Steigende KundenzahlenPandemie fördert Lust aufs Lesen im Rhein-Sieg-Kreis
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Rhein-Sieg-Kreis – Das gibt Auftrieb in der Pandemie: Zum dritten Mal erhielt die Bücherstube Sankt Augustin den Deutschen Buchhandlungspreis. Und damit ist sie in diesem Jahr die einzige Buchhandlung im Rhein-Sieg-Kreis, die so ausgezeichnet wurde. Für Läden mit mehr als einer Million Euro Umsatz im Jahr – und dazu gehört die Bücherstube – ist das Gütesiegel undotiert, das Kulturstaatsministerin Monika Grütters für ein besonderes literarisches Engagement, für Leseförderung von Kindern und Jugendlichen sowie für ein exzellentes Veranstaltungsprogramm verleiht.
Letzteres hat Karl-Heinz Matheis in der Corona-Pandemie aus Sicherheitsgründen komplett gestrichen. „Wir sind bislang dennoch sehr gut durch die Krise gekommen“, betont der Buchhändler. „Die Verluste aus dem Frühjahr haben wir in den letzten Wochen wieder wettgemacht.“
300 Euro für Käufe im Voraus
Im Lockdown hätten die Kunden „bergeweise Kinderbücher gekauft, und auch Familienromane, die die Sehnsucht nach einer intakten Welt spiegeln, gingen sehr gut“. Das Online-Geschäft sei zurückgegangen. „Und bestellen die Kunden im Internet, holen sie meist trotzdem ihre Bücher selbst ab.“ Denn das lässt sich beim täglichen Einkauf gut nebenher erledigen, dank der günstigen Lage des Fachgeschäfts.
Er habe rührende Zeichen der Treue erhalten, sagt Matheis. Eine Kundin überreichte 300 Euro, verbunden mit dem Angebot, das Geld irgendwann in Bücher einzulösen. Als Dankeschön für solche Solidarität bereiten die Mitarbeiter nun 17 Bücherpakete im Wert von etwa 250 Euro vor, die jede Schule in Sankt Augustin erhalten soll. Und man plant Aktionen wie eine zusätzliche Stöber-Stunde vor oder nach Ladenschluss.
Die Auszeichnung
Zum sechsten Mal ist der Deutsche Buchhandlungspreis in diesem Herbst vergeben worden. Er geht an inhabergeführte Buchhandlungen mit Sitz in Deutschland, die sich durch ein literarisches Sortiment oder ein kulturelles Veranstaltungsprogramm auszeichnen. Auch innovative Geschäftsmodelle sowie die Lese- und Literaturförderung gehören zu den Kriterien.
Die Gütesiegel werden in drei dotierten und einer undotierten Kategorie vergeben. Bis zu 100 Geschäfte erhalten 7000 Euro, bis zu fünf besonders herausragende Geschäfte 15 000 Euro und die drei Besten jeweils 25 000 Euro. Bei Geschäften mit einem Jahresumsatz über einer Million Euro in den vergangenen Jahren bleibt die Auszeichnung, die bis zu zehn Buchhandlungen erhalten, undotiert. (EB)
„Buchgenuss nach Ladenschluss“, möglich in einer kleinen Freundesgruppe, hat in Ruppichteroth schon Tradition. Auch in der Krise blüht „Angelikas Büchergarten“. „So schlimm die Pandemie ist: Ich kann nur Positives berichten. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um etwa fünf Prozent gestiegen“, berichtet Inhaberin Angelika Abels. „Ich sehe viele neue Gesichter. Mancher hat nach eigenem Bekunden das Lesen für sich wieder entdeckt.“
Und was für sie neu ist: „Der Trend geht zum Hardcover, die Menschen kaufen mehr hochwertige Bücher, auch Bildbände etwa zum Thema Reisen“ – ein Trost für den ausgefallenen Urlaub.
Anstrengend wie Weihnachten
Der Lockdown sei so anstrengend wie das Weihnachtsgeschäft gewesen, sagt die Buchhändlerin. Bis in die Nacht hinein habe sie täglich telefonisch Bestellungen angenommen. „Zur Wiedereröffnung standen die Kunden dann Schlange vor dem Geschäft.“ Auch das Herbstgeschäft laufe sehr rege: „Es gibt Kunden, die decken sich regelrecht mit Büchern ein.“ Zwar ist Abels in den sozialen Medien aktiv, doch Online-Bestellungen spielten im Geschäft nur eine marginale Rolle, sagt die Buchhändlerin.
„Das Verschicken von Büchern, die online bestellt werden, ist für unseren kleinen Betrieb nicht rentabel“, bedauert Mohammad Almassi von der Buchhandlung Glomsda in Niederkassel-Mondorf. 3,70 Euro koste das Verpacken und Verschicken pro Medium. Im Lockdown habe es zudem sehr lange gedauert, bis die Post die Buchpakete auslieferte, das habe auch auf die Stimmung der Kunden gedrückt. „Aber ich habe eine große Sympathie im Dorf erfahren.“ Diese drückte sich unter anderem darin aus, dass Kunden anboten, Bücher per Fahrrad auszuliefern. Inzwischen hat das Geschäft wieder angezogen; „die Leute lesen mehr“, hat Almassi beobachtet, aber das Stöbern und Blättern in den Büchern finde nur gebremst statt. Das hänge auch von der Kundenfrequenz im Laden ab.
„Positiv in die Zukunft“ blickt Paulina Löffelholz von der Buchhandlung Krein in Neunkirchen-Seelscheid. Im Lockdown wurde nicht nur die kontaktlose Abholstation am Geschäft stark frequentiert: „Wir haben auch viel ausgeliefert, inzwischen kenne ich jeden Winkel von Neunkirchen-Seelscheid.“
Diese persönliche Beziehung zu den Kunden könne kein Online-Riese aufbauen, betont die Buchhändlerin. „In den letzten 20 Jahren hat man ja fast mitleidig auf die kleinen Buchhandlungen geschaut“, sagt Löffelholz. „Doch nun sind wir die Profiteure der Branche, weil wir uns flexibel auf die Kunden einstellen können.“ Inzwischen hat sie ihr Mitarbeiter-Team sogar von fünf auf sieben vergrößert. Lieferservice und kontaktloses Abholen werden weiter angeboten; „das ist für unsere älteren Kunden wichtig, die zur Risikogruppe gehören“.
Außer „Heile-Welt-Büchern“ gehen in der Krise auch mehr Krimis über die Ladentheke, hat Löffelholz beobachtet – und für den Lesehunger auf Spannungsliteratur auch eine Erklärung parat: „Die Story ist schrecklich, aber es gibt jemanden, nämlich den Kommissar, der die Sache im Griff hat.“ Das verschaffe Erleichterung angesichts einer realen Bedrohungslage, die man nicht kontrollieren könne. „Und am Ende der Geschichte wird alles gut.“
Das hofft die Buchhändlerin, die in der Adventszeit die Öffnungszeiten ausweiten will, auch fürs Weihnachtsgeschäft, denn traditionell erzielen die Buchhandlungen dann ein Drittel ihres Jahresumsatzes.