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Albtraumjob PilotÜberstunden, Schulden – wie Piloten von Airlines ausgebeutet werden

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Gefallener Held: Der Beruf des Piloten gleicht heute eher einem Albtraumjob.

Der Pilot als smarter Typ in Uniform, der seinen Traum zum Beruf gemacht hat und für das Fliegen in ferne Länder auch noch viel Geld bekommt? Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Das macht der Film „(Alb-)traumjob Pilot“, der am Montagabend um 23.15 Uhr in der Reihe „Die Story“ im Ersten lief, mehr als deutlich.

Viele Piloten machen heute etliche Überstunden, sind ständig übermüdet und haben durch ihre teure Ausbildung zehntausende Euro Schulden. Insbesondere Billig-Fluglinien beuten ihre Piloten massiv aus – und setzen damit die Sicherheit der Passagiere aufs Spiel.

„Gespart wird bei Dingen, die man nicht sehen kann: bei der Sicherheit, bei der Ausbildung“

Eine Studie der renommierten Universität Gent unter 6600 Piloten hat ergeben, dass 39 Prozent aller europäischen Piloten zwischen 20 und 30 Jahren nicht fest angestellt sind. Gerade bei Billigfliegern sind prekäre Arbeitsverhältnisse an der Tagesordnung: Viele Piloten sind Scheinselbstständige, Leiharbeiter oder werden pauschal pro Flug entlohnt, wie Yves Jorens vom Genter Forschungs-Institut für Sozialbetrug im Film erklärt.

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Ein Grund dafür sei der „unbarmherzige Verdrängungskampf“, sagt Markus Lüer, Luftfahrt-Fachgutachter: „Gespart wird bei Dingen, die man nicht sehen kann: bei der Sicherheit, bei der Ausbildung, bei den Gehältern der Piloten.“

„Auch in Deutschland scheinen Unfälle durch Erschöpfung möglich“

Durch dieses Spar-Diktat der Fluggesellschaften sind bereits Menschen zu Tode gekommen, wie der Film anhand mehrerer Beispielen zeigt: Im November vergangenen Jahres starben 71 Menschen bei einem Flugzeugabsturz im kolumbianischen Dschungel, weil die Maschine der bolivianischen Airline aus Spargründen zu wenig getankt hatte. Einen Monat später verunglückte eine russische Maschine auf dem Weg von Sotschi nach Syrien über dem schwarzen Meer: Der Co-Pilot soll am falschen Hebel gezogen haben.

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Sturzflug: Das Flugtraining ohne Autopilot ist wichtig, um Katastrophensituationen beherrschen zu lernen.

Co-Pilotin hatte keine Wohnung und schlief im Aufenthaltsraum der Airline

2009 stürzte eine Colgan-Air-Maschine in Buffalo in ein Wohngebiet, 50 Menschen starben. Später stellte sich heraus: Die Co-Pilotin machte beim Landeanflug gravierende Fehler, sie war übermüdet, krank und so schlecht bezahlt, dass sie sich keine eigene Wohnung leisten konnte. Sie habe oft auf der Couch im Aufenthaltsraum der Fluglinie geschlafen, heißt es im Film. Die erschreckende Schlussfolgerung der Dokumentation: „Auch in Deutschland scheinen Unfälle durch Erschöpfung möglich.“

Sicherheitsproblem liegt in der Ausbildung der Piloten begründet

Das Sicherheitsproblem liegt schon in der Ausbildung der Piloten begründet. Seit die EU den Flugbetrieb 2013 liberalisiert hat, starten viele junge Menschen ihren Traum vom Fliegen mit einem riesigen Schuldenberg. Nicht mehr nur die Fluggesellschaften bilden ihre eigenen Leute aus, sondern auch private Institute schulen Verkehrspiloten. Besonders qualifiziert muss man für die Ausbildung an diesen Instituten nicht sein, wie der Film anhand einer Undercover-Bewerberin deutlich macht, die weder sportlich noch naturwissenschaftlich begabt ist. Hauptsache ist, sie kann die teure Ausbildung bezahlen. Kostenfaktor: zwischen 35.000 und 70.000 Euro. Danach verdienen die Absolventen aber nicht unbedingt sofort ihr Geld als Co-Pilot.

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Professor Yves Jorens belegt in seiner europaweiten Studie, dass Profitorientierung die oberste Priorität für viele Fluggesellschaften hat.

Die Pilotenschüler müssen danach, um bestimmte Flugzeugtypen überhaupt fliegen zu dürfen, eine mehrwöchige Einweisung im Flugsimulator durchlaufen und außerdem hunderte Praxisstunden absolvieren. Für die Auszubildenden der Lufthansa werden die Kosten für diesen Praxis-Part übernommen. Die Schüler vieler anderer Institute müssen sie jedoch selbst tragen. Das werde von den Fluggesellschaften ausgenutzt, sagt Bernd Hamacher, Professor für Luftfahrttechnik. Gerade bei den Billigfliegern habe sich das Konzept „Pay to fly“ durchgesetzt. Die Flugschüler bezahlen die Airlines für die Praxisstunden: Als Co-Piloten müssen sie tief in die Tasche greifen, um ihren Job machen zu dürfen.

Berufseinsteiger haben 150.000 Euro Schulden

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Was früher ein sicherer Arbeitsplatz war, ist heute ein Beruf auf Abruf. 39 % der europäischen Piloten zwischen 20 und 30 Jahren sind nicht festangestellt.

150.000 Euro Schulden, rechnet der Experte vor, hätten Berufseinsteiger dann unter Umständen zu Beginn ihrer Laufbahn. Um ihre Schulden abzustottern, lassen die jungen Menschen sich auf etliche Überstunden und prekäre Arbeitsbedingungen ein.

Immerhin dürfen sie arbeiten, wird ihnen dann häufig gesagt. Schließlich sind allein in Deutschland derzeit 1000 Piloten arbeitslos, europaweit sind es 7000. Viele Flugschulen versprechen, dass die Absolventen mindestens bei Ryanair einen Job finden.

Piloten übernachten im Flugzeug, um Hotelkosten zu sparen

Doch James Phillips von der Pilotenvereinigung Cockpit weiß, dass das nicht der Fall ist: Sogar Ryanair könne viele der Absolventen nicht einstellen, weil sie die Anforderungen nicht erfüllten. Ihre Fluglizenz allerdings erlösche, wenn sie nicht aktualisiert werde, erklärt der ehemalige Berufspilot Markus Lüer. Die Verkehrspiloten ohne Job stünden dann vor dem Nichts und müssten sich in das „Heer ungelernter Arbeitsloser“ einreihen.

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Die zunehmende Automatisierung im Cockpit macht Piloten überwiegend zu „Systemmanagern“.

Dem Ex-Piloten Lüer selbst wurde die Branche irgendwann zu brutal, wie es im Film heißt: „Ich kenne persönlich tatsächlich Leute, die im Flugzeug übernachten - hab ich selber eine Weile auch gemacht. Sie versuchen dann Hotelübernachtungen zu sparen, sich die Spesen einzustreichen. Das heißt, die haben dann ihr Survival-Kit dabei: Schlafsack, Zahnbürste, kleines Doggy-Bag, von der Mama gemacht, damit sie was zu essen haben, und versuchen so, wirklich Mark auf Mark zu legen, um in diesem Job über die Runden zu kommen“, so Lüer, der heute als Luftfahrt-Gutachter tätig ist.

20 Stunden am Stück arbeiten

Lüer beschreibt, wie sehr die Fluggesellschaften ihre Sparpolitik auf den Rücken der Piloten und der Flugbegleiter austragen: „So kommt es dann zu Situationen, dass Crews nicht acht, neun, zehn Stunden arbeiten, sondern vierzehn, sechzehn, achtzehn oder sogar zwanzig - ich spreche da aus eigener Erfahrung, langjährig. Und dann pfeift man wirklich auf dem letzten Loch."

Systematisches Tricksen bei Flugdienst und Ruhezeiten?

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Sturzflug: Das Flugtraining ohne Autopilot ist wichtig, um Katastrophensituationen beherrschen zu lernen.

Ein Co-Pilot einer kleinen deutschen Airline, der anonym zu Wort kommt, unterstellt den Fluglinien dabei systematisches Tricksen: „Ich würde sogar sagen, dass in manchen Unternehmen Gesetze regelmäßig missachtet werden – das geht von Flugdienst und Ruhezeiten über technische Mängel an Flugzeugen, die dann nicht in den Büchern auftauchen, wo die Kapitäne auch angehalten werden, das nicht einzutragen.“ Es gebe sogar Flüge, die die maximale Flugdienstzeit um mehr als zehn Stunden überschreiten und dann nachträglich aus dem System gelöscht würden, sodass das Luftfahrtbundesamt keinen Verdacht schöpfe.

Ein Flugzeug, das am Boden steht, bringt kein Geld ein

„Es gab einen Kapitän, der mich gefragt hat, ob wir fliegen können, obwohl wir fast einen kompletten Avionik-Ausfall hatten“, so der anonyme Informant weiter. „Wir hatten keine Triebwerks-Anzeige und keine Tankanzeige.“

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Das Problem: Ein Flugzeug, das am Boden steht, bringt kein Geld ein. In der Branche wird zugunsten des Profits mit der Sicherheit der Besatzung und der Passagiere gespielt. Die Airlines wollten natürlich, dass Mängel repariert würden, sagt Gutachter Lüer, „aber wenn es irgendwie möglich ist, das Flugzeug in der Luft zu halten, wird das gerne getan.“

Passagiere tragen Mitverantwortung

Dabei müssen wir Passagiere uns aber auch an die eigene Nase fassen: „Wenn der Kunde für den Preis eines S-Bahntickets fliegen will, nimmt er in Kauf, dass sich die Arbeitsbedingungen des fliegenden Personals verschlechtern“, heißt es im Film. In letzter Konsequenz verantwortlich sei der Passagier selbst, findet auch ein Personalmanager der Branche.

Wer den Film von Frido Essen gesehen hat, wird beim Besteigen des Billigfliegers in den Urlaub in jedem Fall ein mulmiges Gefühl haben. Vielleicht wird er sich beim nächsten Mal sogar gegen die Buchung einer Billigairline entscheiden. (rer)