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StadtwerkeUmbau der Hürther Fernwärmeversorgung wird teurer

Lesezeit 4 Minuten

Die Fernwärme für Hürth soll künftig größtenteils aus der Rußfabrik Orion an der Stadtgrenze zu Kalscheuren kommen. Der Umbau verzögert sich jedoch.

  1. Die Kosten für den Umbau der Hürther Fernwärmeversorgung werden deutlich höher als geplant.
  2. Die Kölner Orion Rußfabrik soll größter Lieferant der Fernwärme werden.
  3. Für die Kunden soll die Kostensteigerung des Umbaus nicht zu höheren Fernwärmepreisen führen.

Hürth – Der Umbau der Hürther Fernwärmeversorgung wird deutlich teurer als geplant. Der Löwenanteil der Wärme für die 7000 angeschlossenen Privathaushalte und Gewerbebetriebe soll künftig nicht mehr vom Energiekonzern RWE aus dem Goldenbergkraftwerk auf dem Knapsacker Hügel geliefert werden, sondern aus Abwärme der Rußfabrik Orion in Köln-Rondorf an der Stadtgrenze zu Kalscheuren stammen.

RWE hatte kräftige Preiserhöhungen angekündigt

Doch bei der Umrüstung der Industrieanlage laufen den Stadtwerken die Kosten davon: Statt der einmal veranschlagten 42 Millionen Euro für das gesamte Projekt geht der Vorstand inzwischen von 60 Millionen aus.

Den Beschluss, die Fernwärmeversorgung auf neue Beine zu stellen, hat der mit Kommunalpolitikern besetzte Verwaltungsrat der Stadtwerke Ende 2015 gefasst. RWE habe damals kräftige Preiserhöhungen für die Fernwärme angekündigt, erinnert sich Stadtwerkevorstand Dirk Ahrens-Salzsieder: „Die Gestehungskosten hätten sich mehr als verdoppelt.“ Außerdem habe der Energiekonzern nur noch Dreijahresverträge abschließen wollen.

Wärmespeicher als puffer

Bei der KWK-Anlage in der Rußfabrik von Orion sind den Stadtwerken die Kosten davongelaufen: Statt der ursprünglich einmal veranschlagten 30 Millionen Euro für Maschinenhaus, Turbinen und Trafos werden die Investitionskosten mittlerweile auf gut 48 Millionen Euro beziffert.

Eine Punktlandung legten die Stadtwerke bei den anderen Komponenten hin. Rund sieben Millionen Euro kostete ein Wärmespeicher am alten Klärwerk in Hermülheim, der als Puffer dient. Für rund fünf Millionen Euro wurden vier Kilometer Rohrleitung von Orion zum Wärmespeicher gelegt. (aen)

Um Preissprünge für die Fernwärmekunden zu vermeiden und die Versorgung langfristig zu sichern, setzten die Stadtwerke auf die „Schwätz“ – so nennt der Volksmund die Rußfabrik –, die zuvor schon einen kleinen Anteil ins Fernwärmenetz eingespeist hat. Künftig sollen 80 Prozent der Fernwärme von Orion kommen. Im Januar 2017 wurde ein Vertrag über 20 Jahre geschlossen.

Aufrüstung nötig

Doch damit die Industrieabwärme genutzt werden kann, muss die Anlage, mit der Orion zuvor nur Strom für den Eigenbedarf erzeugt hat, technisch erheblich aufgerüstet werden. Unter anderem werden zwei große Turbinen benötigt, mit denen bei der Verbrennung von Gasen, die in der Rußproduktion entstehen, neben elektrischer Energie auch Wärme gewonnen werden kann. Der Vertrag sieht vor, dass die Stadtwerke die Anlage errichten und dann an Orion verpachten. Baubeginn war im Frühsommer 2017.

Doch zuletzt bereitete der Umbau der Fernwärme den Kommunalpolitikern im Verwaltungsrat der Stadtwerke einige Kopfschmerzen. Immer wieder musste Stadtwerke-Vorstand Ahrens-Salzsieder bei den Sitzungen des Aufsichtsgremiums die Investitionskosten nach oben korrigieren.

Ein Grund dafür sei, dass die erste Kostenschätzung noch auf der Vorplanung beruht habe. Eine große Rolle bei der Kostensteigerung habe der Zeitdruck gespielt: „Die Planungen waren teilweise mit heißer Nadel gestrickt“, räumt Ahrens-Salzsieder ein. So hätten auch Aufträge zum Bau bereits vergeben werden müssen, bevor die Ausführungsplanung vorgelegen habe.

Gesetzesänderung als Problem

Unter weiteren Zeitdruck gerieten die Stadtwerke durch Änderungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und beim Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Demnach gilt die Befreiung von der EEG-Umlage nur noch für Bestandsanlagen, die vor 2018 in Betrieb gegangen sind.

Weil das das sogenannte Eigenstromprivileg für die Nutzung selbst erzeugter Energie eine wichtige Grundlage für die Wirtschaftlichkeit der Anlage ist, mussten die Stadtwerke den Bauzeitenplan umwerfen und kurzerhand eine Turbine zunächst mit einigem Aufwand provisorisch installieren.

Höhere Kosten haben mehrere Gründe

Eine Notarin hielt Ende 2017 amtlich fest, dass sich die Turbine für wenige Stunden gedreht und der Generator Strom erzeugt hat, dann wurden die Hochdruckleitungen zunächst wieder abgeklemmt, damit weitergebaut werden konnte. Auch ein Trafo musste früher als geplant eingebaut werden.

Weitere Kosten seien durch den schwierigen Baugrund, durch die Lage der Baustelle mitten in einem laufenden Chemiewerk und durch allgemein gestiegene Baukosten entstanden. Der Mehrheit im Verwaltungsrat reichen die Erklärungen indes nicht aus.

Kunden sollen nicht belastet werden

Das Gremium hat einen Gutachter mit einer Sonderprüfung des Projekts beauftragt. Das Ergebnis steht noch aus, darüber soll bei einer Sondersitzung des Verwaltungsrats am 10. September beraten werden.

Neben dem Kostenplan konnte auch der Zeitplan nicht eingehalten werden. Ursprünglich sollte die Anlage bereits in Betrieb sein. Nun werden Turbinen und Generatoren nach Stadtwerke-Angaben im November den Probebetrieb aufnehmen.

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Für die Kunden soll die Kostensteigerung beim Bau der KWK-Anlage nicht zu höheren Fernwärmepreisen führen, plant Ahrens-Salzsieder. Denn die Fernwärme aus der „Schwätz“ sei trotz der Millionen-Investition immer noch deutlich günstiger. Unklar ist aber noch, zu welchen Konditionen die Stadtwerke die restlichen 20 Prozent an Wärme einkaufen können, darüber laufen Verhandlungen mit RWE als einzigem verbliebenen Anbieter.