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Bayer LeverkusenDer Meister ist von sich selbst genervt

Lesezeit 4 Minuten
Bayer Leverkusens Florian Wirtz (R) und Alejandro Grimaldo ist die Enttäuschung über das 2:2 gegen KIel deutlich anzusehen.

Bayer Leverkusens Florian Wirtz (R) und Alejandro Grimaldo ist die Enttäuschung über das 2:2 gegen KIel deutlich anzusehen.

Bayer 04 Leverkusen ist trotz einer frühen 2:0-Führung nicht über ein sensationelles 2:2 gegen Aufsteiger Holstein Kiel hinausgekommen.

Die Profis von Bayer 04 Leverkusen schlichen mit hängenden Köpfen vom Rasen der BayArena. Im Heimspiel gegen Holstein Kiel hatte der Deutsche Meister nach zwei Toren in den ersten acht Minuten früh wie der sichere Sieger ausgesehen, brachte sich aber selbst aus dem Konzept und musste nach dem 2:2 (2:1) hart mit sich selbst ins Gericht gehen.

„Ideenreich“, „flexibel“ und „immer gerne am Ball“. So hatte Xabi Alonso im Vorfeld des sechsten Bundesliga-Spieltags nicht etwa sein eigenes Team beschrieben, sondern den letzten Gegner vor der Länderspielpause. Als hätte der Spanier etwas geahnt. Obwohl der erste schleswig-holsteinische Bundesligist der Geschichte erst einen Zähler geholt hatte, brachte der Coach den Schlusslichtern genügend Respekt entgegen.

Andrich im Zentrum der Dreierkette

Um die Kieler gar nicht erst in Rollen kommen zu lassen, hatte sich Alonso einige taktische Neuerungen überlegt: Mit Robert Andrich als zentralem Fixpunkt in der Dreierabwehrkette, zwischen Jonathan Tah und Edmond Tapsoba, setzte er auf eine tiefe, starke Spieleröffnung. Davor stellte er mit Granit Xhaka und dem erstmals in dieser Saison zur Startelf gehörenden Exequiel Palacios zwei weitere Passmaschinen auf die Doppelsechs.

Um der schwächsten Abwehr der bisherigen Bundesliga-Saison noch größere Probleme zu bereiten, hatte der Spanier auch in der Offensive auf die große Rotation verzichtet. Jonas Hofmann war der einzige Profi aus der zweiten Reihe, der mit Florian Wirtz, Victor Boniface, sowie den immer wieder aufrückenden Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo wirbeln durfte.

Früher Doppelschlag durch Boniface und Hofmann

Das offensive Bayer-Kollektiv erfüllte sofort alle von Alonso für Kiel genannten Attribute: „Ideenreich“, „flexibel“ und „immer gerne am Ball“ schenkten sie den Gästen schnell das erste Tor ein. In der vierten Minute hatten sich diese zu sehr aus der Deckung gewagt und den Ball am Leverkusener Strafraum verloren. Dann ging es über Tah, Palacios, Wirtz, wieder Palacios und Boniface rasant zum 1:0 (4.).

Den nächsten, blitzsauberen Angriff hätte Boniface beinahe mit seinem zweiten Treffer beendet, scheiterte aber am langen Arm von Torwart Timon Weiner (6.). Diese gute Aktion machte dieser wenig später zunichte, indem er den aggressiv anlaufenden Wirtz anschoss, sodass der Ball bei Palacios landete, der wiederum Hofmann gedankenschnell einsetzte. Dessen trockener Direktsschuss ins lange, linke Eck, wirkte wie eine Befreiung, für den seit drei Wochen nicht berücksichtigten Ex-Nationalspieler (8.).

Auf das 2:0 hätten die in schmucke Retro-Trikots anlässlich des 120-jährigen Club-Bestehens gegkleidetenHausherren in ihrer mit 30.210 Zuschauern ausverkauften Arena gerne den dritten Treffer gesetzt. Bonifaces nächster Streich wurde aber wegen Abseits vom VAR einkassiert (26.). 14:4 Torschüsse, eine Passquote von 93,4 Prozent und fast 72 Prozent Ballbesitz waren in der Nachspielzeit trotzdem Makulatur, weil Robert Andrich bei einem Eckstoß von Lewis Holtby nicht aufmerksam verteidigte, sodass Max Geschwill aus dem Nichts den Kieler Anschlusstreffer per Kopf markieren konnte (45.+5).

Arp gleicht per Elfmeter zum 2:2 aus

Als die knapp 3000 Gästefans zu Beginn der zweiten Halbzeit „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ skandierten, lag überraschenderweise Spannung in der sonnigen Oktober-Luft. Diese nährte der Favorit mit einigen nachlässigen Ballannahmen, einer Handvoll schlecht getimter Pässe, sowie Tahs zu hoch angesetztem Distanzschuss (50.) und Boniface‘ drucklosem Kopfball nach einem Grimaldo-Freistoß (58.).

Als Armin Grigovic entschlossen an Tah vorbeizog und im Strafraum von Frimpong getroffen wurde, zeigte Robert Hartmann (ohne VAR-Überprüfung) auf den Punkt. Jann-Fiete Arp behielt im Duell mit Lukas Hradecky die Nerven und traf flach, rechts zum kaum für möglich gehaltenen 2:2 (69.).

Das 2:2 war ein echter Wirkungstreffer für die Werkself. Obwohl Alonso defensiv Piero Hincapie für Andrich und damit seine Stamm-Dreierkette brachte und vorne Martin Terrier mit Patrik Schick in den Sturm warf, waren die Aufsteiger dem dritten Treffer zunächst näher. Lukas Hradecky musste einen Kopfball von Benedikt Oscar Pichler in höchster Not über die Latte lenken (73.).

Wir haben nach dem 2:0 gedacht, das Spiel ist vorbei.
Xabi Alonso, Trainer Bayer Leverkusen

Auf der Gegenseite verzog Hincapie genauso per Kopf (78.), wie Terrier (80.). Ein paar Mal hatten sich die Leverkusener die aufopferungsvoll kämpfenden Kieler in der Schlussphase noch zurechtgelegt. Grimaldos Schuss (85.) und auch allen Hereingaben fehlte aber die nötige Präzision. So feierten die Außenseiter aus der Hafenstadt, während Alonsos Profis nach der dritten, verspielten 2:0-Führung im sechsten Bundesliga-Spiel genervt von sich selbst in die Länderspielpause gehen mussten.

„Wir sind nicht zufrieden, wir sind selbst schuld. Wir haben nach dem 2:0 gedacht, das Spiel ist vorbei. Wir waren zu passiv, das reicht in der Bundesliga nicht“, schimpfte Xabi Alonso mit seiner Mannschaft.


Statistik:

Leverkusen: Hradecky; Tah, Andrich (70. Hincapie), Tapsoba; Frimpong (77. Adli), Xhaka, Palacios (70. Garcia), Grimaldo; Hofmann (60. Terrier), Wirtz; Boniface (70. Schick). - Kiel: Weiner; Ivezic, Erras, Geschwill; Becker, Knudsen, Porath (86. Komenda); Holtby (86. Remberg), Gigovic (71. Schulz); Machino (46. Arp), Skrzybski (46. Pichler). - SR.: Hartmann (Wangen). - Zuschauer: 30.210 (ausverkauft). - Tore: 1:0 Boniface (4.), 2:0 Hofmann (8.), 2:1 Geschwill (45.+5), 2:2 Arp (69., Foulelfmeter). - Gelbe Karten: Frimpong, Tah; Knudsen (3), Weiner (2).