Die anfängliche Skepsis und Zurückhaltung wich im Laufe des Spiels gegen Schottland grenzenloser Begeisterung. Jedes Tor wurde gefeiert.
Fußball-EMFrechener bejubeln im „Alten Bahnhof“ Auftaktsieg des Nagelsmann-Teams
„Oh, wie ist das schön“ – der Fangesang schallt von den Tribünen der Allianz-Arena in München über Lautsprecher in den Biergarten des „Alten Bahnhofs“ nach Frechen. „Oh, wie ist das schön“ stimmen einige der zahlreichen Gäste der Brauerei im Biergarten und in den Räumen mit ein, klatschen rhythmisch in die Hände und feiern überglücklich ihre deutsche Nationalmannschaft beim Stand von 4:0 gegen Schottland.
„Das ist so toll, Deutschland spielt so super“, jubelt auch die 60-jährige Gabriela Kloska aus Frechen in der 70. Spielminute mit und blickt erlöst zurück: „Vor dem Spiel hatte ich so ein schlechtes Gefühl. Ich dachte insgeheim, dass Deutschland eigentlich verlieren wird.“
Anfangs überwiegen noch Anspannung und Skepsis
Tatsächlich ist beim Public Viewing des Eröffnungsspiels in der Gleisbrauerei in Frechen unter den Fans zunächst eine eher angespannte, anstatt vorfreudige Nervosität auf die Europameisterschaft im eigenen Land zu verspüren. Selbstverständlich hat jeder DFB-Fan große Lust auf die EM, die Partie und tippt auf einen Sieg gegen Schottland. Doch mit großer Überzeugung gibt keiner der Befragten seine Tipp-Vorhersage ab.
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So unter anderem die Eheleute Gabriela und Christoph Kloska und ihr Freund Waldemar Kozok. „Deutschland ist eine Turniermannschaft. In den letzten Testspielen haben sie mich nicht ganz so überzeugt, aber wenn das Team heute das erste Spiel gewinnt, ist ihm alles zuzutrauen“, sagt etwa Christoph Kloska vorab. Er tippt auf einen 3:0-Erfolg, während sein Freund Waldemar auf ein 3:1 setzt und die Ehefrau ihr schlechtes Gefühl noch für sich behält und ein 1:0 für die Nagelsmann-Elf prophezeit.
Ebenso wie das Dreiergespann traut sich die Biersommelière des Hauses, Julia Trunz, nicht, sich zu einem womöglichen Erfolg zu bekennen und gibt mit einem Lachen an: „Ich erwarte nichts und werde dann positiv überrascht.“
Dennoch ist auch ihr die Anspannung auf das Ereignis anzumerken, was daran liegen mag, dass ihr Bekannter Thomas Ullrich aus Duisburg das Spiel in München im Stadion verfolgt. „Thomas ist ein Groundhopper und ein großer Unterstützer unserer Brauerei. Darum nimmt er zu jedem seiner Stadionbesuche unsere Sticker mit und macht mit ihnen ein Foto. Sein Platz ist direkt hinter einem der Tore, vielleicht hat er die Chance, unser Logo in die Kamera zu halten.“
Unter dem Applaus der Rudelgucker im Biergarten startet die Partie Deutschland gegen Schottland, und DFB-Spieler Florian Wirtz spielt gleich die erste Chance für die Nationalelf heraus – ein erstes Raunen geht durch den Laden. Gabriela Kloska fiebert bei den ersten Aktionen der Deutschen direkt mit. Ihr Puls geht dabei vor Aufregung so stark durch die Decke, dass ihre Smartwatch sie zweimal fragt, ob bei ihr alles okay sei. „Das hatte ich ja noch nie“, sagt sie und legt ihre Uhr vorsichtshalber ab, um das Spiel ohne weitere Nachfragen verfolgen zu können.
In genau diesem Augenblick passt Joshua Kimmich den Ball zu Wirtz, der die Vorlage zum 1:0 in der 10. Minute nutzt. Der erste Torjubel des Abends geht durch die Gaststätte und Erleichterung macht sich unter den Gästen breit. Doch trotz der ersten starken Minuten haben die DFB-Spieler ihre Fans von einem erfolgreichen Ausgang noch nicht überzeugt.
Es läuft die 15. Minute. Die Schotten haben zwar auf dem Platz nicht das Spielgeschehen übernommen, aber dafür die Stimmung auf den Rängen – trotz des Rückstands ihres Teams. „Das kann doch nicht sein“, ärgert sich Christoph Kloska über die DFB-Fans auf den Tribünen: „Wenn bei den Spielen des 1. FC Köln die Gäste in ihrem Block lauter werden, stimmen wir als Fans doch dagegen an. So etwas kann sich doch ansonsten auch auf den Platz übertragen.“
Glücklicherweise behält der Frechener unrecht, und Deutschland kann durch Jamal Musiala wenige Minuten später das 2:0 nachlegen. „Das ist ein Traum“, platzt es aus Gabriela Kloska beim Jubeln heraus. Es läuft die 32. Minute, und Jamal Musiala schießt das vermeintliche 3:0. Während die Frau am Tisch anfängt zu feiern und Deutschland zum Europameister erklärt, hat Waldemar Kozok mahnend den Finger erhoben und erklärt trocken: „Das Tor zählt nicht.“
Kloska winkt mit der Hand ab, als Havertz zum Elfmeter schreitet
Trotzdem wird die Stimmung merklich lockerer im Biergarten, die Gespräche an den Tischen werden flapsiger und das Spiel der Fußballer wird mit mehr Freude als mit Anspannung verfolgt. Kurz vor der Halbzeit erspielt sich das Team um Bundestrainer Julian Nagelsmann mehrere Tormöglichkeiten, wobei Ilkay Gündogan im Strafraum der Schotten von den Beinen geholt wird. Während die meisten Zuschauer den Möglichkeiten nachtrauern, ist Christoph Kloska als erstem klar: „Das wird Elfmeter geben.“
Er behält recht. Kai Havertz schreitet zum Elfmeterpunkt heran. Kloska winkt mit der Hand ab und sagt: „Der wird nicht treffen.“ Er hat unrecht. Die Stimmung ist nach dem 3:0 kurz vor dem Siedepunkt.
In der zweiten Spielhälfte ist auch der letzte DFB-Fan völlig entspannt dabei, es wird viel mehr geredet an den Tischen als zu Beginn der Begegnung. Erst das 4:0 durch Niklas Füllkrug lässt ausnahmslos alle Blicke wieder auf die Bildschirme wandern, woraufhin alle Zurückhaltung aufgegeben wird. Jetzt feiern Christoph und Gabriela Kloska sowie Waldemar Kozok icht mehr nur an ihrem Tisch, sondern umarmen die weiteren Gäste und feiern mit den Kellnern zusammen.
Ein ungläubiges, dennoch glückseliges Kopfschütteln über das Ergebnis auf der Anzeigetafel, welches die Nationalelf im weiteren Verlauf noch ausbauen wird, geht im „Alten Bahnhof“ in Frechen herum. Nach dem Spielende sind sich die Eheleute Kloska sicher: „Deutschland zieht gegen Spanien in das Finale ein und wird Europameister.“ Ihr Freund Waldemar Kozok entgegnet darauf nur: „Ich bin Pessimist. Der Sieg bedeutet nicht, dass wir jetzt durchmarschieren. Aber der Sieg ist alles, was jetzt zählt.“