In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
Im April beantworten Expertinnen und Experten Fragen rund um den Schlaf.
In dieser Folge geht es um die Auswirkungen von Zeitumstellung und Pandemie auf unseren Schlaf, welche Krankheiten schlechter Schlaf begünstigt und wie wir eine bessere Nachtruhe finden.
Köln/Düsseldorf – Haben Sie schlecht geschlafen? Vielleicht steckt Ihnen ja noch die Umstellung auf die Sommerzeit in den Knochen – schließlich ist uns eine Stunde Schlaf geraubt worden. Bereits 2018 verkündete der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, dass die Zeitumstellung abgeschafft gehöre. Eigentlich sollte es in diesem Jahr so weit sein – ein letztes Mal die Uhren Vor- und Zurückdrehen. Doch bei den Mitgliedstaaten herrscht Uneinigkeit, ob die dauerhafte Sommer- oder Winterzeit kommen soll. So ist die Entscheidung auf unbestimmte Zeit vertagt. Wie die Zeitumstellung unseren Schlaf beeinflusst, wie wir eine bessere Nachtruhe finden und welche Krankheiten in Verbindung mit Schlafstörungen stehen, erklären zwei Experten.
Die Uhr wurde gerade auf die Sommerzeit umgestellt. Wie wirkt sich das auf unseren Schlaf aus?
Am Dienstag (27. April) beantwortet Dr. Olga Tselikmann, Oberärztin des Schlaflabors der Uniklinik Düsseldorf, um 17.30 Uhr eine Stunde lang Ihre Fragen zum Thema Schlaf.Anmeldung unter: www.forumblau.de/gesunder-schlaf
„Die Zeitumstellung auf Sommerzeit ist wie ein Mini-Jetlag für uns“, sagt Dr. Olga Tselikmann, Oberärztin im Schlaflabor der Uniklinik Düsseldorf. Die allermeisten Menschen haben ein bis zwei Tage damit zu kämpfen. „Stehen wir normalerweise um 7 Uhr auf, ist es durch die Zeitumstellung 6 Uhr und noch dunkel. Durch die Dunkelheit wird das Schlafhormon Melatonin weiter ausgeschüttet und wir sind müde.“ Wir benötigen Tageslicht und Dunkelheit als Taktgeber. „Wenn Sonnenlicht auf unsere Augen fällt, wird die Melatonin-Produktion gehemmt.“ Die Zeitumstellung werfe unseren Rhythmus aus dem Ruder und verkürze die Schlafenszeit. Das Ergebnis: Wir bekommen alle zu wenig Schlaf, sagt die Expertin.
Wäre es gut für unseren Schlaf, wenn die Zeitumstellung abgeschafft wird?
Viele Schlafforscher gehen davon aus, dass sich die Sommerzeit negativ auf unsere innere Uhr auswirkt. Diese innere Uhr richtet sich nach Tageslicht und Dunkelheit. Vor allem Nachteulen, denen es schwerfällt, am frühen Morgen aufzustehen, mache die Sommerzeit zu schaffen. „Die Eulen gehen generell nicht zeitig schlafen. Bei der Sommerzeit kommen sie durch die lange Helligkeit gar nicht mehr zu Ruhe und gehen noch später ins Bett und bekommen zu wenig Schlaf.“ Die Winterzeit ist die Normalzeit und passe besser zu unserer inneren Uhr, erklärt die Expertin.
Liegen wir auch durch die Pandemie häufiger wach?
„Bei uns in der Ambulanz merken wir, dass die Schlafstörungen in der Pandemie zunehmen. Viele Menschen haben durch die aktuelle Situation finanzielle oder gesundheitliche Sorgen. Die existentiellen Nöte der Menschen führen dazu, dass viele Menschen schlechter einschlafen können.“ Schlaf könne nur entstehen, wenn Menschen sich entspannen können.
Viele Menschen wachen immer um Punkt drei Uhr auf. Woher kommt das?
Der Schlaf hat unterschiedliche Phasen: Leichtschlaf, Tiefschlaf und den Traumschlaf (REM-Schlaf). In diesen Phasen passieren unterschiedliche Dinge, erklärt Dr. Michael Sommerauer. Er forscht an der Uniklinik Köln zum Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Krankheiten und Schlafstörungen. Jeder Mensch habe eine sogenannte Schlafarchitektur, also ein Hin- und Herschwingen von Leicht- zu Tiefschlaf – circa drei- bis fünfmal in einer Nacht. Olga Tselikmann sagt: In der ersten Nachthälfte haben wir mehr Tiefschlaf und in der zweiten Nachthälfte eher leichteren Schlaf. „Nach rund vier Stunden wird man wach – geht man um 23 Uhr ins Bett, ist es dann drei Uhr nachts.“ Dass so viele Menschen um diese Zeit wach sind, liege auch daran, dass der Körper um etwa drei Uhr in einem Stimmungstief ist und wir über emotionale Probleme nachgrübeln.
Was sind die größten Schlafstörer?
„In unseren Kreisen sind Stress, die Grübelneigung und nicht abschalten zu können die größten Schlafstörer.“ Viele nehmen ungelöste Probleme aus dem Tag mit ins Schlafzimmer und das halte sie wach, sagt Tselikmann. „Schlafstörungen und Adipositas sind richtige Pandemien unserer Zeit – ich gehe davon aus, dass durch den zunehmenden Stress und die Hektik Schlafstörungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen.“ Ihren Patientinnen und Patienten rät Olga Tselikmann, den Fernseher aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Dort habe er nichts zu suchen. Am besten sei es, alle Elektrogeräte wie Smartphone, Laptop oder Tablets nicht mit ins Schlafzimmer zu nehmen. „Das blaue Licht, was von solchen Bildschirmen ausgestrahlt wird, hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin und das macht wach.“
Wann werden Schlafstörungen zum Problem?
„Spätestens bei Ein- oder Durchschlafproblemen, die dreimal die Woche auftreten und schon länger als drei Monate anhalten, sei es wichtig einen Arzt aufzusuchen“, sagt die Expertin. Für Schlafstörungen können organische Ursachen wie eine Schlafapnoe, also Atemaussetzer im Schlaf, Beinbewegungen oder chronische Krankheiten wie Schilddrüsenüberfunktion verantwortlich sein. „Schlafstörungen können auf Dauer nur mit einer Verhaltenstherapie und/oder einer guten Schlafhygiene behandelt werden. Schlaftabletten sind keine Lösung für eine lange Zeit“, sagt Tselikmann.
Können Schlafstörungen Krankheiten verursachen?
„Der Tiefschlaf ist sehr wichtig, um Vernetzungen im Gehirn aufzubauen und Wissen abzuspeichern.“ Außerdem habe das Gehirn seinen eigenen Reinigungstrupp, der arbeite, wenn wir tief schlafen. Über den Tag werden durch die Prozesse im Gehirn Eiweiße angehäuft und diese Abfallprodukte werden im Tiefschlaf durch das Reinigungssystem aus dem Hirn gespült. Bei Alzheimer verklumpt das Eiweiß Beta Amyloid und bleibt zwischen den Nervenzellen im Gehirn – es kann nicht abtransportiert werden und es kommt zu Ablagerungen. Ist der Tiefschlaf gestört, funktioniert diese Reinigung auch nicht richtig. Ältere Menschen, die besonders wenig Tiefschlaf bekommen, haben ein höheres Risiko an Demenz zu erkranken. „Das hängt mit der Ablagerung der Beta Amyloide im Hirn zusammen, aber auch, dass ein schlechter Tiefschlaf Entzündungsprozesse in Gang setzt. Durch diese Entzündungsprozesse wird die Degeneration der Nervenzellen angeschoben, was später dann zu Demenz führen kann“, erklärt Michael Sommerauer.
Eine weitere wichtige Schlafphase ist der Traumschlaf. „Man nimmt an, dass in dieser Schlafphase Dinge, die man erlebt hat, in den Träumen verarbeitet werden.“ Patienten mit Parkinson haben häufig eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Normalerweise schalte das Hirn in der Traumschlafphase die Muskulatur aus. Heißt: Wir können uns nicht bewegen. „Parkinson verändert dieses Gebiet im Gehirn, dadurch träumen Parkinson-Patientinnen und Patienten häufig, dass sie verfolgt oder angegriffen werden – Träume bekommen einen aggressiven Charakter.“ Im Traum wehren sich die Menschen gegen ihre Angreifer und das geschehe nicht mehr nur im Kopf. „Die Patienten agieren es aus. Sie bewegen Arme, Beine, schimpfen und schreien im Schlaf. Das kann sogar so weit gehen, dass man sich im Schlaf selbst verletzt oder die Bettpartnerin beziehungsweise den Bettpartner.“ Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung komme nicht nur bei Menschen vor, die an Parkinson erkrankt sind, sondern könne bereits Jahrzehnte vor dem Ausbruch der Krankheit auftreten. Circa 80 Prozent der Patientinnen und Patienten, die diese Schlafstörung haben, entwickeln Parkinson, sagt Sommerauer.
„Für unseren Körper ist es wichtig, dass wir regelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeiten haben“, erklärt Olga Tselikmann. Ein Einschlafritual wie ein heißes Bad, ein Spaziergang, eine heiße Milch, angenehme Musik oder ein langweiliges Buch könne hilfreich sein. Das Schlafzimmer sollte kühl und dunkel sein. „Mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen nicht mehr auf Fernseher, Laptop oder Handy schauen.“ Wer nachts aufwache, sollte nicht auf den Wecker schauen. Das führe nur zu Stress. Besser: Aufstehen und einen Tee trinken. „Statt 12 Stunden in der Hoffnung auf Schlaf im Bett zu verweilen, ist es besser, nur sechs bis sieben Stunden im Bett zu liegen und wirklich zu schlafen“, erklärt Tselikmann. Nur mit ausreichend Müdigkeit entstehe ein Schlafdruck.