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FC-Profi Salih Özcan im Interview„Der Trainer zersägt uns nicht“

Lesezeit 5 Minuten
Salih Özcan im Trainingslager

Salih Özcan 

  1. Im Sommer standen die Zeichen schon auf Trennung.
  2. Ein halbes Jahr später sind die Dienste von Salih Özcan bei Fußball-Bundesligist 1. FC Köln sehr gefragt.
  3. Tobias Carspecken unterhielt sich mit dem Eigengewächs über seine Höhen und Tiefen am Geißbockheim und seine Qualitäten als Mittelfeld-Allrounder.

Herr Özcan, Sie sind in den jüngsten fünf Pflichtspielen jeweils über die volle Distanz zum Einsatz gekommen. Fühlen Sie sich als Stammspieler?

Bei dem ausgewogenen Kader und der Qualität des Teams kann man das so nicht sagen. Auch Spieler, die zuletzt auf der Bank saßen, zählen bei uns zum Stammpersonal. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich mit meiner Leistung zufrieden bin und weiter daran anknüpfen möchte.

Haben Sie Ihre Chance nach der Verletzung von Ellyes Skhiri also genutzt?

Der Trainer weiß, wo meine Qualitäten liegen. Unabhängig von Ellyes habe ich meine Chance genutzt, weil in den vergangenen Spielen performt habe. Ich denke, jeder hat gesehen, dass ich meine Stärken auf den Platz gebracht habe.

Sind Ihre derzeit hohen Einsatzzeiten Balsam für die Seele?

Die vergangene Saison war auch nicht schlecht. Ich kam in 31 Pflichtspielen zum Einsatz. Es gab gute Spiele, aber natürlich auch schlechte. Diese und letzte Saison kann man von der Situation her ohnehin nicht miteinander vergleichen. Vergangenes Jahr befanden wir uns als Team in einer sehr schwierigen Phase. Dieses Jahr ist das bislang ganz gut.

Zur Person

Salih Özcan, geboren am 11. Januar 1998 in Köln, wechselte als Neunjähriger vom SC West ans Geißbockheim. Beim 1. FC Köln reifte der Mittelfeldakteur zum Junioren-Nationalspieler und feierte im September 2016 sein Profi-Debüt. Seither stehen 105 Pflichtspiele (2 Tore/6 Vorlagen) für den FC zu Buche, unterbrochen von einer einjährigen Leihe in der Saison 2019/20 zu Zweitligist Holstein Kiel (29 Pflichtspiele, 5 Tore/7 Vorlagen). Sein größter Erfolg war der Gewinn der U21-EM im Sommer 2021. Anschließend verlängerte er seinen auslaufenden Vertrag bis 2023. (tca)

Ihr Abgang im Sommer schien schon beschlossen. Wie glücklich sind Sie im Rückblick, dass es doch anders gekommen ist?

Für den Markt war es gerade in Zeiten von Corona interessant, dass ich ablösefrei zu haben war. Ich finde es aber schön, dass mein Heimatverein und ich die Gespräche dann nochmal intensiviert und zueinander gefunden haben.

Welche Rolle hat der neue Trainer Steffen Baumgart bei Ihrem Verbleib gespielt?

Eine große. Er hat mir auf seine direkte Art erklärt, welche Meinung er von mir hat. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass ich bleiben muss.

Geht es für Sie auch darum, zu beweisen, den nächsten Schritt explizit in Köln gehen zu können?

Für jeden Fußballer ist es etwas Besonderes, sich in seinem Heimatverein zu etablieren. Im Fußball weiß man aber nie, wo einen der Weg hinführt. Da kann alles ganz schnell gehen.

Wie sehr sind Sie bei Ihrer Vertragsverlängerung davon ausgegangen, dass Ellyes Skhiri verkauft wird?

Für mich war nach den Gesprächen mit dem FC klar, dass ich bleiben und mich hier durchsetzen will.

Wie sind Sie dennoch mit dem überraschenden Verbleib Ihres Konkurrenten umgegangen?

Das war kein großes Thema für mich. Ellyes hat seine Stärken, die das gesamte Team weiterbringen. Über seinen Verbleib verärgert zu sein, wäre absolut falsch gewesen.

Skhiri ist am Donnerstag ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Wird es für Sie jetzt wieder schwieriger?

Das ist die Entscheidung des Trainers. Es ist für keinen Spieler einfach, verletzt zu sein. Als Mitspieler freut man sich für jeden Kollegen, wenn er wieder fit ist.

Sie haben schwer in die Saison reingefunden, standen in den ersten fünf Ligaspielen nur einmal in der Startelf. Haben Sie sich gedacht: Jetzt geht das schon wieder los?

Ich war in regelmäßigem Austausch mit dem Trainer. Wir haben einen breiten Kader, da ist es auch für den Trainer nicht leicht, die Einsatzzeiten gleich zu verteilen. Sauer zu sein, bringt in dem Moment nichts. Man muss weiter Gas geben, auf seine Chance warten und dem Trainer zeigen: Ich bin da, auf mich kannst du setzen.

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Steffen Baumgart betont immer wieder die Bedeutung des Kollektivs. Wie viel Mut und Zuversicht haben Sie aus dieser Wertschätzung gezogen?

Ich habe weitergemacht und das von Training zu Training gezeigt. In den ersten Spielen bin ich ja auch immer wieder reingekommen. Ich hatte meine guten Szenen, wie zum Beispiel gegen Leipzig (1:1; Özcan wurde acht Minuten vor dem Ende eingewechselt und bestach mit hoher Zweikampfstärke, Anm. d. Red.).

Sie sind in dieser Saison schon auf der Sechs, auf der Acht und auf Halbrechts zum Einsatz gekommen. Wo fühlen Sie sich am wohlsten?

Das kommt ganz auf den Gegner an. Wenn man gegen eine Mannschaft wie die Bayern über Härte und Defensivarbeit kommen muss, dann ist es für das Team wertvoller, wenn ich etwas weiter hinten spiele, um meine Zweikampfstärke zur Geltung bringen zu können. Generell kann ich im Mittelfeld überall spielen, offensiv wie defensiv. Ich versuche, dort mein Bestes zu geben, wo mich der Trainer aufstellt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des FC in dieser Saison?

Wir sind als Team spielerisch stärker geworden. Wir gehen viel Risiko ein, können dadurch aber mehr Chancen kreieren. Das hat man zum Beispiel gegen Dortmund gesehen. Wir haben zwar verloren, dafür aber gezeigt, dass wir auch gegen starke Mannschaften guten Fußball spielen können.

Was macht diese mutige Spielweise mit einem Spieler persönlich?

Wir haben mehr Selbstvertrauen. Auch, weil wir einen Trainer haben, der hinter uns steht. Wir wissen, dass er uns nicht zersägt, wenn wir einen Fehler machen. Er sagt dann: „Das gehört zu unserer Spielweise dazu.“ Mal geht es gut, mal geht es schief. Aber wir bleiben dran.

Nach den Pfiffen im Heimspiel gegen Union Berlin (2:2) hat sich Steffen Baumgart demonstrativ vor seine Mannschaft gestellt.

Die Pfiffe haben der Mannschaft nicht gut getan. Auch wenn es dazu gehört, dass die Fans mal pfeifen. Wichtig ist dann, seinen Spielstil beizubehalten und weiterzumachen. Das sagt uns auch unser Trainer.

Zum Start aus der Länderspielpause geht es nach Mainz. Ist die Partie richtungsweisend nach zuletzt nur einem Sieg aus acht Bundesligaspielen?

Von den Leistungen her kann man uns nichts vorwerfen. Im Moment hapert es nur an der Ausbeute. Die Mainzer sind sehr gut drauf und haben sich wie wir extrem gesteigert. Das wird ein hartes Spiel. Ich glaube aber schon, dass wir da etwas holen können.