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Interview zum Katastrophenschutz„Es wird mehr Sirenen geben“

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Thomas Weiler ist der Leiter des neuen Amtes für Rettungsdienst im Kreishaus, hier mit Landrat Frank Rock (l.).

Rhein-Erft-Kreis – Der Kerpener Thomas Weiler ist seit Mai Leiter des neuen Amtes für Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz im Kreishaus. Die Gründung dieses Amtes ist eine Konsequenz aus der Flutkatastrophe im Juli des vergangenen Jahres. Weiler ist Kreisoberbrandrat und war zuletzt bei der Berufsfeuerwehr Köln beschäftigt, wo er den operativ-taktischen Stab in der Covid-19-Pandemie geleitet hat. Seit 2018 war er in Köln bereits stellvertretender Abteilungsleiter Rettungsdienst und auch im Einsatzführungsdienst tätig, davor war er als Sachgebietsleiter im Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz. Dennis Vlaminck sprach mit ihm über seine neue Aufgabe.

Herr Weiler, wenn sich solch ein Unwetter und ein derartiges Hochwasser wiederholen würden, was würde nun anders laufen?

Thomas Weiler: Die Krisen in den letzten Jahren, sei es die Corona-Pandemie oder das Hochwasser 2021, haben aufgezeigt, dass die bisherigen Standards im Krisenmanagement für komplexere Einsatzlagen weiterentwickelt werden müssen. Jede Lage bietet andere Herausforderungen und benötigt andere Lösungen. Wir sind dabei, diese Weiterentwicklung hier in der Kreisverwaltung voranzutreiben.

Was muss sich noch verbessern?

Zu meinem Dienstantritt hat mir Landrat Frank Rock die Aufgabe für die nächsten Jahren mitgegeben, die nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrstrukturen in einem ganzheitlichen Ansatz hier im Rhein-Erft-Kreis weiterzuentwickeln. Jede Einheit hat ein Fähigkeitsprofil. Die dort vorhandenen und auch bewährten Fähigkeiten und Strukturen gilt es zu stärken, agiler zu machen und robuster aufzustellen, um eine zeitgerechte Aufgabenerledigung vorzuhalten. Der Einsatz von Spontanhelferinnen und -helfern zur Bewältigung zukünftiger Katastrophen muss zudem noch gezielter koordiniert werden. Zur Aktivierung und Koordinierung müssen zielführende Strukturen geschaffen werden. Außerdem muss wieder ein besonderer Wert auf die Geländefähigkeit und -gängigkeit von Fahrzeugen im Katastrophenschutz gelegen werden. Speziell die Wasserdurchfahrts- beziehungsweise Watfähigkeit von Einsatzfahrzeugen muss wieder eine Grundfähigkeit werden.

Immer wieder haben Betroffene vor allem in Blessem geklagt, nicht oder nicht rechtzeitig gewarnt worden zu sein.

Die Erfahrungswerte aus der Flutkatastrophe werden in den künftigen Warnkonzepten berücksichtigt. Hierzu sind Maßnahmen auch schon in der Umsetzung. In diesem Monat wurde den Kommunen eine Gesamtsumme von 97 100 Euro an Fördermittel vom Bund zugewiesenen. Diese Mittel nutzen die Städte, um den Sirenenausbau voranzutreiben. Der wird unabhängig der Förderung weiter fortgesetzt werden, um die gesamte Warninfrastruktur zu ergänzen. Die Warnmaßnahmen des Kreises werden künftig so angelegt sein, dass sich diese nahtlos an die Regelungen der „alltäglichen“ Gefahrenabwehr in den Kommunen anschließen und auch mit deren Gefahrenabwehrplanungen kompatibel sind. Der Aufbau von Cell-Broadcast, also des automatisierten Versandes von Massen-SMS an Mobiltelefone, muss ebenfalls vorangetrieben werden und zu einem leistungsfähigen modernen Warnsystem verbessert werden. Diese Zuständigkeit liegt jedoch nicht bei uns, sondern beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Beim Hochwasser gab es Probleme sowohl mit dem Digital- als auch dem Mobilfunk – wie wird die Kommunikation der Einsatzkräfte sichergestellt?

Vor dieser Problematik stehen wir nicht alleine. Ausfälle wie in der Katastrophenlage im vergangenen Jahr können nur mit Behelfsmitteln, beispielsweise Satellitendatenkommunikation oder ähnliche Verfahren aufgefangen werden. Hier sind andere Behörden in der Verantwortung, und von dort erhoffen wir uns entsprechende Lösungen.

Vor einem Jahr waren auch Melde-Motorräder unterwegs. Eine Option?

Ja, Kradmelder bewähren sich immer wieder bei solchen Flächenlagen. Ich denke, in der Zukunft wird der Bedarf an solchen Melde- und Erkundungsfahrzeugen auf der Basis von Quads steigen. Sie sind zwar breiter als Kräder, aber einfacher und sicherer zu fahren. Im Vergleich sind Quads natürlich viel leichter und beweglicher als übliche Geländewagen. Auch die Zuladung mit Gerätschaften und Verletzten ist mit Quads möglich.

Was ist gut gelaufen aus Sicht der Rettungskräfte bei der Flutkatastrophe?

Wie in der alltäglichen Gefahrenabwehr kommen auch im Katastrophenschutz 90 Prozent Einsatzkräfte aus dem Ehrenamt. Das unterstreicht die Bedeutung ehrenamtlicher Strukturen für eine schnelle, flächendeckende und weitreichende Gefahrenabwehr. Letztes Jahr konnte man sehen, dass die Rettungskräfte an ihre Leistungsgrenzen gingen und sogar darüber hinaus. Dass wir keine Toten hier zu beklagen hatten, ist der große Verdienst des bürgerschaftlichen Engagements.

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Katastrophen sind seltene Ausnahmefälle – was macht ein Amtsleiter für Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz den ganzen Tag?

Damit die Gefahrenabwehr sich weiterentwickelt sind Haushaltspläne, Stellenpläne, (Rettungsdienst-)Bedarfspläne, Leistungsverzeichnisse, Förderanträge, Einsatzpläne und Vorbereitungen von Übungen und Aufsicht über Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz erforderlich. Dafür bin ich viel im Büro und habe ebenso viele Termine bei allen beteiligten Behörden und Organisationen. Der tatsächliche Einsatzdienst macht hier nur einen Anteil meiner Arbeitszeit aus. Innerhalb des neuen Amtes sollen die Aufgabenbereiche des Brandschutzes, des Rettungsdienstes und des Bevölkerungsschutzes als zentrale Gefahrenabwehrorganisation gebündelt werden. Der Kreis und seine zehn Kommunen und damit auch zehn verschiedene Feuerwehren, davon sind acht auch Träger von Rettungswachen, sowie der fünf anerkannten Hilfsorganisationen (DRK, MHD, ASB, JUH, DLRG) und den Bundeseinrichtungen THW und Bundeswehr bilden das komplexe Gefahrenabwehrsystem im Kreis.