Leverkusen – Da waren sie wieder, die ratlos-frustrierten Gesten, die bei Bayer Leverkusen im Frühjahr 2022 doch der Vergangenheit angehören sollten. Ein mit weit ausgebreiteten Armen lamentierender Florian Wirtz oder Mitchel Bakker, der nach dem Doppelschlag von Atalanta Bergamo in der ersten Halbzeit den Ball wegschlägt, waren nach 17 Punkten in den ersten acht Bundesliga-Spielen des Jahres kaum mehr vorstellbar. Im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League wurde Bayer vom Sechsten der italienischen Serie A aber so kalt erwischt, dass auch Gerardo Seoane nach dem 2:3 (1:2) um Kontenance ringen musste.
Was war mit Bayer Leverkusen los?
„Ich mache mir vielmehr Sorgen darüber, was heute auf dem Platz passiert ist“, schob der Schweizer die Frage nach der geringen Regenerationszeit für das Derby am Sonntag (15.30 Uhr, DAZN) gegen den 1. FC Köln beiseite. Bevor das prestigeträchtige Duell in der BayArena gegen den neun Punkte schlechter gestellten Tabellenachten vorbereitet werden kann, musste der tief sitzende Stachel aus dem Bergamo-Spiel entfernt werden. Seoane versuchte das verbal-analytisch, indem er beiden Mannschaften „von Anfang an hohen Rhythmus“ attestierte. „Wir hatten gute Chancen, gute Kontrolle und sind verdient in Führung gegangen“, beschrieb der Bayer-Coach die Anfangsviertelstunde. Hier war es der im Vergleich zum 1:1 bei Bayern München taktisch zum 4:2:3:1 zurückgekehrten Werkself nicht nur gelungen, das gegnerische Angriffspressing zu umspielen. Sie beschäftigten die Hausherren auch in deren Hälfte und hätten nach Aranguiz’ toll herausgespieltem 1:0 (11.) nicht gedacht, dass die Partie derart schnell kippen könnte. „Atalanta hat dann vermehrt Zweikämpfe und zweite Bälle gewonnen und uns mit einem Doppelschlag extrem in Schwierigkeiten gebracht“, sagte Seoane.
Vor dem 1:1 durch Ruslan Malinovskyi fehlte Linksverteidiger Bakker ein Schritt, um den überragenden Ukrainer ins Abseits zu stellen (23.). 113 Sekunden später ließ Edmond Tapsoba Malinovski enteilen, der Luis Muriel das 2:1 auflegte (25.). Dass die nun völlig indisponierte Werkself von den Lombarden nicht komplett aus dem Gewiss Stadium geschossen wurde, hatte sie vor und nach der Halbzeit Lukas Hradecky zu verdanken. Das 1:3 von Muriel konnte der Torwart-Kapitän zwar nicht verhindern (49.), wohl aber den kompletten K.o. durch einen vierten oder fünften Gegentreffer.
Nach einer Stunde zog Seoane die Notbremse. Mit einer Systemumstellung und Odilon Kossounou als dritten Innenverteidiger im 5:2:3 hatten es seine Schützlinge nicht mehr so schwer, die Kreise von Malinovski und Muriel einzuschränken. Vorne sorgte Moussa Diabys Einzelaktion für das schmeichelhafte 2:3 (63.). Mit dem Endstand konnte der Bayer-Coach leben. „Die Qualifikation ist noch offen“, betonte Seoane, wohlwissend, dass er für das Rückspiel kommenden Donnerstag die richtigen Schlüsse ziehen muss.
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Wuchtig, zielstrebig und offensiv flexibel wird am Sonntag auch der 1. FC Köln kommen. „Wir sind es gewohnt, innerhalb von 48 Stunden das nächste Spiel vorzubereiten“, beantwortete Seoane die Eingangsfrage nach fehlender Regenerationszeit doch noch, „wir wissen, dass es am Sonntag wieder ein intensives Spiel gibt. Da war Bergamo ein guter Vorgeschmack.“ Bei allem Vertrauen in die eigenen spielerischen Qualitäten werde es gegen den FC darauf ankommen, „Mentalitätspunkte“ wie Lauf- und Zweikampfbereitschaft „mindestens auf das gleiche Niveau zu bringen“. Dafür könnten Robert Andrich (Knie) und Karim Bellarabi (Oberschenkel) zurückkehren. Wieder zur Verfügung steht Kerem Demirbay, der in der Europa League rot-gesperrt war.