch das Zocken Skepsis bei ihren Eltern hervorgerufen haben. Ich habe dann während meiner Zeit für Red Bull in Asien in Südkorea erlebt, wie in einer Halle 16.000 Menschen voller Begeisterung anderen beim Computerspielen zuschauen. Dieser Markt kann eine unheimliche Energie entfalten. Der eSport kommt aus einer Nische, deren Markt verdammt groß geworden ist.

Fußballerlebnis der Zukunft: eSport als essenzieller Baustein

Was bedeutet das für den FC und seine eSport-Abteilung?

Wenn wir über das Fußballerlebnis der Zukunft sprechen, ist eSport ein essenzieller Baustein. Wir wissen nicht, wie die nächste Generation aus den Fußballerleben wird konsumieren wird? Über unsere eSportler mit dem Geißbock auf der Brust entwickeln sich nicht nur in der VBL Kräfte mit einer hohen Identifikation für den Verein, die positiv auf den FC wirken und die wir nutzen können. Wir müssen unser Publikum in seiner ganzen Vielschichtigkeit ernst nehmen.

Lässt sich damit auf Sicht Geld für den FC verdienen?

Das gehört zu meinen Aufgaben und ich bin zuversichtlich. Geld wird mit Aufmerksamkeit und Interesse verdient. eSport stößt auf großes Interesse. Es werden sich Modelle finden, mit denen sich Geld verdienen lässt.

Sie haben bei der Deutschen Bank gelernt und in Stuttgart BWL studiert. Woher stammt Ihr offensichtliches Interesse für Geld?

Geld interessiert mich, weil es abstrakt in einer Sprache abbildet, wie Dinge funktionieren. Über Geld kann man erfahren, wie und warum etwas passiert.

Sie sind in Freiburg geboren und in Ostwestfalen aufgewachsen. Nichts, was in direktem Zusammenhang mit dem FC steht. Hat Sie Ihr Interesse für Geld nach Köln geführt?

Wenn Sie sich meinen Lebenslauf anschauen mit SAP, Red Bull und Birkenstock ist die starke Marke die große Gemeinsamkeit. Der FC ist ein Club mit innerem Antrieb, authentischer Kraft und einer wirklichen Geschichte voller Emotionalität. Deshalb hat mich der FC so sehr angezogen und gereizt.

Nicht auch, weil Sie ein Anhänger des Clubs sind?

Ich habe mich immer für Fußball interessiert und habe, als ich jung war, mit Bielefeld und Borussia Dortmund sympathisiert. Ich bin ziemlich rumgekommen und habe bei SAP das Projekt Hoffenheim und bei Red Bull RB Leipzig miterlebt – ohne das es mich emotional vom Hocker gerissen hat.

Zur Person

Philipp Türoff wurde am 21. Mai 1976 in Freiburg geboren. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Stuttgart war er ab 2004 Controller beim Softwarekonzen SAP. 2010 wechselte er zum Energy Drink-Giganten Red Bull und hielt verschiedene internationale Managementpositionen in Asien und zuletzt in Norwegen. Ab 2016 arbeitete er als Kaufmännischer Leiter Birkenstock. Im Juli 2018 wurde Türoff CFO bei dem Schuhherstellerr und verantwortete die Übernahme durch den Investor L Catterton und die Beteiligungsgesellschaft Financière Agache für 3,8 Milliarden Euro. Seit 1. Januar 2022 ist der frühere Zweitliga-Tennisspieler Kaufmännischer Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln. Türoff lebt mit seiner Familie in Bad Honnef. (sam)

Ich bin nicht aus einer Fanhaltung heraus zum FC gekommen sondern wegen der Marke, der Strahlkraft dieses Traditionsvereins und seinem Geschäftsmodell. Der FC ist mit seiner Wucht und den Werten, die er lebt, etwas Besonderes. Etwas wofür ich mich interessiere.

Inzwischen sind Sie FC-Fan?

Seit meinem ersten Tag am Geißbockheim gehe ich mit großen Schritten darauf zu und es fällt mir nicht schwer. Mein fünfjähriger Sohn fängt an die Hymne zu singen und die Spielernamen zu lernen. Ich würde sagen, es fällt auf fruchtbaren Boden.

„Auf dem besten Weg mich als Rheinländer zu sehen“

Wie gut kennen Sie die Stadt Köln schon?

Ich lebe seit 2016 mit meiner Familie in Bad Honnef und kenne inzwischen das rheinische Lebensgefühl. Die Stadt Köln kenne ich noch nicht in allen Ecken, aber das wird sich sicher bald ändern. Ich bin auf dem besten Weg mich auch als Rheinländer zu sehen und fühle mich hier wohl. Der beste Beweis dafür ist, die Entscheidung nach dem Job bei Birkenstock hierzubleiben. Ich denke, wir sind dabei hier Wurzeln zu schlagen.

Dann hatten Sie sicher auch schon erste Einblicke in den Karneval.

Der wird auch in Bad Honnef gefeiert und ich kenne ihn auch aus Köln. Hätte mir vor sechs Jahren jemand gesagt, dass Karneval einen solchen Spaß macht, wäre ich skeptisch gewesen. Er kann von außen betrachtet schon schräg aussehen, aber wenn man mal richtig in ihn abtaucht, hat er eine authentische Wucht.

Sofort mittendrin im kölschen Treiben beim FC: Geschäftsführer Philipp Türoff (l.) und „Jungfrau“ Gerdemie aus dem Dreigestirn.

Sie sind seit 1. Januar beim FC. Sind Sie gut angekommen?

Ich fühle mich wohl und wenn man Leistung bringen soll, muss man sich wohlfühlen. Es fühlt sich alles ehrlich an. Und einen ersten Eindruck kann man immer nur einmal machen.

Wie hat die Einarbeitung in die Themen und die Übergangszeit zusammen mit Ihrem Vorgänger Alexander Wehrle funktioniert?

Wir mussten uns finden, was völlig normal ist, wenn jemand neun Jahre lang einen Job ausgeübt hat und dann jemand Neues kommt. Wir haben uns gefunden und eine Vertrauensbasis geschaffen. Es ist alles sehr professionell gelaufen. Ich würde auch keine Sekunde zögern ihn anzurufen, wenn ich hier vor eine unsichtbare Wand laufe und von ihm Hintergrundinfos benötige. Ich bin gut eingearbeitet und fühle mich nicht überfordert.

1. FC Köln in sehr angespannter finanzieller Verfassung vorgefunden

In welcher finanziellen Verfassung haben Sie den FC vorgefunden?

In einer sehr angespannten Situation. Die Krise ist hier aber mit viel intensiver Arbeit, Weitsicht und kaufmännischer Vorsicht zu jedem Zeitpunkt sehr ernstgenommen worden, um vorbereitet zu sein und das Bestehen des Clubs zu sichern. Man muss kein Finanzexperte sein, um zu verstehen, dass ein leeres Stadion das Geschäftsmodell eines fanzentrierten Vereins wie den FC finanziell extrem unter Druck setzt.

Sie sehen mich aber schon etwas glücklicher, weil wir gegen Dortmund gerade wieder das erste Spiel mit 50.000 Zuschauern im Stadion hatten. Die akute Blutung ist gestoppt. Der Patient ist aber noch nicht gesund. Wir haben harte Einschläge hinter uns und werden Zeit benötigen, um die Corona-Auswirkungen wieder zu heilen. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt. Spannend ist nur die Frage, wie schnell es gelingt.

Was macht Sie zuversichtlich?

Wir besitzen mit unseren Fans und den Sponsoren eine gesunde Basis, auf die wir uns verlassen können. Wir haben sportlichen Erfolg und spielen mit Steffen Baumgart eine bemerkenswerte Saison. Das hat dafür gesorgt, dass ich hier sitze und meine erste vollständige Saison als Erstligist planen kann. Das bedeutet mehr Gestaltungsspielraum.

Um den Auswirkungen der Pandemie entgegenzuwirken hat der FC unter anderem eine Landesbürgschaft aufgenommen, Genussrechte ausgegeben und einen Vorgriff auf Sponsorengelder getätigt. Wie bewerten Sie die ergriffenen Maßnahmen?

Es waren die richtigen Maßnahmen. Sie zeigen, dass die Verantwortlichen in alle Richtungen gedacht und gehandelt haben. Die Instrumente wurden mit Maß und Mitte eingesetzt. Das alles in einer Zeit der Unsicherheit, ob es nicht noch schlimmer wird. Diese Unsicherheit bleibt. Wir müssen immer ein, zwei Schritte im Voraus denken, um reagieren zu können, wenn zu den dunklen Wolken wieder ein Gewitter aufzieht.

Wird einem da als Finanz-Manager nicht schon mal schwindlig?

Mir wird so leicht nicht schwindlig. Ich habe mich mein Leben lang mit solchen Dingen beschäftigt, kenne die Methoden und bin sicher im Einsatz der Instrumente. Ich fürchte mich nicht vor Dingen, die ich verstehen kann.

Der Vorgriff auf finanzielle Mittel birgt aber ein Risiko?

Wir haben einiges an Zukunft verfrühstückt, um die Krise bewältigen zu können. Das schränkt unsere Beweglichkeit ein und wir müssen beweglich sein. Die Situation ist aber beherrschbar, wenn die Entwicklung wieder positiver läuft. Es geht darum, die Verpflichtungen aus der Krise wieder zurückzuführen, um wieder mehr Freiräume zu haben. Ich wünsche mir einen FC, der möglichst jederzeit aus eigener finanzieller Kraft handeln kann.

Dafür muss auch weiter gespart werden. Sehen Sie noch Potenziale im Bereich Lizenzspielerkader?

Die gibt es immer. Corona hat auch in diesem Markt etwas angerichtet. Wir müssen den richtigen Weg finden und bei der Zusammenstellung des Kaders vorbereitet sein. Wir erkennen an den aktuellen Vertragsverlängerungen, dass Ehrlichkeit und Transparenz wirken. Die Spieler sehen, dass beim FC etwas entsteht und sich die Verantwortlichen gemeinsam in diese Richtung aufgemacht haben. Wenn Spieler das fühlen, spielt beim Gehalt der letzte Euro nicht immer die entscheidende Rolle.

Kainz verlängert

Erst Benno Schmitz, jetzt Florian Kainz: Der 1. FC Köln hat den Vertrag mit dem österreichischen Nationalspieler verlängert und den offensiven Flügelspieler bis 2024 gebunden. Kainz kommt in der aktuellen Bundesliga-Saison auf 25 Einsätze in 27 Spielen. Dabei erzielte der 29-Jährige drei Tore und ist mit fünf Assists, gemeinsam mit Kapitän Jonas Hector, bester Vorbereiter. Kainz wechselte im Januar 2019 von Werder Bremen zum FC. (sam)

Der FC bietet eine fantastische Bühne zum Fußballspielen. Wir brauchen Spieler die beim FC das Potenzial sehen, und nicht nur den monatlichen Scheck. Und es gibt einige, die den Weg mit uns weiter gehen wollen und einige, die den Weg sehen und dazustoßen werden.

Am 1. April kommt Christian Keller als Geschäftsführer Sport dazu. Wie gut kennen Sie sich schon?

Wir haben uns bei relevanten Themen schon mehrfach ausgetauscht. Ich freue mich sehr, dass er jetzt kommt und bin zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame Linie finden, um von der ersten Sekunde an als Führungsteam einen guten Job für den FC zu machen.

Christian Keller ist der Kaderplaner. Müssen Sie ihm finanzielle Fesseln anlegen?

Nicht ich, die Sache erfordert es. Es gibt Spielräume, in denen wir uns bewegen und die wir ständig neu ausloten müssen. Jede Form von Wettbewerb erzeugt Druck. Wer seine Spielräume kennt, ist auch handlungsfähig. Wenn wir für die Planung einer Saison einen Kurs festlegen, definiert er auch Fesseln und meine Rolle ist es, über die finanziellen Spielräume zu wachen und das bei Bedarf auch auszusprechen.

Wie weit würden Sie in einer sportlich brenzligen Situation ins Risiko gehen?

Wenn ich in einem Spiel zurückliege und mich entscheide das Risiko zu erhöhen, kann aus einem 0:2 auch mal ein 0:4 werden. Dann lassen alle kurz mal die Köpfe hängen, starten beim nächsten Spiel aber wieder bei 0:0. Wenn ich das als Kaufmann das Risiko erhöhe, dann starten wir im Falle eines ungünstigen Ausgangs nicht bei 0:0 sondern bei 0:4. Da gibt es eine klare rote Linie bei mir. Bei einem 0:2 erhöhe ich das Risiko nicht, nur unter Berücksichtigung aller möglichen Konsequenzen. Nichts steht über dem FC und seiner langfristigen Zukunft.

Erfolg braucht der FC möglichst schnell beim Ausbau des Geißbockheims, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Wie ist der Stand?

Der eingefrorene Status ist eine Katastrophe. Dafür gibt es auch kein schöneres Wort. Der FC braucht das neue Nachwuchsleistungszentrum und mehr Trainingsplätze. Wir ringen in dem Bereich um jedes kleine Prozent mehr Leistung und benötigen Voraussetzungen, die zeitgemäß sind. Jeder Spieler, der hier hinkommt, muss sehen, dass wir das verstanden haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Dinge sind politisch wieder in Gang gekommen. Bocklemünd hat Potenzial als Zwischenlösung und Marsdorf bietet uns eine gestaltbare Fläche mit großen Möglichkeiten. Aber: Wir haben eine klare Haltung: Wir lassen uns nicht in Scheibchen schneiden. Es gehört zur Identität des FC, Teil der Stadt zu sein.

Hat Philipp Türoff eine Vision mit zum 1. FC Köln gebracht?

Die Frage ist immer wo bin ich und wo will ich hin? Die Menschen muss ich auf dieser Reise der Veränderung mitnehmen und ihnen erklären, warum ich etwas mache. Ich gehe nur dahin, wo ich Dinge auch wirklich zur Entfaltung bringen kann. Mein Ziel ist es, die Potenziale des FC zu entwickeln, ihn als Marke in Bezug auf den Sport wettbewerbsfähig zu halten und seine gesellschaftliche Rolle weiter zu formen.

Und wir wollen den Menschen ein Fußballerlebnis anbieten, das Stadionerlebnis nach allen Regeln der Kunst erhalten, digital begleiten und es in die Zukunft führen.