„Macht Spaß“So spricht Christian Heidel über Baumgart und das FC-Trainerteam
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Der aktuelle Erfolg des 1. FSV Mainz 05 ist eng mit der Rückkehr von Christian Heidel (58) vor knapp einem Jahr verknüpft.
Andreas Morbach hat vor dem Karnevalsduell mit dem 1. FC Köln mit dem FSV-Sportvorstand gesprochen.
Herr Heidel, am ersten Spieltag nach Beginn der närrischen Zeit das Duell Mainz gegen Köln – da scheinen professionelle Planer bei der DFL am Werk gewesen zu sein, oder?
Ja, das könnte man fast glauben (lacht). Am 11.11. ging es in diesem Jahr ja nicht – das wäre dann wahrscheinlich der absolute Höhepunkt. Terminlich passt es auf jeden Fall sehr gut.
In Köln, dem Fast-Absteiger vom Mai, waren nach der Anfangseuphorie unter dem neuen Cheftrainer Steffen Baumgart zuletzt beim 2:2 gegen Union Berlin Pfiffe gegen das eigene Team zu hören. Haben Sie dafür Verständnis?
Das liegt einfach am Wesen eines so großen Traditionsvereins wie dem 1. FC Köln. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt liegen dort sehr nahe beisammen. Aber mein Eindruck aus der Ferne ist, dass in Köln ein großes Vertrauen in Steffen Baumgart und das neue Trainerteam herrscht – und nicht, dass man schon zweifelt.
Unter Baumgart hat sich die FC-Spielweise dem aktiven, schnellen Mainzer Stil erkennbar angenähert. Oder?
Der FC zeigt klar die Handschrift von Steffen Baumgart. Die Kölner Spielweise hat sich verändert, es macht Spaß ihnen zuzuschauen. Da treffen am Sonntag zwei Mannschaften aufeinander, die offensiv und mutig denken und auf ihre Art Tore schießen wollen. Daher wird das alles andere als ein langweiliges Spiel, da bin ich sicher.
Alles andere als langweilig war auch Ihre Zeit auf Schalke. Es soll nicht wenige Menschen geben, die sagen, Sie seien schuld daran, dass Schalke jetzt in der 2. Liga spielt.
Meine Zeit auf Schalke ist fast drei Jahre her. Wir wurden 2018 mit acht Punkten Vorsprung Vizemeister, sind dann locker durch die Gruppenphase der Champions League gekommen, hatten den höchsten Umsatz und Gewinn der Vereinsgeschichte. Wir hatten aber, auch aufgrund einer unglaublichen Verletzungsmisere, fünf schwierige Monate in der Bundesliga, waren Elfter – was auf Schalke nicht leicht zu vermitteln ist. Im Februar 2019 habe ich mich aus vielerlei Gründen entschieden zu gehen. Ein Jahr nach meinem Weggang stand Schalke unter David Wagner auf einem Champions-League-Platz, alles war super. Erst dann begann dieser bis heute schwer nachvollziehbare Absturz. Viele Verantwortliche, vier Trainer und unzählige Spieler gingen und kamen. Zweieinhalb Jahre nach meiner Schalker Zeit stieg der Verein dann ab. Deswegen finde ich es mehr als weit hergeholt, wenn es Leute geben sollte, die sagen, das hat Heidel zu verantworten.
Warum gelingt Ihnen in Mainz – jetzt schon zum zweiten Mal – das, was beim FC Schalke letztlich nicht mehr geklappt hat?
Wenn man einen Verein führen will, ist das gegenseitige Vertrauen eine Grundbedingung. In Mainz, wo ich den Verein aus den Niederungen der Zweiten Liga bis in den Europapokal begleitet habe, war das für mich der Fall. In meinen Augen ist der Trainer das A und O in einem Verein. Wir hatten mit Jürgen Klopp und Thomas Tuchel über zwölf Jahre zwei überragende Trainer, die sich in Mainz auch in schlechteren sportlichen Phasen entwickeln konnten und heute auf Weltniveau bewegen. Auch mit Martin Schmidt lagen wir anschließend sehr gut – und mit Bo Svensson habe ich jetzt wieder dieses Gefühl.
Mein Job ist es, Rahmenbedingungen für solche Entwicklungen zu schaffen, gemeinsam mit dem Trainer eine Mannschaft so zusammenzustellen, wie der Trainer das möchte. Und dann für Ruhe im Verein zu sorgen – und das kann man immer nur aus einer Position der Stärke. Das hat in Mainz über Jahre immer gut funktioniert. Aber auch daran muss man kontinuierlich arbeiten, das musste auch Mainz schmerzhaft erleben in der vergangenen Saison – mit der ganzen Unruhe im Verein, dem Spielerstreik. Das war ja völlig atypisch für Mainz 05.
Am 28. Dezember 2020 sind Sie als Sportvorstand nach Mainz zurückgekehrt, eine Woche später wurde Bo Svensson als Cheftrainer vorgestellt. Wie wichtig waren Ihnen bei dieser Entscheidung Svenssons zwischenmenschliche Fähigkeiten?
Bo betrachtet den Spieler ganzheitlich als Menschen. Unsere Spieler spüren, dass es dem Trainer nicht nur darum geht, die Abläufe auf dem Feld zu verinnerlichen, sondern dass er auch wissen will, wie sich der Spieler fühlt, was ihn beschäftigt – und wie er ihn als Spieler verbessern kann. Er spricht mit Spielern, weil es ihn interessiert. Das ist das Sahnehäubchen, das einen sehr guten Trainer ausmacht.
Haben Sie das Gefühl, dass sich der Profifußball schon strecken muss, um die ganz große Gunst des Publikums nach 20 Monaten mit der Pandemie zurückzugewinnen?
Nach über einem Jahr quasi ohne Zuschauer ist es normal, dass man den einen oder anderen Zuschauer verliert. Weil sich die Menschen überlegen: Was kann ich samstags noch so machen? Wir müssen hart arbeiten, um die Fans und die Begeisterung für den Fußball zurückzugewinnen, wir müssen vermitteln, dass das Live-Erlebnis im Stadion viel spannender ist, als ein Spiel im Fernsehen anzuschauen. Darüber hinaus ist es wichtig, wie wir mit der Corona-Thematik umgehen. Das muss transparent sein, die Leute müssen wissen, was sie im Stadion erwartet.
Wie hilfreich finden Sie in diesem Zusammenhang Debatten um eine europäische Super League oder Pläne, alle zwei Jahre eine Fußball-WM auszutragen?
Wir müssen da achtgeben und unsere Fans in den Mittelpunkt rücken. Denen ist in übergroßer Mehrheit die Bundesliga am Wochenende am wichtigsten. Es ist wunderbar, wenn sich Klubs wie Köln oder Mainz mal für Europa qualifizieren. Aber wir müssen den nationalen Wettbewerb als Basis schützen. Wenn das Gefühl vorherrscht, dass es bei der Ausdehnung der internationalen Wettbewerbe nur noch um die Gewinnmaximierung für Verbände und einige wenige Klubs geht, verlieren wir die Fans an der Basis. Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich umschalte, weil ich nicht von morgens bis abends Fußball schauen möchte, nur weil er gut vermarktet wird. Fußball muss etwas Besonderes bleiben.