Neunkirchen-Seelscheid – Der „Erlaubnißschein einer Gast- und Schenkwirthschaft“ vom 24. November 1871 hängt an der Theke unterhalb des Tresens hinter einer Glasscheibe. Über das genaue Datum einer feierlichen Eröffnung im Jahr darauf gibt es leider kein Dokument. Fest steht jedenfalls, dass das Landgasthaus Herchenbach im kleinen Ortsteil Eischeid der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid auf eine lange Tradition zurückblicken kann.
Seit 150 Jahren betreibt die Familie Herchenbach das Gasthaus, mittlerweile in fünfter Generation. Und die sechste soll bald folgen. Andreas Herchenbach beschreibt das Landgasthaus als „Gastronomie für jedermann“.
Die Angebote sind vielfältiger Art. Vom beliebten und über die Region bekannten Adventuregolf bis zum wunderbaren Biergarten mit Blick auf das Siebengebirge, Essen à la carte oder große und kleine Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmenfeiern – der 52-jährige Inhaber ist ein Vollblutgastronom und auf die Frage nach den Höhepunkten antwortet er: „Die Entwicklung ist für mich das Highlight.“
Begonnen hat alles mit Heinrich Wilhelm Herchenbach, Ackerer und Bäcker von Beruf, der sich als 27-Jähriger als Soldat im 8. Preußischen Jägerregiment bei der Eroberung von Paris Verdienste erwarb und gegenüber seinen Vorgesetzten eine Konzession für eine Gaststätte erbat, die sie auch erteilten.
Sein Sohn Josef Herchenbach übernahm 1910. Er eröffnete zusätzlich ein Geschäft, einen etwas größeren Tante-Emma-Laden, der bis 1970 Bestand hatte. In der dritten Generation war nach dem Krieg Josef Herchenbach junior der Chef und nach seinem Tod 1966 folgte der heutige Senior-Chef Hermann-Josef Herchenbach (82). Mit seiner Frau Erika (79) hat er jahrelang die Geschicke des Landgasthaus Herchenbach gesteuert. Die beiden haben vier Kinder.
Der Lebensmittelladen wurde zu zusätzlichen Gasträumen umgewandelte, 1973 entstand die Kegelbahn. Der Saal im ersten Obergeschoss wurde ausgebaut und fasst heute bis zu 200 Personen. Dort richtete man neue Toiletten ein und einen weiteren Aufgang.Andreas Herchenbach ist selbst beeindruckt von der 150-jährigen Familiengeschichte. Er hat eigens zwei große Banner anfertigen lassen, die im Biergarten und vor dem Eingang des alten Fachwerkhauses hängen. In einer achtseitigen Festzeitschrift hat er alte Geschichten, Bilder und Zeitungsartikel zusammengetragen.
150 Setzlinge spendiert
Auf große Feierlichkeiten zum 150-jährigen Bestehen des Landgasthauses Herchenbach verzichtet die Betreiberfamilie. „Wir leben in einer anderen Zeit“, sagt Andreas Herchenbach. Er erinnert sich noch genau an die 125-Jahr-Feier und auch zum 100-jährigen Bestehen gab es über zwei Tage Tanz, Platzkonzert und Frühschoppen.
Statt eines Fests hat der Gastronom zum aktuellen Jubiläum 150 Baumsetzlinge gestiftet, die Schüler des Antoniuskollegs in Neunkirchen-Seelscheid schon Anfang Mai im Eitorfer Wald einpflanzten. (que)
„Es gibt so viele Anekdoten, die ich hier seit meiner Übernahme 1997 erlebt habe. Leider habe ich es verpasst, sie alle aufzuschreiben“, erzählt der vierfache Vater, der mit der Familie fußläufig zum Landgasthaus wohnt. Seine Frau Berit und die meisten der vier Kinder Laura (23), Luca (21), Jule (19) und Merle (17) sind in die Arbeitsabläufe eingebunden.
Mit Angestellten und Aushilfen kommt Herchenbach auf 40 Personen, die den Betrieb aufrecht erhalten. „Sechs Angestellte sind aus der Familie“, betont der gelernte Koch, der seine Lehre in der Winterscheider Mühle absolvierte und im Rheinhotel Dreesen in Bad Godesberg und auch im Maritim in Bonn gearbeitet hat.
Den elterlichen Betrieb führt er seit 25 Jahren, seine älteren Schwestern hatten nicht so das Interesse und sein jüngerer Brüder war Mit-Inhaber in den Jahren 2002 bis 2011. 2005 eröffneten sie die Adventuregolf-Anlage, eine Art 18-Feld-Naturgolf über Stock und Stein gleich neben dem Biergarten.
Andreas Herchenbach denkt noch lange nicht ans Aufhören, aber der Familientradition entsprechend möchte er gerne den Betrieb so führen und weiter entwickeln, dass die nächste Generation eine Chance hat. Das scheint ihm wohl gelungen zu sein, denn seine älteste Tochter, die als gelernte Hotelfachfrau derzeit im Schloss Elmau arbeitet, hat Interesse bekundet, im Jahr 2023 einzusteigen. Dann wäre die sechste Generation und wahrscheinlich weitere zwei bis drei Jahrzehnte des Landgasthaus Herchenbach gesichert.