Nach der verheerenden Niederlage im Kampf gegen die Transfersperre schließen Vorstand und Geschäftsführung des 1. FC Köln einen Rücktritt aus.
CAS-UrteilDer Albtraum des 1. FC Köln soll ohne personelle Konsequenzen bleiben
Es war 15.45 Uhr an diesem ohnehin schon turbulenten Donnerstag, als der 21. Dezember 2023 endgültig Eingang in die Geschichtsbücher des 1. FC Köln fand. „Was für eine Scheiße, auch das noch an diesem Tag“, fuhr es Christian Keller durch den Kopf, als der Sportchef des 1. FC Köln sein Mail-Postfach mit dem Urteil des Internationalen Sportgerichtshof (CAS) öffnete. Gerade mal eine Viertelstunde vor der niederschmetternden Nachricht aus Lausanne hatte der in eine der größten Krisen der jüngeren Vereinsgeschichte abgerutschte Fußball-Bundesligist bekanntgeben müssen, dass die Liaison mit Steffen Baumgart nach einer desaströsen Hinrunde zu Bruch gegangen war.
Der Schuldspruch des Weltsportgerichts ließ die Trennung vom Kulttrainer dabei fast schon in den Hintergrund geraten. Nach den vielen Enttäuschungen auf dem Rasen stellte die Bestätigung der vom Weltverband Fifa verhängten Transfersperre über zwei Wechselperioden die mit Abstand schwerste Niederlage für den taumelnden Geißbock-Club im Jahr 2023 dar. Es ist ein Albtraum, dessen gesamtes Ausmaß noch lange nicht absehbar ist. Nach einem Moment der Schockstarre, so berichtete es Christian Keller am Tag danach, habe er dann aber auch schon die Ärmel hochgekrempelt. „Der nächste Gedanke war: Wir haben uns darauf vorbereitet mit den Maßnahmen, die bei uns möglich sind. Entsprechend war um 15.46 Uhr die Stimmung auf Angriff“, zeigte sich der Sportchef des selbsterklärten Ausbildungsvereins gewillt, bis zum Ende der Transfersperre im Januar 2025 aus der Not eine Tugend zu machen.
Als Christian Keller diese Sätze sagte, blickte er am Freitagmittag in zahlreiche Videokameras, die im Geißbockheim für ein Medienaufkommen sorgten, wie man es beim 1. FC Köln trotz regelmäßiger Turbulenzen länger nicht mehr erlebt hat. „Das CAS-Urteil ist in dieser Art und Weise einmalig in der Bundesliga“, sprach Präsident Werner Wolf von einem zweifelhaften Novum, das sich sein Club mit der im Januar 2022 erfolgten Verpflichtung des Nachwuchsstürmers Jaka Cuber Potocnik (18) eingehandelt hatte.
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Die einstündige Pressekonferenz am Tag nach dem großen Beben hatte den Kölner Verantwortungsträgern mehrfach die Gelegenheit zur Fehleranalyse geboten. Stattdessen wurde erneut auf Gegenangriff gesetzt. Kellers Geschäftsführer-Kollege Philipp Türoff kritisierte den Schuldspruch des CAS als „sehr hartes Urteil“. Mit Blick auf den zu zahlenden Schadenersatz von 60.000 Euro stellte der FC-Finanzchef die „Verhältnismäßigkeit“ der einjährigen Transfersperre zur Diskussion. Diese sei „ohne Frage ein schwerer Schlag“. Türoff musste einräumen, das Urteil „so nicht erwartet“ zu haben. Man sei weiterhin „überzeugt“ von der Wirksamkeit der Kündigung Potocniks bei Olimpija Ljubljana. „Dafür haben wir Beweise, Zeugen, bis hin zu Gutachten vorgelegt. Dem ist der CAS nicht gefolgt.“
Mehr noch: Die Entscheidung des Schiedsrichtergremiums war in seiner Deutlichkeit kaum zu überbieten. Für die Kündigung, die die Seite von Jaka Cuber Potocnik mit der angeblichen Nichteinhaltung von Vertragsinhalten begründet hatte, habe es „keine rechtliche oder faktische Grundlage gegeben“, stellte der CAS fest. „Verschiedene Kontakte mit dem Spielerberater“ von Potocnik hätten zudem den Vorwurf der Anstiftung zum Vertragsbruch untermauert. Als letzte Resthoffnung bliebe dem FC nun noch der Gang vor das Bundesgericht als höchste richterliche Behörde in der Schweiz. Dass es dazu kommen wird, ist laut Türoff in Anbetracht der „relativ geringen Erfolgswahrscheinlichkeit“ nicht zu erwarten: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir diesen Weg gehen werden. Das heißt aber nicht, dass wir ihn vollends verwerfen.“
Sportchef Christian Keller sieht in der Herausforderung auch eine Chance
Ansonsten wies die Kölner Führung praktisch sämtliche Vorwürfe zurück. „Alle seriösen Versuche, sich zu einigen, haben wir unternommen. Es gab zwischenzeitlich den Umstand, dass eine Einigung erzielt wurde, die dann aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen wieder zurückgezogen wurde“, erklärte Philipp Türoff, warum der FC den Transferstreit nicht per außergerichtlicher Lösung bereinigt bekommen hatte. Dabei sei es auch um „Werte“ gegangen, „für die der FC steht“, sowie um „Grenzen, was wir zu tun bereit sind“. Der Finanzchef verneinte, dass die Tragweite der Causa Potocnik unterschätzt worden sei: „Wir haben den Vorgang sehr ernst genommen. Wir haben alle Register gezogen.“ Zusammengerechnet habe das einen sechsstelligen Betrag gekostet. Zu der fatalen juristischen Fehleinschätzung des Transferstreits sagte Türoff: „In der Prüfung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass diese Konsequenzen nicht zu befürchten sind.“
Personelle Konsequenzen sind nicht angedacht. Präsident Werner Wolf betonte, es gebe „keine Pläne für einen Rücktritt in Bezug auf den Vorstand“. Auch Sportchef Christian Keller, der seinen von einem Teil der Anhänger per Petition geforderten Rücktritt ablehnte, muss nicht um seinen Job fürchten. „Die Geschäftsführung genießt das volle Vertrauen“, stellte Wolf klar, der nach einem „rabenschwarzen Tag“ wieder „nach vorne schauen“ will und an „Zusammenhalt“ appellierte. „Wir haben ein gutes Fundament. Das macht mich zuversichtlich.“
Die FC-Bosse waren bemüht, ja keine Untergangsstimmung aufkommen zu lassen. „Einen Untergang zu beschwören, ist total unangemessen“, meinte Philipp Türoff. „Nach der Pandemie hatten wir eine fundamental schwere finanzielle Lage. Dennoch ist die Stabilisierung gelungen.“ Von einer „Apokalypse beim FC“, wie es beim Boulevard zu lesen war, will auch Christian Keller nichts wissen. „Vielleicht ist es ja auch Tag eins beim FC. Und ob es Tag eins ist oder die Apokalypse, das entscheiden nicht Sie“, betonte der 45-Jährige: „Wenn wir darin eine Chance sehen, jetzt Schritte nach vorne zu machen, dann kann es auch gelingen. Ob es auch gelingen wird, ist eine andere Frage.“