Köln – Luca Kilian fehlte die Erfahrung. Wo sollte er die auch hernehmen mit seinen 22 Jahren und gerade einmal 46 Bundesligaspielen. , in denen er ohne Tor geblieben war. Es sei dem Innenverteidiger des 1. FC Köln also verziehen, dass er nach seinem 3:2-Siegtreffer gegen den 1. FSV Mainz 05 am Samstag komplett die Orientierung verlor, nachdem er einfach losgerannt war. „Ich wusste zuerst nicht, was ich machen und wie ich jubeln soll. Ich bin irgendwo hingelaufen und habe alles rausgelassen und mich so gefreut, dass ich gar nicht mehr wusste wo unsere Kurve ist. Und es war auch noch die falsche Eckfahne gelaufen, die anderen jubeln immer an der anderen“, beschrieb er die Sekunden nach seinem ersten Bundesligator im 47. Spiel.
Ausgerechnet Kilian krönte am Samstag vor 49.800 begeisterten Zuschauern im Rheinenergiestadion eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd des FC. Nicht nur, dass der 1,92 Meter große Defensivspieler vom FC für diese Saison von den Mainzern ausgeliehen ist, er war es auch, der seinem eigentlichen Arbeitgeber das erste Tor ermöglichte. Am Ende einer Kölner Fehlerkette fälschte Kilian einen eigentlich harmlosen Schuss von Jonny Burkhardt zum 0:1 ins kurze Eck (14.). „Das ist das Schicksal eines Verteidigers und war maximal unglücklich. Aber es gibt wohl einen Fußballgott“, schmunzelte der gebürtige Wittener. ,
Nach dem 0:2 durch Karim Onisiwo (55.) und einer wirklich gruseligen ersten Stunde der Geißböcke schrieb dieser Gott ein Drehbuch, dass Killian „komplett am Rad drehen und überwältigende Gefühle“, erleben ließ. Ellyes Skhiri leitete auf Vorlage von Anthony Modeste das Comeback ein (58.). „Durch das 1:2 haben wir das Stadion mitgenommen und ein Feuer entfacht“, erklärte Kilian. Nach dem 2:2 durch Dejan Ljubicic (78.) kam sein großer Moment. Salih Özcan köpfte eine Ecke von Mark Uth ins linke untere Eck, FSV-Keeper Robin Zentner wehrte ab und der Ball fiel vier Meter vor dem Tor vor Kilians Füße. Ein Ball, den sogar ein „Holzfuß“ verwerten kann (82.).
Die wenig schmeichelhafte Bezeichnung hatte ihm Steffen Baumgart in der Trainingswoche vor der Partie bei Union Berlin verpasst. Und der FC-Chefcoach rückte am Samstag nur wegen eines erstes Bundesligatreffers, der gleichzeitig den Kölner Sieg bedeutete, nicht von seiner Einschätzung ab. „Wir freuen uns für Kili und Sie können sich vorstellen, dass er sich auch freut. Er bleibt aber ein Holzfuß“, sagte Baumgart ohne mit der Wimper zu zucken. Kilian Tor kostet den Trainer übrigens ein Essen für die ganze Mannschaft: „Irgendwann habe ich mal gesagt, dass, wenn er mal ein Tor macht, ich der Mannschaft ein Essen zahle. Daher Glückwunsch!“
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Nach dem emotionalen und ausgelassen gefeierten Sieg, der den FC auf Platz in der Nähe der Europapokalplätze hält, hinterließ Baumgart insgesamt aber eher einen recht nachdenklichen Eindruck. Die erste Stunde des Spiels, in der sein Team mut- und ideenlos und fehlerhaft gespielt hatte, nahm der 50-Jährige genauso mit, wie die tolle Moral und das Quäntchen Glück, dass den Geißböcken gegen einen direkten Konkurrenten die Punkte 41 bis 43 bescherte. „Nicht die bessere Mannschaft hat gewonnen. Wir waren nicht gut im Spiel. Wir freuen uns über den Sieg, dürfen aber nicht die Augen verschließen vor den Fehlern, die wir gemacht haben. Wir müssen daran arbeiten, es besser zu machen“, kritisierte der Kölner Trainer.
Özcan, Ljubicic und Schaub bringen viel frischen Wind
Wie schon so oft in dieser Saison kam der entscheidende Impuls zur Wende von der Bank. Drei Minuten nach dem 0:2 wechselte Baumgart dreifach und brachte Ljubicic, Louis Schaub und Salih Özcan für Jannes Horn sowie die enttäuschenden Ondrej Duda und Florian Kainz. Skhiris schneller Anschlusstreffer per Flugkopfball tat dann sein Übriges. „Ich hatte ein richtig gutes Gefühl nach dem 1:2, weil wir es relativ früh gemacht haben. Das Stadion war dann auch wieder voll da“, sagte Schaub. Der Österreicher und sein Landsmann Ljubicic belebten die vorher lahmenden Flügel gegen immer müder werdende Mainzer. Für die 05er war Müngersdorf nach Gladbach (1:1) und Augsburg (1:2) das dritte Auswärtsspiel in einer Woche.
Ein ganz großer Faktor war auch Salih Özcan. Der frisch gebackene türkische Nationalspieler hatte sich nach einer Corona-Infektion am Freitag noch frei testen können und ging ohne eine einzige Trainingseinheit in der vergangenen Woche auf den Platz. Für seinen stabilen und zweikampfstarken Auftritt verteilte Steffen Baumgart sogar eines seiner ganz raren Sonderkomplimente. „Er ist im Moment nicht zu ersetzen. Das sage ich selten. Heute hat man gesehen, mit welcher Mentalität er unterwegs ist und welche Präsenz er im Mittelfeld hat. Das hat uns vorher gefehlt.“ Nächsten Samstag beim Derby in Gladbach wird Özcan von Anfang an dabei sein.