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Wie durch ein WunderSo überlebte ein Kerpener Junge einen Sturz in einen Gartenteich

Lesezeit 5 Minuten
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Gleich zwei Rettungshubschrauber waren im März im Einsatz, als der kleine Junge in den Teich gefallen war. 

Kerpen – Diesen Tag wird eine Familie aus Kerpen ihr Leben lang nicht vergessen – und sie wird ihn jedes Jahr als zweiten Geburtstag ihres Sohnes, nennen wir ihn einfach Tim, feiern. Vor wenigen Wochen geschah es. Es war ein kalter Tag im März. Der bald zweijährige Tim spielte allein im Garten des Einfamilienhauses – und fiel dabei in einen Teich.

Wie lange er dort im Wasser lag – exakt kann das im Nachhinein niemand sagen. Drei bis vier Minuten seien aber wahrscheinlich, sagt Dr. Frank Eifinger. Er ist Bereichsleitender Oberarzt für Pädiatrische Notfallmedizin an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln. Zudem gehört er zum Team von „Christoph Rheinland“, einem der Hubschrauber der ADAC Luftrettung.

Unfall in Kerpen: Kein normaler Tag für Mediziner

Auch für den erfahrenen Mediziner war es alles andere als ein normaler Tag, alles andere als ein normaler Einsatz: Dass Tim noch lebt, kommt für ihn einem Wunder gleich. Auch, dass der kleine Junge, nachdem wichtige Hirnfunktionen für mehrere Minuten schon ausgesetzt waren, aller Voraussicht nach keine bleibenden Schäden behalten wird. Schon wenige Tage nach seinem Sturz in den Teich konnte er wieder lachen, als ihn die Crew des Rettungshubschraubers im Krankenhaus besuchte. Und auch jetzt, da er wieder zu Hause ist, deutet nichts auf die dramatischen Ereignisse dieses Tages im März hin.

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Thorsten Kruse von der ADAC Luftrettung und Frank Eifinger sind froh, dass es ihm wieder gut geht.

Es ist die Geschichte von Tims Auferstehung. Und es ist die Geschichte eines Mannes, der an Wunder glaubt – ungeachtet aller Rationalität, die seinem Beruf, der Medizin, zugrunde liegt. „Wenn ich nicht an Wunder glauben würde, wäre ich kein guter Kinderarzt“, sagt Eifinger (50). Ungezählte Male hat er die Geschehnisse jenes Tages erzählen müssen, ja dürfen; auch Kollegen, die gar nicht glauben mochten, dass diese dramatische und fast schon ausweglose Geschichte ein so versöhnliches Ende gefunden hat – und ein kleiner Junge lebt und wieder lächelt: „Allein sein Lächeln hat mich fasziniert, und das ist doch genau der Grund, weshalb wir unseren Job machen.“

Zusammenspiel mehrerer Experten rettete Leben

Frank Eifinger erzählt diese Geschichte von einem Wunder auch deshalb so gerne und bereitwillig, „weil es doch so viele schlechte Nachrichten gibt, weil es doch so viel Leid und Elend auf der Welt gibt. Gerade jetzt sehen wir jeden Tag die grauenvollen Bilder aus dem Ukraine-Krieg“.

Es ist auch eine Geschichte vom Zusammenspiel mehrerer Experten auf dem medizinischen Sektor. Es waren Rettungskräfte der Kerpener Feuerwehr, die als erste am Unglücksort eintrafen, nachdem die Familie ihren Sohn leblos im Wasser treibend gefunden und den Notruf gewählt hatte. „Sie haben ausgezeichnete Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet“, sagt Jochen Oesterle, Pressesprecher der ADAC Luftrettung. Auch Eifinger ist voll des Lobes. Etwas Besseres könne man in einer solchen Situation nicht eintreffen.

Notarzt forderte Rettungshubschrauber an

Der Notarzt traf auch eine weitere richtige Entscheidung und forderte den Rettungshubschrauber des ADAC an. Die medizinische Besatzung von „Christoph 3“ war innerhalb weniger Minuten vor Ort und unterstützte die Kollegen aus dem Rhein-Erft-Kreis. Wegen der Besonderheit des Notfalls wurde dann auch noch ein pädiatrischer Intensivmediziner angefordert: Frank Eifinger.

820 Einsätze im Jahr

Die sechs in NRW stationierten Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber der gemeinnützigen ADAC Luftrettung sind 2021 zu 6809 Einsätzen geflogen (2020: 6741). Der in Würselen stationierte „Christoph Europa 1“ war mit 1449 Einsätzen (2020: 1579) am häufigsten unterwegs. Der hauptsächlich für die Verlegung von Patienten eingesetzte Intensivtransporthubschrauber „Christoph Rheinland“ aus Köln kam auf 820 (2020: 590) Einsätze. (jtü)

Mit dem Helikopter „Christoph Rheinland“, der den liebevollen Namen „Kölsch Mädche“ trägt, gelangte der 50-Jährige vom Dach der Uniklinik nach Kerpen – der Hubschrauber ist komplett mit medizinischem Gerät ausgestattet, sodass schon während des Fluges lebenswichtige Maßnahmen getroffen werden können. „Unterkühlte Kinder brauchen noch mal eine andere Erstversorgung als Erwachsene“, sagt der Mediziner, der mit seiner Familie in Bornheim lebt. Weil es ein kalter Tag und die Wassertemperatur in dem Teich entsprechend niedrig war, betrug die Körpertemperatur des kleinen Tim nur noch 26 Grad. Was sich als Glück erwies: Wichtige Körperfunktionen waren dadurch sozusagen in den Stand-by-Modus geschaltet.

Kerpener Junge erlitt keine Hirnschäden

Eifinger: „Kinder kühlen erst aus, erst danach setzt der Sauerstoffmangel ein.“ Das Herz des kleinen Jungen schlug schwach, aber regelmäßig. Eine Herz-Lungen-Maschine musste daher nicht eingesetzt werden. Mit Unterstützung von Medikamenten wurde er „aus seinem tiefsten Winterschlaf“ erweckt, wie der Kinderarzt es formuliert. Nach und nach stieg die Körpertemperatur des Kleinkinds auf 32, 33 Grad.

Was zu dem Zeitpunkt nicht klar war: Würde Tim das Unglück ohne bleibende Schäden, vor allem der Hirnfunktionen, überleben? Eifingers Erfahrung: „In den meisten Fällen geht so etwas nicht ohne neurologische Schäden ab.“ Doch schon die ersten Untersuchungen zeigten: Der kleine Junge muss einen Schutzengel gehabt haben. Sechs Tage musste er auf der Intensivstation bleiben, danach weitere vier auf der regulären Kinderstation. Am zehnten Tag freute er sich über den Besuch der ADAC-Rettungscrew um Thorsten Kruse. Dann durfte Tim nach Hause. Was er wieder lernen muss, sind einzelne motorische Fähigkeiten. Ein Reha-Platz ist beantragt, allerdings gebe es nicht ausreichend viele Spezialkliniken für Kinder, beklagt Eifinger.

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Was dem Mediziner – losgelöst von Tims Schicksal – Sorge bereitet: Während der Pandemie und der damit verbundenen Schließung von Hallenbädern konnten auch die Schwimmkurse für Kinder lange nicht stattfinden. „Ich fürchte, wir werden in den kommenden Jahren häufiger zu Notfällen gerufen, weil Kinder nicht gelernt haben, zu schwimmen.“ Eifinger appelliert an Kommunen, Vereine und Schulen, um das Versäumte nachzuholen anzubieten. Das wäre dann auch eine gute, eine Hoffnung machende Geschichte.