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FC-Sportchef im Interview„Wir können den Personaletat nicht wieder erhöhen“

Lesezeit 8 Minuten
Kölns Sportdirektor Christian Keller

Kölns Sportdirektor Christian Keller

Sportchef Christian Keller blickt auf die Saison 2022/23 zurück und deutet an, dass im Sommer auch gestandene Spieler den 1. FC Köln verstärken sollen

Christian Keller hat seine erste komplette Saison als Sportchef beim Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln hinter sich. Tobias Carspecken und Martin Sauerborn zeichneten das Gespräch mit dem 44-Jährigen über die zurückliegende und die kommende Saison auf.

Herr Keller, wie zufrieden sind Sie, wenn Sie auf die Saison 2022/23 des 1. FC Köln zurückblicken?

Eines unserer Leitmotive lautet, dass Leistung vor dem Ergebnis kommt. Ich war im Rahmen dessen, was die Mannschaft leisten kann, echt zufrieden. Mit den Ergebnissen war ich dagegen nicht ganz zufrieden. Wir hätten mehr Punkte holen können. Am Ende lügt eine Tabelle nach 34 Spieltagen aber auch nie. Wir sind also schon richtig verortet.

Warum sind es nicht noch mehr als 42 Punkte geworden?

Uns hat sicher Effizienz vor dem gegnerischen Tor gefehlt. Wir wussten aber schon vor der Saison, dass wir in dem Bereich Luft nach oben haben.

War es für Sie persönlich die intensivste Saison in Ihrer Laufbahn als Geschäftsführer Sport?

Bei Jahn Regensburg habe ich vor vielen Jahren eine Saison erlebt, in der mein Auto zerkratzt wurde, ich Eier im Briefkasten hatte und an jedem Spieltag Leute im Stadion „Keller raus“ gerufen haben. Es gab Drohbriefe und wir mussten einmal mit Polizeieskorte aus dem Stadion begleitet werden. Es war auch mal die ganze Stadt plakatiert mit dem Aufruf: „Wir suchen einen neuen Sportdirektor.“

Also, war Ihr erstes Jahr in Köln eher langweilig?

Das nicht. Hier waren alle freundlich zu mir (lacht). Es war aber intensiv.

Warum?

In der Conference League haben wir alles mitgenommen, woran niemand vorher gedacht hat. Den Gewalt-Eklat in Nizza, die mehrfache Spielunterbrechung in Belgrad bis hin zur Spielverlegung in Slovácko. Und zwei Tage danach wieder Bundesliga gegen Hoffenheim mit dem ganzen Heckmeck. Dann kam noch die Transfersperre, wir hatten viele Verletzte und diverse Nebenkriegsschauplätze, für die ich exemplarisch mal die Verlegung des Spiels in Leverkusen nenne. So viel war in Regensburg nicht los.

Wie ist die Mannschaft mit all diesen Rückschlägen umgegangen?

Es ist eine große Stärke der Mannschaft und der Trainer, die es jeden Tag vorleben, sich von solchen Situationen nicht unterkriegen zu lassen. Es muss immer weiter gehen. Es geht darum, mit einer positiven Haltung an die Aufgaben und Herausforderungen ran zu gehen, egal welche Barrieren auf dem Weg liegen. Am Ende muss man drüber klettern, sie aus dem Weg schieben oder drum herumlaufen. Auf keinen Fall darf man davor stehen bleiben und umkehren. Das macht die Mannschaft sehr gut.

Die Spielidee von Trainer Steffen Baumgart ist extrem aufwendig. Birgt dieser Aufwand die Gefahr, dass er sich abnutzt und müssen Sie dann an der individuellen Qualität im Kader schrauben?

Der FC muss physisch und mental immer an den 100 Prozent kratzen, weil es in der Bundesliga Mannschaften gibt, die individuell höherwertig besetzt sind. Das kann jeder an den Kaderwerten ablesen. Diesen Unterschied müssen wir mit anderen Waffen kompensieren: Mit einem stabilen Kollektiv, einer herausragenden Physis, einer klaren Spielidee, einer guten Führung und der steten Bereitschaft, alles zu geben. Das konnte man der Mannschaft nie absprechen und unsere Fans haben das entsprechend honoriert – auch nach Niederlagen. Und wir haben gezeigt, dass wir in bestimmten Phasen gegen jeden Gegner in der Liga Punkte holen können.

Aber braucht der FC nicht mehr Qualität im Kader?

Die Qualität wird sich über die Weiterentwicklung der Spieler automatisch erhöhen. Vor einem Jahr hatten wir etliche Spieler, die noch keine Bundesligaspieler waren. Die haben sich dem Niveau zumindest genähert. Ich bin überzeugt, dass die Entwicklung noch nicht zu Ende ist.

Welche Spieler meinen Sie konkret?

Eric Martel und Linton Maina haben einen Riesensprung gemacht und am Ende der Saison konstant solides Bundesliganiveau abgeliefert. Oder Denis Huseinbasic, der aus der Regionalliga kam. Auch Steffen Tigges hat einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, obwohl ihm noch die Konstanz fehlt. Oder Davie Selke, der als gestandener Spieler nach vier für ihn recht schwierigen Jahren gezeigt hat, dass er in der Bundesliga immer noch Tore schießen kann und auch als Typ wichtig für unser Team ist.

Das klingt, als seien Sie zufrieden mit den Transfers?

Alle genannten Spieler müssen ihre jeweilige Entwicklung fortsetzen und ihre Leistungen verstetigen. Da müssen wir weiter dran arbeiten. Wenn das gelingt, dann bin ich zufrieden. Aber es gibt auch einen Spieler, der noch nicht wie gewünscht funktioniert hat, obwohl ich bekanntermaßen sehr viel von ihm halte.

Sie meinen Sargis Adamyan, der im Sommer 2022 als Königstransfer von der TSG 1899 Hoffenheim gekommen ist?

Wenn Sie ihn beim FC Brügge und danach beim FC gesehen haben, waren das zwei unterschiedliche Spieler. Klar ist, wenn er liefern würde, könnte er uns wirklich helfen. Wir gehen davon aus, dass Sargis zum Trainingsauftakt in einem anderen Zustand aufschlägt und sich anders präsentiert. Er kann viel mehr, muss an seiner Stabilität arbeiten und fleißiger sein. Sargis kann über eine gute Vorbereitung wieder Anschluss finden. Anderen Spielern ist der Durchbruch noch verwehrt geblieben.

Planen Sie im Sommer, Spieler zu verleihen?

Wir wollen mit Jonas Urbig nach seiner Rückkehr aus Regensburg verlängern und ihn wieder verleihen, damit er als Torwart weiter zum Spielen kommt. Das Gleiche gilt für Tim Lemperle. Er bringt extrem viel mit. Ich bin ein Fan von Tim. Ihm fehlt noch etwas die körperliche Robustheit und er braucht Spielpraxis. Diese wird er in der kommenden Saison beim FC aber nicht ausreichend bekommen. Deswegen haben wir im Winter im Zuge seiner Vertragsverlängerung schon über eine Leihe gesprochen.

Der FC hat mit Jonas Hector und Ellyes Skhiri zwei gestandene Profis verloren. Ein Verlust, der nicht nur durch entwicklungsfähige Spieler kompensiert werden kann, oder?

Wir planen, nicht ausschließlich entwicklungsfähige Spieler zu holen. Es werden vielleicht auch ein, zwei bekanntere Namen dabei sein.

Es ist noch nicht lange her, da wusste der FC noch nicht einmal, ob er nach der Transfersperre überhaupt im Sommer Spieler verpflichten kann. Der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne hat nun das Fifa-Urteil ausgesetzt. Wie geht es vor dem Cas weiter?

Es wird zu einem noch nicht definierten Zeitpunkt ein Cas-Hearing stattfinden. Danach folgt das Urteil. Wann genau das sein wird, möchte ich nicht spekulieren. Wir haben aus unserer Sicht gute Argumente, weshalb wir davon überzeugt sind, erfolgreich sein zu können. Unser Ziel ist die Aufhebung des Fifa-Urteils. Mehr möchte ich dazu wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen.

Wie groß ist der finanzielle Spielraum des FC für die Neuverpflichtungen im Sommer? Vergangene Saison haben Sie etwa sechs Millionen Euro investiert, durch die Abgänge von Tony Modeste und Salih Özcan aber auch ein Transferplus erwirtschaftet.

Wir haben den Personaletat für den Lizenzbereich in der abgelaufenen Saison um rund 25 Prozent gesenkt. Es ist keine weitere Reduktion erforderlich. Wir können den Etat aber auch nicht wieder erhöhen.

Mit Hector, Skhiri und Timo Horn stehen drei Großverdiener nicht mehr auf der Gehaltsliste. Es müsste doch mehr Geld vorhanden sein?

Es dauert noch drei bis fünf Jahre, bis der FC saniert ist. Es geht darum, ein Fundament zu bauen, auf dem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich der FC auf allen Ebenen weiterentwickelt und sein großes Potenzial langfristig gehoben wird. Dafür haben wir unter anderem in die Infrastruktur investiert und werden dies auch weiter tun.

Wird es weitere Abgänge im Sommer geben?

Wir sind anders als im vergangenen Jahr nicht darauf angewiesen, Spieler abzugeben, um Lücken im Haushalt zu schließen. Diesen wichtigen Meilenstein haben wir sehr schnell erreicht.

Zurück zur Kaderplanung. Für welche Positionen suchen Sie Spieler und wie schwer ist es, nach der gerade erst ausgesetzten Transfersperre noch ablösefrei verpflichten zu können?

Für Jonas Hector haben wir mit Leart Paqarada den Benchmarkspieler der 2. Liga geholt und sehen uns gut aufgestellt. Auch, wenn Jonas nicht ersetzt werden kann, ist Leart ein guter Transfer, weil er ein spielstarker Linksverteidiger ist.

Und für Ellyes Skhiri?

Wir suchen für die Sechs einen Spieler, der möglichst direkt auf gutem Bundesliga-Niveau spielen kann. Wir brauchen in der Achse Spieler mit möglichst wenig Leistungsausschlägen, die unerfahrene Spieler naturgemäß immer mal wieder haben.

Und sonst?

Einen zweiten Stürmer, der auch als hängende Spitze oder als Achter agieren kann, bei einer Leihe von Jonas Urbig einen zusätzlichen Torhüter und vielleicht einen Rechtsverteidiger.

Was wird in diesem Zusammenhang aus Kingsley Schindler, dessen Vertrag zum 30. Juni ausläuft?

Ihm liegt ein Vertragsangebot vor. King ist ganz unabhängig von seiner sportlichen Qualität extrem wichtig für die Mannschaft. Er bringt als Mensch sehr viel rein und ist für die Homogenität im Team Gold wert.

Mit Mark Uth stand in der vergangenen Saison der Spielmacher des FC so gut wie nicht zur Verfügung. Wie geht es ihm aktuell? Können Sie seriös mit ihm planen?

Wir gehen davon aus, dass Mark im Laufe des Sommers wieder voll einsteigen kann. Er hat wirklich gute Fortschritte gemacht.

Die U19 des FC stand im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft und hat den DFB-Pokal gewonnen. Welche Spieler können den Sprung zu den Profis schaffen?

Im Jahrgang 2004 gibt es mehrere interessante Spieler, denen wir die Entwicklung zum Profi zutrauen. Max Finkgräfe, Justin Diehl, Elias Bakatukanda, Damien Downs, Emin Kujovic und Meiko Wäschenbach haben allesamt viel Potenzial.