- SPD-Vizefraktionsvorsitzender Karl Lauterbach hat den Sparkurs des Leverkusener Chemiekonzerns Bayer scharf kritisiert.
- Bayer habe mit der Übernahme von Monsanto „einen riesigen Fehler gemacht“.
- Man müsse konstatieren, dass Glyphosat „die Marke Bayer zerstört“.
- Für Leverkusen sei der Bayer-Kurs eine Katastrophe, ganz klar „eine Entscheidung gegen die Stadt“
Leverkusen – Eine ganze Tochterfirma wird eingespart. Bayer Business Services, wohin der Konzern 2002 seine Informationstechnik und sein Rechnungswesen ausgelagert hat, soll es 2022 nicht mehr geben. Das kündigte der Vorstand am Dienstag in einem Brief an die Belegschaft an. Das interne Schreiben liegt dem „Leverkusener Anzeiger“ vor. Mit der Auflösung von BBS sollen weltweit rund 7000 Stellen verschwinden, „bis zu 3000 in Deutschland“, so der Vorstand. Dabei wird die Leverkusener Zentrale die Hauptlast zu tragen haben.
Mit der Verschlankung von Prozessen und dem Streichen von Jobs sollen in der Verwaltung ab 2022 jedes Jahr rund 1,4 Milliarden Euro oder 25 Prozent eingespart werden, lautet die Vorgabe. Das sind Sach-, aber eben auch Personalkosten. „Einen Teil der frei werdenden Mittel werden wir in unsere Kerngeschäfte investieren und so unsere Innovationskraft weiter stärken“, verspricht der Vorstand.
Um die tiefen Einschnitte zu ermöglichen, soll es bei Bayer einfacher zugehen. Maximale Qualität soll kein Wert an sich mehr sein, lässt sich aus dem Brief lesen: „Statt des früheren Leitprinzips der funktionalen Exzellenz soll in Zukunft der Fokus der Corporate Functions stärker auf der kosteneffizienten Unterstützung der Geschäftsbereiche liegen.“ Umfang und Detailtiefe der Verwaltung sollen kleiner, gleichzeitig die Effizienz verbessert werden. Künftig wird es auch mehr Kostendruck geben.
Bayers einzelne Ländergesellschaften werden von der Zentrale gesagt bekommen, was die Verwaltung kosten darf. Sparpotenzial sieht der Vorstand in weniger komplizierten Strukturen: „Wir werden die Art und Weise, wie wir unser Unternehmen finanziell steuern, spürbar vereinfachen.“
Wie das im Detail aussieht, ist noch nicht ganz klar. „Wir haben uns entschlossen, für jede Funktion einzeln sorgfältig zu überlegen, welche Aktivitäten nicht mehr nötig sind, wie die Effizienz verbessert werden kann und wo Strukturen angepasst werden können. Wo wir hier stehen und wie die nächsten Schritte aussehen, werden die jeweiligen Verantwortlichen ihren Teams in den kommenden Tagen vorstellen“, steht im Baumann-Brief.
Mehr im „Townhall-Meeting“ bei Bayer
Dann wird es im Chempark die bewährten „Townhall-Meetings“ geben, auf denen die Führung auch Fragen beantwortet. Am Dienstag gab es lediglich erläuternde Video-Botschaften in Bayers Firmennetzwerk.
Neuigkeiten, die über den Brief an die Belegschaft hinaus gingen, habe es darin allerdings nicht mehr gegeben, hieß es am Nachmittag
Karl Lauterbach zweifelt an Bayer-Kurs
Unterdessen äußert Karl Lauterbach erhebliche Zweifel an Bayers Kurs. Am Dienstag erneuerte der SPD-Fraktionsvize seine Kritik am Monsanto-Deal. Bayer habe mit der Übernahme „einen riesigen Fehler gemacht“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem „Leverkusener Anzeiger“. Die Probleme wegen Glyphosat seien absehbar gewesen und die daraus resultierenden Risiken vom Vorstand falsch bewertet worden.
Man müsse konstatieren, dass Glyphosat „die Marke Bayer zerstört“. Das sei fatal, denn „wir brauchen ein starkes Pharma-Unternehmen in Deutschland“, so der Gesundheitspolitiker.
Mit dem Sparprogramm hingegen schwäche Bayer seine Pharma-Sparte zusätzlich. Die Pipeline sei nicht gut gefüllt, vielversprechende neue Medikamente seien nicht zu sehen.
Dass der Vorstand in dieser Situation auch noch 900 Stellen in der Pharma-Forschung streichen wolle, „leuchtet mir nicht ein“, sagte der Abgeordnete. „Gerade jetzt ist Bayer auf eigene Entwicklungen angewiesen.“
Lauterbach: „Kahlschlag macht in Fusionsphase keinen Sinn”
Dies gelte umso mehr, als die finanzielle Lage des Konzerns wegen der Monsanto-Übernahme und der Aktien-Talfahrt sehr angespannt sei. Es sei schwierig, fehlende eigene Entwicklungen durch Kooperationen und Zukäufe von Wirkstoff-Entwicklungen auszugleichen, „wenn die Kriegskasse völlig leer ist“.
Auch der sich abzeichnende Kahlschlag in der Bayer-Verwaltung „macht in der Fusionsphase keinen Sinn“, so Lauterbach. Das erschwere die ohnehin komplizierte Integration von Monsanto noch mehr. Der Vorstand ordne einen „übereilten Abbau an, den das Unternehmen an anderer Stelle doppelt und dreifach bezahlen wird“.
Lauterbach: „Auf Leverkusen kommt eine Katastrophe zu”
Weil das vor allem Leverkusen treffen werde, komme „auf die Stadt eine Katastrophe zu: Wir verlieren eine ganze Generation“, prophezeite der Sozialdemokrat. Junge Leute hätten nach Ausbildung und Studium keine Perspektive bei Bayer und würden wegziehen. Insofern sei das Sparprogramm am Konzernsitz „eine Entscheidung gegen die Stadt“.