Harte Zeiten für den KunsthandelDrei Galeristinnen aus Rhein-Sieg im Gespräch
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Rhein-Sieg-Kreis – Harte Zeiten für den Kunsthandel: Seit Wochen geschlossen sind auch die Galerien, die ihre Ausstellungen verschieben mussten. An den Nerven der Inhaberinnen zehrt vor allem der Mangel an Planungssicherheit. Annette Schroeder hat drei von ihnen besucht.
Galerie Neuerburg
Susanne Neuerburg hat ihre letzte Ausstellung „Cherchez la femme“ inzwischen abgeräumt, den Mitte Dezember noch hoffnungsvoll angekündigten „kleinen Kunstmarkt“ musste sie absagen. Die Räume in der alten Kronos-Villa in Hennef sind nun fast leer.
„Theoretisch könnte ich mich unten an die Tür stellen und bestellte Kunstwerke dort abgeben“, meint die Galeristin. Aber der Kunsthandel sei nun einmal kein Take-away-Geschäft. „Gerade kleine Galerien leben von der persönlichen Ansprache, von den Eröffnungen und Finissagen und den den Veranstaltungen dazwischen“, sagt Neuerburg, die ihrem Publikum gern Entdeckungen ermöglicht, indem sie bevorzugt Absolventen der Kunsthochschulen vorstellt und so Trends aufspürt.
Jüngst hat sie noch Editionen aus vergangenen Ausstellungen verkauft, aber nun ruht das Geschäft. „Ich selbst würde niemals ein Kunstwerk erwerben, das ich nur im Internet gesehen habe“, sagt Susanne Neuerburg. Bei prominenten Galerien mit einer zahlungskräftigen Klientel und auch im Auktionswesen sei dies anders. „Sammler, die auf der Suche nach einem bestimmten Objekt sind, haben jetzt viel Zeit, sich gezielt Kunstwerke anzusehen.“ Doch die jungen Künstler und Künstlerinnen, die Neuerburg vertritt, bedürfen der persönlichen Vermittlung.
Was die Galeristin nun allerdings verstärkt erlebt: „Ich werde zunehmend auch von sehr bekannten Künstlern angesprochen und zu Atelierbesuchen gebeten. Auch sie sind in großer Not. Da muss ich mir dann allerdings überlegen, ob ich für die entsprechend teuren Exponate auch einen Kundenkreis habe.“ Für Neuerburg ist der finanzielle Druck noch erträglich, denn sie ist Eigentümerin der Räume in der Kronos-Villa. „Ein halbes Jahr kann ich noch durchhalten“, schätzt die Galeristin, die nun ihre nächsten Ausstellungen ins Blaue geplant hat.
Ob ab April Werke von Sebastian Fritzsch und Marco Zumbé gezeigt werden können, steht indes in den Sternen, ebenso die Präsentation von Helga Schmidhuber. Die Meisterschülerin von Albert Oehlen soll zuvor in der Hamburger Kunsthalle in einer Gruppenschau zu sehen sein, selbstverständlich rein virtuell. Dass Museumsbesuche zur Zeit nicht möglich sind und damit auch Inspirationsquellen versiegen, schmerzt Susanne Neuerburg zusätzlich, die entsprechende Reisen nach Hamburg und Frankfurt geplant hatte.
Galerie Sattelgut
Dorothée Boldt hat den Lockdown genutzt, um in ihrer Galerie Sattelgut in Neunkirchen-Seelscheid aufzuräumen. Und die Galeristin, die selbst auch Malerin ist, erhielt dafür unerwartet ein Geschenk, wie sie es nennt. „Mein Traum nach 24 Jahren ist in Erfüllung gegangen: Ich habe endlich ein eigenes Atelier.“
In den vergangenen Wochen hat sie das „Kabuff“ im ersten Stock der alten Scheune ausgeräumt, das als Lager für Bilder und Rumpelkammer diente. „Eine Freundin brachte mich auf die Idee, den 35 Quadratmeter großen Raum für mich selbst zu nutzen. Er hat Nordlicht und ist ideal zum Malen.“ Zuerst hat Boldt dort den Doppelmalkasten ins Bild gesetzt, den sie als Siebenjährige erwarb – und dafür das Geld verwendete, mit dem sie eigentlich Butter, Käse und Sahne kaufen sollte.
Doch Schelte gab es dafür nicht, im Gegenteil. Boldts Vater war der Maler Johann Josef Mertens, ihm will sie eine Ausstellung mit den letzten, abstrakten Bildern widmen. Die ist nun verschoben, aber Dorothee Boldt hat den 4. April als Eröffnungstermin fest im Blick: „Es ist der 100. Geburtstag meines Vaters.“ Der Katalog, gestaltet vom Seelscheider Will Kneutgen, ist schon auf der Website der Galerie einzusehen. Undenkbar, solche und andere Arbeiten online zu handeln. „Ein Foto gibt die Farbechtheit und die Strukturen nicht wieder. Ein Katalog ersetzt ja auch nicht den Museumsbesuch.“
Boldt ist froh, dass die Abschlagszahlungen der Landes-Corona-Hilfe für November und Dezember eingetroffen sind. „Jetzt kann ich die Füllung für den Gastank bezahlen.“ Die Natur rings um die Galerie gebe ihr Kraft, für den Skulpturenwald hat sie schon neuen Pläne, etwa eine Hecke aus Totholz, die zahlreichen Tieren Unterschlupf gibt.
Galerie Sassen
Luzia Sassen vermisst „die Kommunikation und den direkten Austausch mit den Kunstinteressierten“. Ihre aktuelle Gruppenausstellung, die sie Mitte Januar noch aufgebaut hat, ist nur durch die Fenster des alten Kelterhauses in Hennef-Blankenberg zu sehen.
Einzelne Kunden bestellen per Telefon oder im Internet per „Click and collect“ Kunstwerke, die Luzia Sassen dann per Post verschickt oder – im Falle größerer Formate – selbst anliefert und vor die Tür stellt. „So lange das Geschäft so läuft, geht es weiter mit der Galerie. Mein Vermieter ist mir außerdem entgegengekommen, dafür bin ich sehr dankbar.“
Der Online-Handel nehme insgesamt zu, sei aber kein Ersatz für eine Kaufentscheidung, die nach der körperlichen Begegnung mit dem Objekt getroffen werde. Die Galeristin nutzt digitale Plattformen als „wunderbare Unterstützung der Information und als Mittel, um im Gespräch zu bleiben“. Neue Künstlerinnen für die Galerie, wie etwa die Kölnerin Christine Kassing, gewinnt sie durch die Kontakte per Skype oder Zoom, wenn Besuche im Atelier nicht möglich sind. „Da vertraue ich auf meine Vorstellungskraft, dass mich die Bilder dann tatsächlich begeistern werden.“
Ein Lichtblick für Luzia Sassen: Über das Programm „Neustart Kultur“ des Bundes hat sie eine Projektförderung bekommen. „Ich möchte für meine Galerie eine App, die einen virtuellen Rundgang durch die aktuelle Ausstellung ermöglicht, inklusive Künstlerbiografien und Preisen.“ Ein junges Kölner Start-up-Unternehmen entwickelt gerade diese digitale Anwendung. Hoffnungsvoll blickt Sassen auch dem Sommer entgegen: Dann will sie mit verschiedenen Künstlern eine Hommage an Joseph Beuys inszenieren.