Die CDU ereilt das Schicksal jener Parteien, die zu lange am Ruder sind: Der Hang zur Selbstgefälligkeit ist aber riskant, findet Jörn Tüffers.
KommentarWarum die CDU im Rhein-Erft-Kreis nervös wird
Manche Menschen drängt es nicht in die Öffentlichkeit. Nicht jeder ist dafür gemacht, sich auf eine Bühne zu stellen und ohne Manuskript einen fesselnden Vortrag zu halten; nicht jeder sieht seine Bestimmung darin, klar strukturierte Sätze in Mikrofone zu sprechen, die sich vor ihm aufbauen. Und nicht jeder hat es gerne, wenn Medienvertreter über seine Veranstaltung berichten möchten, um die Öffentlichkeit zu informieren. Wenn derjenige an exponierter Stelle einer Partei steht, kann das problematisch sein – auch auf kommunaler Ebene.
Darüber war ja kürzlich schon an dieser Stelle die Rede: Die CDU Kerpen hatte diese Redaktion von ihrer Mitgliederversammlung ausgeschlossen, in der ein Bürgermeisterkandidat und Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat und den Kreistag gewählt wurden. Die vom Fraktionsvorsitzenden Klaus Ripp zugesagte Pressemitteilung ist bis heute nicht eingegangen. Das trifft auf eine Stellungnahme der CDU zu der aufgeheizten Debatte in der Kolpingstadt um Steuererhöhungen für Hausbesitzer in dieser Woche ebenfalls zu.
Sprecher der Kreisverwaltung mochte Öffentlichkeit nicht informieren
Nun, vielleicht möchten die Christdemokraten die Bürgerinnen und Bürgern gar nicht wissen lassen, wofür sie stehen. Und wundern sich dann aber darüber, dass sie allein für das schmerzhafte Drehen an der Steuerschraube verantwortlich gemacht werden – so wie es vielerorts in Kerpen zu hören ist.
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Auch an anderer Stelle mehren sich Fälle, in denen der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden sollen, gleichwohl von behördlicher Seite – was das Ganze noch einmal in einem anderen, düstereren Licht erscheinen lässt: Da sperrte sich der Sprecher der Kreisverwaltung in Bergheim zu Wochenbeginn dagegen, mitzuteilen, welche Kandidaten der Kreiswahlausschuss zur Bundestagswahl zugelassen hat. Und zwar mit der Begründung, dass Tage später auf Landesebene noch über mögliche Beschwerden gegen die Zulassung von Bewerbern entschieden werde.
Nach dem Austausch mehrerer E-Mails mit dem Hinweis, dass die Kreisverwaltung der Öffentlichkeit diese wichtige Information nicht vorenthalten darf, gaben Landrat Frank Rock und Kreisdirektor Michael Vogel (beide CDU) die Namen der acht Direktkandidaten für die Bundestagswahl heraus. Das hatten im Übrigen die Verwaltungen im Kreis Euskirchen, im Rheinisch-Bergischen Kreis und anderswo bereits zeitnah getan.
Kerpen und Bergheim – die Begebenheiten dort bestätigen eine oft gewonnene Erkenntnis: Es geht selten gut, wenn Parteien zu lange und zu unangefochten die Geschicke in Rathäusern oder eben in der Kreisverwaltung lenken dürfen. Aus dem völlig unangebrachten Gefühl, über alles und jedes entscheiden zu können, erwächst der Irrglaube, sich nicht mit anderen Standpunkten, Interessen und Positionen auseinander setzen zu müssen. Einfacher gesagt: Es macht sich Ignoranz breit. So agieren CDU-Vertreter im Rhein-Erft-Kreis derzeit in gehäuftem Maße.
Langjährig führender CDU-Mann gerät zunehmend in Fokus der Ermittler
Vielleicht aber ist es auch (nur) das Pfeifen im Walde. Wurde doch in dieser Woche durch Recherchen dieser Zeitung öffentlich, dass ein langjährig führender CDU-Politiker nach Erkenntnissen der Ermittler offenbar tiefer in die Affäre um ein Netzwerk von Geschäftsleuten und Politikern verstrickt ist, die vornehmlich wohlhabenden Chinesen zu illegalen Aufenthaltstiteln in Deutschland verholfen haben sollen. Abgehörte Telefongespräch des Mannes sollen belegen, dass er seine Kontakte nach Berlin und auch in die Kreisverwaltung habe nutzen wollen, um die Drahtzieher vor einer bevorstehenden Razzia zu warnen. Das soll ihm nicht gelungen sein.
Alles hat seine Grenzen.