FlutkatastropheLandrat lud Betroffene und Helfer zu Begegnungsfest nach Erftstadt ein
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Rhein-Erft-Kreis/Erftstadt – Die Kinder vergnügten sich im Sonnenschein auf den Wasserspielgeräten im Naturerlebnispark Gymnicher Mühle, die Erft plätscherte träge am idyllischen Gelände vorbei, es gab kühle Getränke, heiße Würstchen, musikalische Unterhaltung und viele lehrreiche Informationen rund um das Lebenselement Wasser.
Doch ganz so unbeschwert, wie die Atmosphäre am Sonntag auf den ersten Blick im Park an der alten Mühle wirkte, war sie dann doch nicht: Gut ein Jahr nach dem verheerenden Hochwasser hatten Landrat Frank Rock und seine Kreisverwaltung Fluthelferinnen und -helfer aus nah und fern, aber auch Opfer der Katastrophe zu einem großen Begegnungsfest nach Gymnich eingeladen.
Erinnerungen an viel Hilfsbereitschaft und Solidarität
Hunderte Gäste kamen, und es lebten naturgemäß auch schlimme Erinnerungen wieder auf. Mindestens ebenso stark in vielen Köpfen verankert ist aber die Dankbarkeit dafür, dass so viele Menschen helfend angepackt und ungezählte Beispiele für hautnah gelebte Solidarität abgelegt haben, als das Wasser am 14. und 15. Juli vergangenen Jahres seine zerstörerische Kraft entfaltete.
Zu den wohl ergreifendsten Momente kam es, als professionelle und ehrenamtliche Helfer im Gespräch mit dem Landrat und Radio-Erft-Moderatorin Julia Drexler ihre Erinnerungen schilderten.Kreisbrandmeister Peter Fenkl etwa berichtete von den Hunderten Notrufen verzweifelter Menschen, die innerhalb kürzester Zeit bei der Leitstelle eingingen.
Enorme Belastung für Feuerwehr und Polizei
„Obwohl sämtliche Einsatzkräfte im Dienst waren, konnten wir das alles gar nicht schnell genug aufnehmen. Und wenn dann 50 Leute gleichzeitig in der Warteschleife sind und man nicht weiß, ob es nur um einen vollgelaufenen Keller geht oder ob vielleicht jemand um sein Leben kämpft, hat man einfach ganz große Angst, nicht rechtzeitig da zu sein, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird.“
Verleihung der Carl-Schurz-Medaille
Almut Schuhmann
Wegen seines Einsatzes für Freiheit und Demokratie musste sich der 1829 in Liblar geborene Revolutionär Carl Schurz Anfang der 1850er-Jahre ins US-amerikanische Exil retten, wo er sich dem Kampf gegen die Sklaverei anschloss und später Innenminister wurde. Für Freiheit und Demokratie setzt sich auch Almut Schuhmann ein, die jetzt von Bürgermeisterin Carolin Weitzel mit der selten vergebenen Carl-Schurz-Medaille geehrt wurde.
„Der Stadtrat und ich als Bürgermeisterin waren uns schnell einig, dass kaum jemand diese hohe Auszeichnung so sehr verdient hat wie Almut Schuhmann“, sagte Weitzel. Almut Schuhmann selbst war das Aufsehen um ihre Person fast ein wenig unangenehm, und so widmete sie die hohe Auszeichnung gleich auch all jenen, die sich an ihrer Seite für ein gutes gesellschaftliches Miteinander engagieren.
Da ist an erster Stelle das Team des evangelischen Begegnungscafés für geflüchtete Menschen zu nennen. Die Flüchtlingsarbeit auch bei der ökumenischen Initiative Pro Asyl bildet spätestens seit dem großen Zustrom Hilfesuchender im Jahr 2015 einen Schwerpunkt von Schuhmanns Engagement. Zurzeit kümmert sie sich vor allem um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. (jo)
Auch Polizeiführer Ralph Manzke sprach von enormen Belastungen für die Einsatzkräfte. „Es ist wirklich schlimm, wenn weinende Menschen vor einem stehen und darum flehen, noch einmal ganz kurz in ihr überschwemmtes Haus zu dürfen, um noch ein paar Sachen zu retten. In so einer Situation aus Sicherheitsgründen nein sagen zu müssen, ist schon eine enorme psychische Belastung.“
20 Gaffer filmten, nur eine Person bot Hilfe an
Dramatisch sei auch die Situation auf der überschwemmten Bundesstraße 265 gewesen, wo sowohl Polizeikräfte als auch Menschen in ihren vom Wasser umspülten Autos in akuter Lebensgefahr gewesen seien. „Einige haben sich erst in buchstäblich letzter Minute retten können.
Eingebrannt hat sich auch die Situation, als zwei Beamte dort ein Rentnerehepaar mit letzter Kraft bergen mussten und von einer Brücke aus bestimmt 20 Gaffer mit ihren Handys filmten. Nur ein einziger bot Hilfe an. Einige Kolleginnen und Kollegen sind bis heute noch nicht wieder voll belastbar“, sagte Manzke.
Landrat Frank Rock: „Die Katastrophe hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.“
Auch für Landrat Rock und Erftstadts Bürgermeisterin Carolin Weitzel waren die Fluttage nach eigenem Bekunden mit das Schlimmste, was sie je erlebt haben. „Die Katastrophe hat sich für immer in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt.
Aber auch in den dunkelsten Stunden gab es Lichtblicke: die Solidarität, die gelebte Gemeinschaft, die bis an die Grenze der Belastbarkeit gehende Hilfsbereitschaft der vielen Helferinnen und Helfer. Uns allen wünsche ich, dass wir diese Solidarität bewahren können, dass wir zusammenrücken, um die neuen Herausforderungen in diesen enorm schwierigen Zeiten gemeinsam zu meistern“, sagte Rock.