Die beiden Freundinnen stürzten bei einer Fahrradtour einen Hang hinab. Was nach einem Versicherungsfall aussah, endete schließlich vor Gericht.
Hang hinabgestürztVerletzte 61-Jährige verlangt 40.000 Euro Schadensersatz von ihrer Freundin

Bei einer Fahrradtour stürzten zwei Freundinnen einen drei Meter tiefen Abhang hinunter. Eine verletzte sich dabei schwer. (Symbolbild)
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Viele Jahre bereits hatten sich die befreundeten Eheleute aus Bayern und aus einem Dorf in der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid zu Fahrradtouren verabredet. Im Jahr 2022 wollten sie mit ihren E-Bikes den Weser-Radweg erkunden.
Zur Mittagszeit des 15. August – zwischen Höxter und Hameln – jedoch passierte ein Unglück, das alles veränderte: Als eine der beiden Frauen vom asphaltierten Radweg abkam, verlor sie beim Gegenlenken das Gleichgewicht und touchierte das Fahrrad der neben ihr fahrenden Freundin. Durch die Kollision kamen beide Frauen ins Schlingern und stürzten drei Meter den Abhang zur Weser herunter.
Sturz bei Fahrradtour: Finger sind teilweise heute noch taub
Während der Sturz für eine der Frauen glimpflich ausging, fiel die 61-jährige Freundin auf ihren linken Arm, der mit ausgekugeltem Ellenbogen, Brüchen des Handgelenks sowie Bänder- und Sehnenrissen massiv verletzt wurde. Es folgten zahlreiche Operationen, aber der Arm ließ sich nicht mehr komplett richten. Wegen posttraumatischer Nervenschäden sind einige Finger heute noch taub, die Hand ist nur eingeschränkt beweglich. Die 61-Jährige jedenfalls konnte nicht mehr zurück in ihren Job.
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Der folgenschwere Unfall landete jetzt vor der 9. Zivilkammer des Bonner Landgerichts: Knapp 40.000 Euro hatte die geschädigte Radlerin aus Bayern von der Haftpflichtversicherung der Freundin gefordert. Darunter 25.000 Euro Schmerzensgeld, 12.000 Euro Verdienstausfall sowie 3300 Euro Schadensersatz für das kaputte Fahrrad, das Trikot, den Hotelaufenthalt des Ehemannes sowie Taxifahrten.
Versicherung bestritt plötzlich den Kollisionshergang
12.000 Euro zahlte die Haftpflicht daraufhin zunächst klaglos und erkannte auch an, dass ihre Versicherungsnehmerin den Unfall verschuldet hatte. Dann aber war der Versicherung der Fahrradunfall wohl zu teuer, sie machte argumentativ eine Wende, bestritt schlichtweg den Kollisionshergang – und forderte ihre Versicherungsnehmerin sogar auf, sich von der geschädigten Freundin verklagen zu lassen.
Der 61-Jährigen blieb auch nichts anderes übrig, als den Weg übers Gericht zu gehen: So trafen sich die beiden Frauen jetzt im Bonner Gerichtsaal wieder – und staunten, als es in der Widerklage der Haftpflicht hieß, die Klägerin sei „urplötzlich und nicht vorhersehbar gestürzt, da sie unkonzentriert gewesen war“.
Richterin empört über Verhalten der Versicherung: „Das geht gar nicht!“
Berührt hätten die beiden Radlerinnen sich nicht. So mussten die Frauen im Gütetermin den Unfall erneut erzählen: Beide schilderten den Vorgang identisch. Daraufhin reagierte die Kammervorsitzende Heike Jürgens fassungslos auf das für sie unseriöse Verhalten der Versicherung: „Das geht gar nicht!“, stellte die Richterin klar. Man habe „offensichtlich nicht hinreichend Rücksprache mit der Versicherungsnehmerin getroffen“. Da es keinerlei Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Klägerin gebe, so die richterliche Schlussfolgerung, habe sie auch einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Allerdings wurde die Klagesumme etwas heruntergerechnet, vor allem die Länge des Verdienstausfalls über anderthalb Jahre müsse gutachterlich nachgeprüft werden; das geforderte Schmerzensgeld wie auch die angegebenen Schadensposten hingegen seien plausibel.
Nachdem auch die Anwältin der beklagten Haftpflichtversicherung im Termin erklärt hatte, dass man deren realitätsfernen Vortrag nicht aufrechterhalten werde, schlug die Kammervorsitzende einen Vergleich vor, der von den Parteien sofort akzeptiert wurde. So zahlt die beklagte Versicherung weitere 23.000 Euro an die Klägerin, womit sämtliche, auch zukünftige Ansprüche erledigt wären.
Die beiden Frauen jedoch machten – trotz des gütlichen Ausgangs – einen distanzierten Eindruck: Vor allem das Verhalten der Versicherung, so hat es einer der Ehemänner im Publikum nickend bestätigt, war für die einstigen Radlerfreunde sehr belastend.