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Streit um MunitionsfirmaGefährdet Troisdorfer Stadtrat nationale Rüstungsziele?

Lesezeit 4 Minuten
Firmengelände der Rüstungsfirma Dynitec in Troisdorf.

Troisdorfer Rüstungsfirma will angemietetes Grundstück an der Kaiserstraße kaufen. Bürgermeister Biber hat jedoch möglicherweise andere Pläne.

Der Streit um das Dynitec-Gelände in Troisdorf geht bis in den Bundestag. Der Bürgermeister deutet aber Gesprächsbereitschaft an.

Unweit des idyllischen Wald- und Vogelparks Troisdorf ist der Sitz des Munitionsherstellers Dynitec, der zur Diehl-Gruppe gehört. Deutschlands größte Produktionsanlage für Explosiv- und Zündstoffe befindet sich hier. Die rund 120 Mitarbeiter stellen diese für die Bundeswehr und auch für die Ukraine im Kampf gegen Russland her. In den vergangenen Wochen schwelt nun ein Streit zwischen dem Rüstungsunternehmen und der Stadtregierung in Troisdorf: Erweiterung der Produktionsanlagen oder, wie es Bürgermeister Alexander Biber (CDU) vorschwebt, eine Umnutzung eines Teils der zentrumsnahen Fläche zu einem Wohngebiet. Eine Einigung ist derzeit nicht in Sicht.

Eine schwarz-grüne Mehrheit im Stadtrat beschloss in einer ihrer jüngsten Sitzungen Ende November per Satzungsbeschluss ein Vorkaufsrecht für einen Teil des aktuellen Areals, das Dynitec vom Noch-Eigentümer Dynamit Nobel angemietet hat. Diese Mietverträge laufen Anfang 2026 aus, wie der Sprecher der Diehl-Gruppe, David Voskuhl, auf Nachfrage der Rundschau am Dienstag bestätigte. SPD, FDP sowie auch die Linke stimmten gegen den Beschluss. Ob die Stadt das Vorkaufsrecht tatsächlich wahrnimmt, ist aber bisher noch offen.

Verteidigungsminister Pistorius schaltet sich in Konflikt ein

Der Streit um den Munitionshersteller im Rhein-Sieg-Kreis hat das Zeug, für einen Engpass in der deutschen Rüstungsindustrie bei den Explosivstoffen zu sorgen, und hat es daher bis in den Bundestag geschafft. CDU-Bürgermeister Biber in Troisdorf „verhindert seit Wochen den Ausbau der Kapazitäten für die Herstellung von Munition“, kritisierte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, in einer Bundestagsdebatte am Mittwoch. Sogar Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich einen Tag vorher in den Fall eingeschaltet und mit dem NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst über den Fall telefoniert. Er habe großes Interesse daran, dass Länder und Kommunen mit dem Bund an einem Strang ziehen, wenn es um wichtige Sicherheitsfragen des Landes gehe, antwortete Pistorius in der Debatte auf Nachfrage Strack-Zimmermanns. Die NRW-Landesregierung nahm am Dienstag ebenfalls Stellung zu dem Streit: Sie achte die kommunale Selbstverwaltung, so die Staatskanzlei in Düsseldorf, man unterstütze aber den Ausbau der Rüstungsproduktion in Troisdorf.

Eines scheint klar: Der Druck auf den Troisdorfer Bürgermeister Biber und die Mehrheitsfraktionen im Stadtrat steigt und zeigt möglicherweise auch bereits Wirkung. Biber deutete vergangene Woche erste Gesprächsbereitschaft an: „Für den Erhalt der Firmen könne man über Miete oder Pacht reden“, und „eine Vorkaufsrechtssatzung bedeute ja nicht, dass die Stadt dies tatsächlich wahrnehme.“ Diehl-Sprecher Voskuhl antwortete darauf gegenüber der Rundschau, dass sie offen seien für weitere Gespräche, aber das Ziel des Unternehmens klar sei, nämlich „das betreffende Grundstück nach Ende des Mietvertrages von Dynamit Nobel (DN) zu erwerben“. Seit September 2022 sei Bürgermeister Biber darüber informiert. Zuvor hatte die Diehl-Tochter Dynitec zwei Grundstücke auf dem Troisdorfer DN-Gelände bereits gekauft.

„Der Weiterbetrieb in einer reduzierten Infrastruktur würde die Serienfertigung vor so große Probleme stellen, dass der Standort Troisdorf langfristig infrage gestellt wäre“, so Voskuhl weiter. Eine Aussage, die dem Betriebsrat von Dynitec sichtlich Sorgen bereitet. Bereits Anfang November hatte er sich zusammen mit der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie für den Verkauf des genannten Geländes an die Diehl-Gruppe ausgesprochen (die Rundschau berichtete). Voskuhl begründete die Position des Explosivstoff-Herstellers damit, dass „für einen dauerhaften Betrieb erhebliche Investitionen in Gebäude und Infrastruktur erforderlich sind“, die das Unternehmen bevorzugt in Eigentum und nicht in gemietete Liegenschaften tätigen wolle.

Wohnbebauung durch Schutzradien fraglich

Mitte November hatten Dynitec-Geschäftsführer Erich Muskat und der Diehl Defense-Bereichsvorstand, Thomas Bodenmüller, der Troisdorfer Stadtregierung auf ihr Kaufinteresse entgegnet, sie könne das Grundstück gar nicht nutzen. „Die Schutzradien machen Bebauungen rund um die genehmigten Produktionsflächen von Diehl unmöglich.“ Lediglich 66 000 Quadratmeter im Süden des Gebietes seien nicht betroffen. Die Diehl-Töchter Dynitec und Dyna Energetics haben hier „jedoch Wegerechte für Transporte explosiver Stoffe“, so Muskat.

Das Vorgehen der Troisdorfer Stadtregierung begründete Friedhelm Hermann (CDU) damit, „Gestaltungsmöglichkeiten zu behalten“. Unterstützt wird er von Grünen-Sprecher im Stadtrat, Thomas Möws: Man wolle so weit wie möglich Wohnbebauung auf dem Gelände umsetzen – trotz der anstehenden Altlasten-Sanierungen.