Festball in Kerpen-BuirMaiverein „Fidele Jungen“ lebt die Tradition des Walzers
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Kerpen-Buir – Der Langsame Walzer ist nicht unbedingt der Trendtanz ihrer Generation. Doch was sein muss, muss sein. „Wir haben gestern extra noch mal mit den Eltern geübt. Aber vor diesem Auftritt habe ich schon ein bisschen Bammel“, gibt Andreas Lehmann zu, während ihm Marie Heinrichs aufmunternd zublinzelt, „wir beide allein auf der großen Tanzfläche, und Maipaare aus der ganzen Umgebung stehen um uns herum und gucken zu. Doch zusammen schaffen wir diesen Tanz.“
Die Höhepunkte der Maisaison
Bereits im März geht es los: Bei der Maifrauenversteigerung können die Maiburschen sich ihre Herzallerliebsten im Rahmen eines feuchtfröhlichen Gelages ersteigern. Die Namenszettel aller unverheirateten Frauen im Dorf kommen in den großen Sack. „Versteigert werden natürlich nicht die Damen selbst“, betont Maibrauch-Experte Walter Fiss, „die Jungs ersteigern sich lediglich das Recht, mit dem ersteigerten Mädel ein Maipaar zu bilden und gemeinsam das Maifest zu feiern. Die Maifrau muss zustimmen. Mit den Einnahmen wird das große Maifest finanziert“.
Versteigert wird auch der Königstitel, für den man in Buir in der Regel um die 1000 Euro springen lassen muss. „Einerseits ist es natürlich witzig, den Preis hochzutreiben. Aber es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, die Summe überschaubar zu halten. Ein junger Mann soll ein bisschen sparen müssen, um König werden zu können. Aber zu teuer darf es nicht werden, sonst will niemand mehr den Titel haben“, sagt Walter Fiss. Saisonhöhepunkt ist das große Maifest mit der Disco am Freitag, dem Festball am Samstag und dem Festumzug der Maipaare Sonntagnachmittag.
Er ist 18, sie 19 Jahre alt, und gemeinsam bilden die jungen Leute in dieser Saison das Königspaar des Buirer Maivereins Fidele Jungen. Der Eröffnungstanz beim Festball am Samstagabend ist für die Majestäten die größte Herausforderung des Wochenendes und einer der Höhepunkte im dreitägigen Programm. Und alles soll diesmal besonders gut klappen. Schließlich feiert der Maiverein sein 90-jähriges Gründungsjubiläum. Wer glaubt, die heutige Jugend hätte mit dem alten Kram nicht mehr viel am Hut, der liegt zumindest in Buir falsch. Immerhin rund 60 junge Leute machen beim Maiverein mit.
Eine Art Kartell
Das klappt auch in anderen eher dörflichen Gebieten. So bilden die Buirer Mai-Fans mit Vereinigungen in Frechen-Grefrath, Frechen-Habbelrath, Elsdorf-Berrendorf, Elsdorf-Neu-Etzweiler und Kerpen-Manheim eine Art Mai-Kartell. Jeder besucht und unterstützt die Veranstaltungen der anderen – und so ist in der Mai-Saison für alle volles Festprogramm an wechselnden Schauplätzen angesagt.
„Wir machen aber nicht nur zu den Mai-Anlässen, sondern über das ganze Jahr hinweg über vieles gemeinsam“, erzählt Andreas, der nicht nur Maikönig, sondern auch Vereinsvorsitzender ist. „Und Party machen kann man nicht nur in Köln“, ergänzt Königin Marie, „statt des üblichen Outfits mal ein richtig schönes Ballkleid anziehen, hat doch auch seinen Reiz. Ich freue mich jedenfalls riesig auf das Fest, vor allem auch auf die Umzüge durchs Dorf mit den vielen anderen Maipaaren.“
Dem Wandel gestellt
Das hört Walter Fiss gern. Der 58-Jährige, den alle Oppa nennen, ist die gute Seele und der Mann für alle Fälle im Maiverein. Er hat in den vergangenen 35 Jahren auch schon schlechtere Zeiten gesehen. „Aber im Moment blüht das Maibrauchtum bei uns in Buir auch dank des rührigen jungen Vorstandes mit Andreas an der Spitze wieder auf.“
Möglich ist das, weil sich der Maiverein immer wieder dem Wandel gestellt und sich auf Neuerungen eingelassen hat. Längst gehören auch die Mai-Discos am Freitag fest zum Programm. Zum Jubiläum haben sich die Fidelen Jungen einen Auftritt der Kölschrocker von Cat Ballou gegönnt. 500 Nachtschwärmer sind im Festzelt dabei. Beim Festball am nächsten Abend geht es in kleinerem Rahmen gediegener zu. Ihren Walzer schaffen Andreas und Marie mit Bravour. Fest liiert sind die beiden nicht. „Nur sehr gute Freunde, und so soll das auch bleiben“, betont Andreas. Da muss Oppa Fiss schmunzeln: „Bei uns im Maiverein ist schon aus so manchem Freundespaar ein Paar fürs Leben geworden.“
Den guten Ruf gerecht werden
Walter Fiss, den alle nur Oppa nennen, war zwar selber nie Maikönig, gehört aber als langjähriges Vorstandsmitglied zu den Urgesteinen des Buirer Maivereins Fidele Jungen. Seit fast vier Jahrzehnten setzt sich der 58-Jährige für die Pflege des Maibrauchtums ein und steht auch dem aktuellen jungen Vorstand mit Rat und Tat zur Seite. Mit Fiss sprach Jürgen Röhrig.
Herr Fiss, passt das traditionelle Maibrauchtum eigentlich noch in die heutige Zeit?
Bei allem, was wir machen, geht es im Grunde genommen doch darum, Freundschaften zu knüpfen, Gemeinschaft zu erleben, zusammen zu feiern, schöne alte Traditionen zu bewahren und den Zusammenhalt im Dorf zu stärken. Das sind in meinen Augen alles Werte, die in jede Zeit passen und die auch bei vielen jungen Leuten von heute immer noch angesagt sind. Aber man braucht natürlich immer auch Menschen, die nicht mitfeiern, sondern die im Vorstand und bei der Organisation auch richtig mit anpacken. Da haben wir im Laufe der neun Jahrzehnte so manches Auf und Ab erlebt. Aber der jetzige junge Vorstand macht seine Sache prima, so dass mir um die Zukunft wirklich nicht bange ist.
Trotzdem haben sich auch die Fidelen Jungen gesellschaftlichen Veränderungen nicht verschließen können. So seid ihr schon lange kein reiner Männerklub mehr ...
Bis in die frühen 70er-Jahre waren wir ein echter Junggesellenverein, hatten aber nur noch eine Handvoll Mitglieder. Da hat man sich entschlossen, zunächst verheiratete Männer und dann auch Frauen in den Verein aufzunehmen. Aus dem Junggesellenklub wurde ein offener, moderner Maiverein. Ganz harte Traditionalisten mögen darüber vielleicht die Nase rümpfen. Aber für uns hat sich diese Neuausrichtung voll bewährt. Die Emanzipation hat bei uns schon vor über 40 Jahren Einzug gehalten, und ohne unsere super mitmachenden Maifrauen wäre die ganze Sache doch nur halb so schön. Gemeinsam macht es allen einfach viel mehr Spaß.
Manche Kritiker sagen, dass das ganze Maibrauchtum vor allem ein Vorwand sei, reichlich Alkohol zu konsumieren. Ist da etwas dran?
Egal ob im Karneval, bei den Schützen oder bei unseren Maifeierlichkeiten: Dass das eine oder andere Bierchen getrunken wird, gehört zu Festen im kölschen Rheinland nun mal dazu. Das war vor 90 Jahren so, das ist heute so, und das wird auch bei unserem 100-jährigen Bestehen noch so sein. Aber wir achten schon darauf, dass nicht allzu heftig über die Stränge geschlagen wird und dass gerade die jungen Mitglieder von vornherein Maßhalten lernen. Komatrinken gibt es bei uns nicht. Wir haben schließlich einen guten Ruf, den wir nicht aufs Spiel setzen möchten.