Monatelang haben die Fraktionen beraten: Es ergebe keinen Sinn, den Ex-Formel-1-Weltmeister zu ehren. Die Stadt habe ja nicht einmal eine Ehrenordnung.
Bruder Ralf ist ratlosKerpener Politiker wollen Michael Schumacher nicht als Ehrenbürger
Die Politik in Kerpen hat sich dagegen ausgesprochen, Michael Schumacher zum Ehrenbürger ihrer Stadt zu ernennen. Es ergebe „derzeit keinen Sinn“, den siebenfachen Formel-1-Weltmeister auf diese Weise zu ehren. „Wir haben einfach andere Baustellen“, sagt beispielsweise Andreas Lipp (SPD) auf Anfrage dieser Redaktion. Erschwerend komme hinzu, dass die Kolpingstadt vor den Toren Kölns keine Ehrenordnung habe. Und der Grüne Peter Abels fragt: „Wo fängt man bei Ehrenbürgerschaften an, wo hört man auf?“
Auf Unverständnis stößt diese Haltung bei Michael Schumachers Bruder Ralf: „So eine Entscheidung ist typisch für Deutschland. Erfolg und Leistung zählen bei vielen Entscheidungsträgern nicht mehr. Das ist ein Problem unseres Landes“, kritisiert der 49-jährige. „Anstatt stolz zu sein auf eine solche Persönlichkeit und dessen außergewöhnliche Leistung, lässt man die Dinge einfach so laufen.“
Für RTL-Sportexperten verkörpert der siebenmalige Weltmeister deutsche Tugenden
Ähnlich äußert sich RTL-Sportreporter Felix Görner. Er sei fassungslos: „Wenn es nicht ausreicht, dass da ein Jahrhunderttalent im Sport war und der Stadt einen weltweiten Ruf beschert hat, was soll denn da noch eine Ehrenbürgerschaft rechtfertigen?“ Der Rennfahrer habe sich nie von seiner Heimatstadt abgekehrt, und sei immer noch mit Kerpen verbunden. Daran ändere der Umstand nichts, dass er seit vielen Jahren in der Schweiz lebe. Und weiter sagt der 58-jährige Wahl-Pulheimer: „Michael Schumacher stand für Leistungsbereitschaft, Perfektion und Fleiß – alles alte deutsche Tugenden, die heute vielleicht so nicht mehr sichtbar sind.“
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Für Empörung sorgt die Entscheidung der Ratsfraktionen bei Reiner Ferling, dem Vorsitzenden des Michael-Schumacher-Fanclubs. „Man hätte sowieso erst einmal die Familie fragen sollen“, sagte er auf Anfrage: „Nach alldem, was passiert ist, kann ich mir ohnehin nicht mehr vorstellen, dass Familie Schumacher überhaupt noch will, dass Michael Ehrenbürger wird.“
Dennoch ärgere er sich über die Entscheidung: „Ich bin richtig sauer. Die Stadt bekommt es nicht auf die Reihe, jemanden zum Ehrenbürger zu ernennen, der sieben Weltmeistertitel für uns geholt hat.“ Über das Argument, die Benennung einer Straße reiche als Ehrung aus, könne er nur lachen. „Wie mit Michael als Person umgegangen wird, ist unter aller Sau. Aber ich habe mich jetzt entschieden, da nicht weiter drin herumzurühren.“
Ferling war es, der das Thema Ehrenbürgerschaft Anfang 2024 durch eine Petition auf die Tagesordnung gebracht hatte. Anlass war der zehnte Jahrestag von Schumachers Skiunfall, bei dem der damals 44-Jährige schwerste Kopfverletzungen davongetragen hatte und seitdem abgeschirmt von der Öffentlichkeit in der Schweiz lebt.
Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) konnte Ferlings Vorstoß zu Jahresbeginn durchaus etwas abgewinnen: „Michael Schumacher ist zweifellos einer der verdientesten Menschen aus Kerpen. Mit seinen sportlichen Leistungen hat er dazu beigetragen, den Namen der Kolpingstadt in der Welt bekannt zu machen.“ Entscheiden müsse dies aber der Stadtrat. Im März 2024 wurde das Thema vertagt, weil sich die Fraktionen zuerst intern besprechen wollten.
Ende November 2024 haben sich Vertreter von CDU, SPD, Grünen, FDP, BBK – UWG und AfD fehlten – getroffen und sind übereinstimmend zu dem Beschluss gekommen, dass Kerpen keine Ehrenordnung brauche, um verdiente Bürgerinnen und Bürger auszuzeichnen. Folglich wird nichts aus einem Ehrenbürger Michael Schumacher.
Wobei die SPD einen deutlichen Kurswechsel vollzogen hat: Zu Beginn des Jahres hatte sich Fraktionschef Lipp noch auf die Seite von Ferling und dessen Fanclub geschlagen: „Michael Schumacher gehört zu den wichtigsten Persönlichkeiten von Kerpen“, sagte er. Die Stadt müsse die Verdienste des Rennfahrers würdigen. „Und wenn wir das mit einer Ehrenbürgerschaft machen, unterstützt die SPD das gerne.“
Die CDU hatte sich bereits in einem frühen Stadium der Debatte zurückhaltend geäußert – und ließ Spürck damit im Regen stehen. Fraktionschef Klaus Ripp bekräftigte nun erneut die Position seiner Fraktion: „Wir haben während des Treffens entschieden, dass wir in Kerpen derzeit keine Ehrenordnung brauchen. Das war schon vorher Standpunkt der CDU.“
Peter Abels von den Kerpener Grünen sagt, es gebe auch andere Möglichkeiten, „die Leute zu ehren“. Damit spielte Abels auf eine Option an, die auch die SPD ins Spiel gebracht hatte: Besondere Bürger der Stadt könne man mit Straßennamen ehren. Adolph Kolping, der ebenfalls als Kandidat auf eine Ehrenbürgerschaft im Rennen war, werde zudem in der Stadt bereits durch viele Institutionen geehrt, wie etwa durch das Kolpinghaus. Problem: Die Michael-Schumacher-Straße gibt es bereits in Kerpen-Sindorf.
Wolfgang Pfeil, der ab dem 1. Januar den Vorsitz der Kerpener FDP-Fraktion übernimmt, Alessa Flohe (Piraten) und David Held (BBK) sehen ebenfalls keinen Anlass, die Dinge zu beschleunigen. Held betonte, seine Fraktion stehe der Ehrenbürgerschaft Schumachers zwar offen gegenüber. Man müsse aber erst einmal grundsätzlich klären, wie die Kriterien für eine Ehrenbürgerschaft beziehungsweise eine Ehrenordnung aussähen: „Zudem hätte man erst einmal mit der Familie Schumacher sprechen sollen, bevor man die Frage öffentlichkeitswirksam diskutiert hat.“
Die Vertagung im März sollten die Fraktionen ursprünglich auch dazu nutzen, Informationen aus anderen Kommunen mit Ehrenordnungen und zu deren Handhabung mit der Vergabe von Ehrenbürgerschaften einzuholen.
Rebecca Neumann (UWG) zeigte sich mit dem Ergebnis des Treffens zufrieden: „Man ist sachlich an diese Sache herangetreten und das unterstütze ich. Ich fände es falsch, einfach los zu galoppieren, vor lauter Fanliebe, auch wenn ich es menschlich absolut nachvollziehen kann. Sachlich betrachtet benötigt es im ersten Schritt ohnehin erst einmal eine Ehrenordnung, und ich denke nicht, dass das in Kerpen gerade nötig ist.“
Die AfD dagegen gab auf Redaktionsanfrage an, dass sie sich „bisher nicht“ mit den anderen Fraktionen habe abstimmen können. Fraktionsmitarbeiter Leonard Meex sagte aber, dass die Kerpener AfD der Einführung grundsätzlich positiv gegenüberstehe: „Für uns ist es wichtig, klare, eindeutige Kriterien dafür festzulegen, die nicht nur auf Prominenz und mediale Präsenz der Anwärter ausgerichtet sind.“