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Junge Union ist empört„Ein Fax an Youtuber Rezo hat noch gefehlt“

Lesezeit 10 Minuten

Der JU-Vorstand war zu Besuch in unserer Redaktion – und hatte einiges zu erzählen.

  1. Bei der Europawahl musste die CDU erhebliche Verluste hinnehmen. In der Generation der Unter-30-Jährigen wählten bundesweit gerade einmal 13 Prozent die Christdemokraten.
  2. Mitglieder des Kreisvorstandes der Jungen Union sprachen mit uns über den Umgang mit dem Rezo-Video, ihre Rolle in der Kreispolitik, die jüngsten Wahlergebnisse und die Umweltbewegung.
  3. Die Junge Union im Kreis Rhein-Erft möchte der Stachel im Fleisch der CDU sein.

Gerne werden die Jugendorganisationen der Parteien als Rebellen angesehen. Gilt das auch für die JU im Rhein-Erft-Kreis?

André Hess: Mit dem Anspruch sind wir auch in der letzten Vorstandswahl angetreten, die Partei vor uns herzutreiben, für junge Themen zu kämpfen, das Sprachrohr unserer Generation zu sein. Wir wollen der Stachel im Fleisch der Partei sein.

Vertreten Sie auch radikalere Positionen als die „große Partei“?

Tim Conzen: Da würde ich zum Beispiel die Flüchtlingspolitik nehmen. Da habe ich persönlich etwas konservativere Ansichten. Man sollte sich jetzt mal drum kümmern, dass man ein Einwanderungsgesetz beschließt und bei dem Thema nicht mehr so rumeiert, wie es im Moment ist, um es auch mal in den Griff zu bekommen.

Gibt es Positionen, an denen die JU entscheidend mitgewirkt hat?

Christoph Schmitz: Dass sich die Bundesunion gegen die Uploadfilter eingesetzt hat und sich nicht an den Vorgaben der EVP im Europaparlament orientiert hat, kam aus der Jungen Union heraus.

Stark in die Kritik geraten ist die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wegen ihrer Äußerungen über Youtuber, die vor der EU-Wahl zum Wahlboykott gegen die CDU und SPD aufgerufen haben. Hätte sie sich diese Kritik besser sparen sollen?

Tim Ingenhaag: Meines Erachtens war die Aussage von Annegret Kramp-Karrenbauer unglücklich gewählt. Wir sollten nicht in diese Fahrwasser geraten, wie es die Grünen oder linke Parteien öfter tun, über Verbote etwas zu erreichen. Unsere Stärke ist eher, dazu zu animieren, etwas zu tun. In diesem Fall würde ich mir wünschen von Seiten der CDU, dass man in Bezug auf das Medium Youtube – über das man viele junge Leute erreicht – mal eine PR-Agentur dransetzt, um auch eigene Influencer großzuziehen.

André Hess: Grundsätzlich fallen Meinungsäußerungen immer unter Artikel 5 – Meinungsfreiheit. Aber um ehrlich zu sein: Sich gegen Youtuber zu wenden, lockt die Geister hervor, die wir riefen: Dass wir uns im Internet nach der Upload-Filter-Geschichte nicht viele Fans gemacht haben, ist ein offenes Geheimnis.

In diesem Zusammenhang wird hier und da die Kanzlertauglichkeit von AKK zum Thema gemacht. Was meinen Sie dazu?

Christoph Schmitz: Bei ihr geht es ja erst einmal nur um den Parteivorsitz, für den sie gewählt worden ist. Deshalb würde ich darüber gar nicht sprechen wollen. Es ist noch etwas Zeit hin, bis es an die Bestimmung des Kanzlerkandidaten oder der Kanzlerkandidatin geht.

Sie weichen aus, die Verbindung zwischen Parteivorstand und Kanzlerkandidatur liegt ja auf der Hand. Sie denken da nicht drüber nach?

Christoph Schmitz: Ich persönlich nicht, ehrlich. Jetzt haben wir mit Angela Merkel noch eine Kanzlerin, die das meiner Meinung nach gut macht. Ihre Legislaturperiode geht schließlich noch zwei Jahre.

Immer mehr junge Leute wollen offenbar eine andere Klimapolitik, können Sie das verstehen? Was halten Sie zum Beispiel von Fridays for Future?

André Hess: Es herrscht schon Unverständnis darüber, dass man die Schule ausfallen lässt, um zu demonstrieren. Wir wünschen uns eher, dass die Leute Ideen entwickeln und zukunftsträchtige Technologien an Hochschulen mit erarbeiten. Lösungsansätze haben wir von der Fridays-for-Future-Bewegung noch nicht gesehen.

Ist es denn die Aufgabe der Schüler, Lösungen zu finden?

André Hess: Ich finde es schon komisch, wenn man sagt, ich möchte etwas haben, aber ihr sollt euch mal darum kümmern. Das ist nur der halbe Schritt. Wenn man etwas fordert, sollte man auch daran mitarbeiten, das Ziel umzusetzen.

Christoph Schmitz: Wir sind ja auch engagiert und politisch interessiert. Ich würde eher sagen, bringt euch ein, auch bei uns. Das Thema ist uns ja auch nicht fremd. Wir sind schöpfungsnah als CDU und deren junge Organisation. Wir sind auch dafür, dass wir den Klimaschutz vernünftig in den Griff bekommen.

André Hess: Ich muss aber sagen, dass ich es im Rhein-Erft-Kreis zum Beispiel gut finde, dass die Schüler in Kerpen nach Schulschluss demonstrieren. Das begrüße ich ausdrücklich. Wir haben Greta Thunberg in den Rhein-Erft-Kreis eingeladen, aber eine Absage bekommen. Und von Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht der Bewegung, haben wir gar nichts gehört auf unsere Anfrage. Das erweckt den Eindruck, als möchte man sich mit uns gar nicht auseinandersetzten, sondern in seiner eigenen Blase leben.

Die Junge Union im Rhein-Erft-Kreis

Rund 1250 Mitglieder hat die Junge Union im Rhein-Erft-Kreis. Der Vorstand besteht aus 16 Mitgliedern, sechs sind geschäftsführende Vorstandsmitglieder und neun Beisitzer. Zum Redaktionsbesuch kamen der Vorsitzende André Hess (26, Brühl), Schatzmeister Christoph Schmitz (25, Bergheim), die Beisitzerinnen Louisa Vogelsang (22, Bedburg) und Jil Arora (19, Hürth) sowie Tim Conzen (20, Brühl) und Tim Ingenhaag (22, Pulheim). Die beiden sind die Vorsitzenden ihres Stadtverbandes und so in den Kreisvorstand kooptiert. (nip)

Wird denn genug für den Klimaschutz getan?

Tim Conzen: Ich finde, wir sind in Deutschland auf einem guten Weg. Seit 2005 haben wir den Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstrommix verdreifacht. Und wir sind auf einem guten Weg, das auszubauen. Das Problem war aber, dass wir zuerst aus der Atomkraft und jetzt aus der Kohle aussteigen – umgekehrt wäre es normal gewesen. So machen es auch die Skandinavier, die bei erneuerbaren Energien ein Vorreiter sind. Das hätte ich mir für Deutschland auch gewünscht. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Debatte sachlicher geführt worden wäre. Man kann viel fordern, aber man muss es auch umsetzen können.

Wie steht die JU zum Hambacher Forst?

Christoph Schmitz: Für uns wäre es definitiv wünschenswert, den Wald zu erhalten. Aber nicht um jeden Preis.

Wie groß ist Ihr Einfluss auf die CDU-Größen auf Kreisebene?

Tim Conzen: Die sind auf jeden Fall offen für unsere Vorschläge. Frank Rock hat, schon als er angetreten ist, gesagt, dass er jeder Organisation zuhört. Ich fühle mich als 20-Jähriger da sehr wohl. Man wird respektiert. Toll war, dass Willi Zylajew auf uns zukam und sagte, dass der Vorwurf der Parteizentrale, die JU sei Schuld an der EU-Wahlniederlage, für ihn völliger Quatsch sei und wir gute Arbeit geleistet hätten. Wir sollen uns von sowas nicht unterkriegen lassen.

Jil Arora: Ich habe Frank Rock vor mehreren Jahren auf einer Podiumsdiskussion in meiner Schule kennengelernt. Man hatte direkt den Eindruck, dass die Jugend miteingebunden wird.

Nur 13 Prozent der Wähler unter 30 Jahren haben CDU gewählt. Ist man als CDU oder JU noch mit den richtigen Schwerpunkten dabei?

André Hess: Ich glaube schon, dass wir die richtigen Schwerpunkte setzen. Ich sage: Grün muss man sich auch leisten können. Wir wollen uns eher an der Realität messen lassen. Wir lassen uns nicht von den Grünen mit irgendwelchen Themen vorantreiben.

Tim Ingenhaag: Ich glaube nicht, dass die Stimmen, die gegen die CDU abgegeben worden sind, auf Dauer verloren sind, sondern, dass wir immer noch die Chance haben, mit eigenen Themen anzukommen.

Findet nicht gerade ein Denkwechsel statt?

André Hess: Aber die CDU ist davon gar nicht so weit entfernt: Bewahrung der Schöpfung – um das mal aus der christlichen Perspektive zu sehen. Das ist im Grunde nichts anderes.

Aber welche Schlüsse zieht man daraus? Welchen Rat haben Sie an Zylajew, Rock und Kreuzberg für die Kommunalwahl im Herbst nächsten Jahres?

Christoph Schmitz: Ich glaube, dass die Themen nicht mal so sehr der Schlüssel sind, sondern, wie wir das an die Leute bringen – die Umsetzung, dass wir nicht mehr so verstaubt herüberkommen, sondern mal mit neuen und innovativen Ansätzen kommen. Unsere Werte und unser Grundgerüst müssen wir aber nicht verlassen.

André Hess: Wir müssen im kommenden Jahr auch einmal unkonventionell kommunizieren im Wahlkampf. Ich würde mir wünschen, dass wir an Wahlkampfständen Meinungsbilder direkt per Online-Verfahren mit dem Smartphone abbilden können. Ein weiterer Punkte ist die radikale Verjüngung des Kreistags und der Räte. Das hat etwas mit Identifikation zu tun.

Jil Arora: Der grüne Gedanke ist unter Jugendlichen ein Trend geworden. Ich sehe das auch in der Uni. Da sind einige, die sich gar nicht mit mehreren Parteiprogrammen auseinandersetzen.

Tim Conzen: Die Wahlbeteiligung ist exorbitant gestiegen – gerade unter Jüngeren –, was natürlich sehr positiv ist. Sonst haben wir Verhältnisse wie in England, wo ältere Menschen über die Zukunft der jungen entschieden haben. Das hohe Ergebnis der Grünen liegt meiner Meinung nach aber nicht daran, dass viele von der CDU weggegangen sind, sondern viele Nichtwähler sich beteiligt haben. Deshalb auch das hohe Ergebnis bei der Jugend. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich das irgendwann wieder verschiebt. Wenn man zum Beispiel zwischen 25 und 40 Jahre alt ist, stehen möglicherweise Dinge wie soziale Sicherheit, Jobsicherheit, Familiengründung und Aufbau von Eigentum im Vordergrund. Als Jugendlicher hat man vielleicht noch etwas andere Ansichten auf die Welt.

Heißt das im Umkehrschluss, dass die CDU keine Partei für junge Leute ist?

Tim Conzen: Wenn man mal ehrlich ist, hatte die CDU auch in der Vergangenheit nicht den größten Anteil an jüngeren Wählern. Ich vermute mal, dass die jüngeren Leute ein anderes Gedankengut haben, als es die CDU vertritt und vielleicht den Eindruck haben, die CDU ist eine Alt-Herren-Partei, die sich nur für die älteren Leute einsetzt. Unsere Aufgabe ist es aber als JU und auch in der CDU, da reinzugrätschen und die jungen Leute abzuholen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich das Wahlverhalten mit zunehmendem Alter verändert.

André Hess: Die CDU ist eine Partei für die jungen Leute. Es muss ja einen Grund haben, dass die JU die größte politische Jugendorganisation Europas ist.

Die Schuldzuweisungen von AKK an die JU sind dann natürlich total kontraproduktiv. Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund den Umgang mit dem Rezo-Video?

Tim Conzen: Ich habe mich wirklich geschämt, wie da reagiert wurde. Ich muss ehrlich sagen: Wir haben hoch bezahlte Berater im Konrad-Adenauer-Haus, die es mit sämtlichen Experten nicht auf die Reihe bekommen haben, ein anständiges Konzept auszuarbeiten. Wie es unser JU-Bundesvorsitzender gesagt hat: Man kann nicht mit einer elfseitigen PDF-Datei wie eine Hausarbeit auf ein 50-minütiges Video reagieren. Ich hätte mir gewünscht, dass man das Video von Philipp Amthor veröffentlich hätte. Dass die Reaktion so schwammig war, war kontraproduktiv. Und dann bekommt man vor der Wahl noch einen reingedrückt, dass das die JU schuld war – da saß ich zu Hause und war erst mal bedrückt. Ich hoffe einfach, dass das in Zukunft anders gemacht wird.

André Hess: Es hat nur noch gefehlt, dass man die elfseitige PDF ausgedruckt und als Fax an Rezo geschickt hätte.

Haben Sie die 13 Prozent an jungen Wähler nicht sehr deprimiert?

André Hess: Ich glaube, dass die 13 Prozent an Unter-30-Jährigen, die die CDU gewählt haben, deshalb so mickrig aussehen, weil ausnahmsweise so viele die Grünen gewählt haben. Ich muss aber auch sagen, dass diese 13 Prozent schon einmal nicht rechts- oder linksextrem gewählt haben. Aber machen wir uns nichts vor: Natürlich hätten wir gern zehn oder 20 Prozentpunkte mehr, aber deshalb werden wir jetzt die Grünen schön vor uns hertreiben.

Tim Conzen: Ich vermute, dass das Ergebnis auch stark mit Angela Merkel zusammenhängt. 2013/2014, als uns mehr jüngere Menschen gewählt haben, war Merkel sozusagen auf dem Höhepunkt ihrer Macht und auch bei jungen Leuten beliebt. Auch ich bin Generation Merkel – ich kenne nichts anderes. Es ist nur eine Vermutung. Aber vielleicht fehlt uns mal wieder der richtige Typ oder die richtige Frau, mit dem oder der sich alle Altersschichten identifizieren können. Angela Merkel hört auf. Wer weiß, welche Kandidaten da in Zukunft noch auftreten – auch ein Jens Spahn leistet meiner Meinung nach tolle Arbeit. Vielleicht würde uns das noch mal helfen, wenn eine Person alle mitnimmt, wie es Angela Merkel damals getan hat.