Nach der Entscheidung für eine Tunnel-Lösung für die Rheinspange 553 könnte es zu einer Klage kommen. Wir haben mit Gegnern und Befürwortern gesprochen.
„Desaster“ bis „verhinderter Super-GAU“Hitzige Diskussionen nach Rheinspangen-Entscheidung
„Ein Desaster“ nennt Achim Baumgartner, Sprecher des BUND Rhein-Sieg, die Planung. Die Eingriffe in den Raum blieben „katastrophal hoch“, erklärte er, ohne dass die planerischen Ziele wie eine Beschleunigung des Verkehrsflusses erreicht würden: Ein neuer Autobahnanschluss kurz vor dem Anschluss Köln–Lind stoppe vielmehr den Verkehrsfluss auf der A59 „wirkungsvoll“.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung habe, so Baumgartner, für alle Varianten der Rheinspange „eine extrem hohe Störung der verschiedenen Schutzgüter“ belegt; dennoch sei die Planung nicht eingestellt worden. Stattdessen sollten weiterhin „die Interessen der Industrie bedient werden“ – die Industrie- und Handelskammer habe das Projekt „wesentlich angeschoben und massiv beworben.“
Der Bau einer Anschlussstelle zwischen Libur und Uckendorf ergebe sich nicht aus dem Bundesverkehrswegeplan, könne daher nicht Gegenstand einer Linienbestimmung für die Trasse sein. Überdies führe eine Anschlussstelle dort zu einer „völligen Umkehrung der lokalen Verkehrsflüsse“ und einer massiven zusätzlichen Verkehrsbelastung der umliegenden Orte. Enorme Konflikte mit dem Schutz von Vögeln, Amphibien und Fledermäusen sieht Achim Baumgartner an den Spicher Seen.
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Folgen für die Sanierung der Bonner Nordbrücke und der Rodenkirchener Brücke?
„Aus der Zeit gefallen“ nennt der Grüne Rolf Beu, große Autobahnprojekte „in Anbetracht von Klimaschutz und notwendiger Verkehrswende“. Auch für einen Tunnel würden Böden versiegelt und die Menschen der Region nicht nur in der langen Bauzeit belastet, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Regionalrat bei der Bezirksregierung Köln und Verkehrspolitische Sprecher der Ratsfraktion Bonn.
In 15, eher 20 Jahren werde das Bauwerk fertig sein – und so lange müssten wohl die Sanierung der Bonner Nordbrücke wie der Rodenkirchener Brücke warten, für die die Autobahn GmbH die neue Rheinquerung als Ausweichrouten wünsche. Überdies, so Beu, ließen sich für die Baukosten von mehr als einer Milliarde Euro fast alle ÖPNV-Projekte der Region auf einmal finanzieren
Freie Wähler sehen sich „mehr als bestätigt“
„Mehr als bestätigt“ sieht sich und seine Partei Torsten Ilg, der 1. Vorsitzende der Partei Freie Wähler in der Bezirksvereinigung Mittelrhein. Die Autobahn GmbH habe entschieden, dass die von den Freien Wählern „seit Jahren“ geforderte Variante mit dem Tunnel zwischen Wesseling und Niederkassel umgesetzt werde. „Nach diesem Erfolg“, erklärte Ilg, werde man nun eine zweite Forderung verfolgen: Den Erhalt der Rodenkirchener Brücke und deren Lösung von der A4. Die Rodenkirchener Brücke solle nach dem Bau der Rheinspange nur noch dem regionalen Berufsverkehr und einer ÖPNV-Verbindung zur Verfügung stehen.
Für die CDU-Fraktion im Niederkasseler Stadtrat begrüßte der Vorsitzende Marcus Kitz die Entscheidung. „Nur so lässt sich in unserer dicht besiedelten Region eine für Mensch und Natur akzeptable Rheinquerung realisieren“, teilte er mit. Deshalb hätten CDU und FDP auch vor zwei Jahren im Stadtrat eine Resolution gegen eine Brücke und für einen Tunnel verabschiedet. „Trotz der Eingriffe“ sei die gewählte Variante mit Anschluss an die Umgehungsstraße L82n zwischen Niederkassel und Libur die verträglichste: „Innerörtliche Verkehre können aus fast allen Stadtteilen auf direktem Weg auf die Umgehungsstraße und über die neue Anschlussstelle auf die Rheinspange und die verbundenen A59 und A555 gelangen.“
Die vorhandenen FFH-Gebiete in Lülsdorf/Langel, Niederkassel oder Rheidt würden nicht überbaut und gestört. Im weiteren Verfahren müsse nun die Stadt Niederkassel darauf dringen, dass die A553 zwischen dem Tunnelmund und dem Anschluss an die Flughafenautobahn in einem Trog geführt werde. Eine tiefergelegte Trasse sei optisch und akustisch weniger belastend für die Umgebung.
„Super-GAU“ des Baus einer „Megabrücke“ verhindert
„Grüne Mindestanforderungen“ sieht die Fraktion der Grünen im Kreistag erfüllt. Der Bau einer weiteren Autobahnbrücke über den Rhein sei nun „definitiv vom Tisch“. Ob die Tunnellösung baulich wie ökologisch machbar und vertretbar ist, müsse sich jetzt im weiteren Verfahren zeigen. Man werde das „konstruktiv begleiten und bewerten“.
Vor allem aber wollten die Kreistags-Grünen sich dafür einsetzen, dass der Bau der rechtsrheinischen Stadtbahn mit einer Rheinquerung auch für Fußgänger und Radfahrer südlich von Langel zügig vorangetrieben werde, teilten sie mit. Für eine Mobilitätswende sei diese Stadtbahn „der erheblich wichtigere Beitrag.“
Der Bund solle „sehr kritisch prüfen, ob das Projekt überhaupt weiterverfolgt werden soll“, sagte der Landtagsabgeordnete Martin Metz (Grüne) aus Sankt Augustin mit Blick auf den Bundesstraßenbedarfsplan und das Erreichen der Klimaziele auch im Verkehrssektor. Auch ein Tunnel bringe in der gewählten Variante „zusätzliche Belastungen auf den bereits belasteten Autobahnen im Umkreis und im lokalen Straßennetz“. Statt in den teuren Neubau sollte die Autobahn GmbH ihre Mittel vor allem in die Sanierung maroder Brücken und Tunnel im Bestand stecken.
Von „wichtigen Teilerfolgen“ spricht Gerhart Renner, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltverträgliche VerkehrsInfrastruktur Niederkassel und der Vernetzung der Kölner und Niederkasseler Bürgerinitiativen. Zwar sei es nicht gelungen, die Rheinspange 553 zu verhindern, so habe man doch den „Super-GAU“ des Baus einer „Megabrücke“ verhindern können.
Eine solche hätte ein Retentionsbecken durchschnitten, die Zerstörung des Auenwaldes, eines Natur- und Wasserschutzgebietes zur Folge gehabt, erklärte Renner. Man habe das „unter diesen Umständen Maximale für die Einwohnerschaft herausgeholt.“ Den „Kampf um eine vielleicht doch noch mögliche Nulllösung“ will Renner aber noch nicht aufgeben, der andere Bürgerinitiativen und einzelne Bürger zum Mitmachen aufruft.
Troisdorfer Bürgermeister Biber: Tunnel-Lösung ist „logisch und nachvollziehbar“
„Wir sind sehr erleichtert, dass es zu einer Tunnellösung kommt“, reagierte Niederkassels Bürgermeister Stephan Vehreschild auf die Entscheidung. „Dafür haben wir von Anfang an gekämpft“, so der Christdemokrat, auch wenn Kritiker das als blauäugig bezeichnet hätten.
Die nun gewählte Trassenführung sei auch der Favorit der Stadt gewesen. „Sie ist die kürzeste und verbraucht die geringste Fläche, da sie auf vorhandene Infrastruktur aufsetzt.“ Grundsätzlich habe sich Niederkassel stets für den Bau einer zusätzlichen Rheinquerung ausgesprochen, sie sei „extrem wichtig“ für die Gesamtwirtschaft der Stadt.
Für Matthias Großgarten, den Vorsitzenden der Niederkasseler SPD, kommt die Entscheidung „wenig überraschend.“ Die Tunnellösung scheine „das Geringste aller Übel“ zu sein. Dennoch stelle die SPD die Notwendigkeit des Projekts nach wie vor grundsätzlich infrage. Dass die angestrebte Verkehrsentlastung so erreicht werden könne, ziehen Großgarten und die SPD in Zweifel. Der Vorsitzende sieht aber auch Positives in der Entscheidung: Die gewählte Trasse erlaube es, das Stadtbahnprojekt im Norden fortzusetzen, „ohne dass wir auf Autobahnplanungen warten müssen.“
„Logisch und nachvollziehbar“ sind für den Troisdorfer Bürgermeister Alexander Biber (CDU) die Gründe für die Wahl der Variante 6aT.Er halte sie „nach Abwägung aller umweltfachlichen, verkehrlichen und wirtschaftlichen Faktoren“ für die Variante mit den wenigsten Konflikten.
Der geplante Autobahnanschluss im Gebiet der Spicher Seen sei die Lösung, die die Menschen in Troisdorf „geringstmöglich“ belaste. Auch auf Pflanzen und Biotope, Fläche, Wasser und Landschaft habe sie besonders geringe Auswirkungen. Biber zeigte sich „froh, dass damit die südlichen Trassenführungen in unmittelbarer Nähe zur Ortschaft Kriegsdorf endgültig vom Tisch sind.“
Wesseling behält sich rechtliche Schritte gegen Rheinspangen-Pläne vor
Die Stadt Wesseling hingegen sieht sich als Verliererin der bekannt gegebenen Vorzugsvariante für die Rheinspange 553. Auch mit einer Tunnellösung sei eine Zerschneidung des Ortsteils Urfeld nicht vom Tisch. „Denn ein Autobahn-Dreieck Urfeld zwischen der Waldsiedlung und dem Tanklager der Firma Shell als Anschluss der Rheinspange an die A555 wäre ein riesiger Eingriff in den Ortsteil“, kritisiert Bürgermeister Ralph Manzke (SPD).
Zudem wolle die Autobahn GmbH die Anschlussstelle Wesseling an die A555 ein Stück in Richtung Bornheim verschieben. Auf Wesselinger Stadtgebiet befände sich dann keine Anschlussstelle der A555 mehr. Die Konsequenz: Der Verkehr aus Wesseling hinaus oder nach Wesseling hinein würde von den Anschlussstellen in Köln-Godorf und Bornheim ausschließlich durch Wesselinger Stadtgebiet führen, sagt Manzke. Seine Stadt wäre doppelt benachteiligt. Wesseling behalte sich rechtliche Schritte gegen die Entscheidung vor.
Manfred Rothermund: „Nicht so schlimm, wie es für Urfeld hätte kommen können“
Manfred Rothermund (CDU), Ortsbürgermeister von Urfeld, war ursprünglich für eine Rheinspange, die in Godorf an die A555 anschließt und dann über den Rhein führt. „Dort ist es verkehrstechnisch am sinnvollsten.“ Eine Rheinspange in Urfeld gefällt ihm grundsätzlich nicht, doch die Entscheidung, die nun verkündet wurde, sei „nicht so schlimm, wie es für Urfeld hätte kommen können“, findet er.
Eine Tunnellage sei halbwegs verträglich. Dennoch werde man sich den geplanten Verlauf der neuen Straßenverbindung genau ansehen, auch im Hinblick auf geplante Schallschutzmaßnahmen. „Der Verkehr wird ja dann zu uns nach Urfeld verlagert, und wir werden viel mehr Lärm im Ort haben.“
Detlef Seif sieht Rheinquerung schon jetzt gefährdet
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif, zu dessen Wahlkreis Wesseling gehört, begrüßt die Tunnellösung, sieht das Gesamtprojekt aber gefährdet. Seif sagt: „Eine Brücke auf Höhe von Wesseling-Urfeld wäre für die Menschen vor Ort eine Katastrophe gewesen. Das ist zum Glück vom Tisch.“ Er rechne aber mit dem Versuch, die Rheinquerung noch gänzlich zu verhindern, so Seif weiter. „Menschen wie Oliver Krischer, der Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, wollen derartige Neubauprojekte aus ideologischen Gründen verhindern. Bei dem Projekt liegen Planung und Bauausführung zwar beim Bund und der Bundesautobahn GmbH. Es gibt aber vielfältige Möglichkeiten, das Projekt zu torpedieren“, führt Seif aus.
Die Bundesregierung in Berlin stelle zurzeit die Projekte des Bundesverkehrswegeplans infrage. Krischer wirke dabei mit. „Den Politikern der FDP und der SPD nehme ich sogar ab, dass sie an dem zügigen Bau der Rheinquerung ein Interesse haben“, sagt Detlef Seif. „Die Koalitionspartner merken aber nicht, dass die Grünen sie beim Koalitionsvertrag über den Tisch gezogen haben und auch das Projekt Rheinquerung tatsächlich gefährdet ist.“
Landrat Frank Rock (CDU) sagt, dass er seine Erwartungen in Bezug auf den Trassenverlauf schwer enttäuscht sehe. „Ich bin mir aber sicher, dass die Region auch weiter zu dieser wichtigen Querverbindung über den Rhein steht.“
Die Tunnellösung vermeide größere Beeinträchtigungen in Rheinnähe, das neue Autobahndreieck Urfeld führe aber zu einer Belastung der Waldsiedlung in Wesseling und des zukunftsweisenden Energy Campus Projektes der Shell AG. Der Vorzugsvariante könne deshalb nur dann zugestimmt werden, wenn die berechtigten Interessen der Wesselinger Bevölkerung noch Eingang finden.
Nach Auffassung der Grünen in Wesseling ist die Entscheidung der Autobahn GmbH nicht mehr zeitgemäß. Die Verkehrswende werde so nicht gelingen. Priorität müsse die Sanierung der bestehenden Verkehrswege und insbesondere der vorhandenen Brücken haben, sagt Elmar Gillet von den Wesselinger Grünen. Für Wesseling räche sich nun die lange Zeit betriebene Politik nach dem Motto „Rheinquerung gerne – aber nicht bei uns“.
Eine Umsetzung der nun vorgeschlagenen Lösung würde für Wesseling laut Gillet erhebliche Auswirkungen haben, die Grundsätze der Stadtentwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte würden infrage stellt. Seit den 1990er Jahren verfolge man die Realisierung eines Grüngürtels. Teile dieses vor 20 Jahren angelegten Grüngürtels müssten für die Rheinspange abgeholzt werden, Erweiterungsmöglichkeiten würden entfallen. Die Entwertung und Abtrennung des Ortsteiles Urfeld sei ebenso ein herber Verlust von Lebensqualität.