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Zwischen Tagesschau und DrohbriefenDas ist der Bergheimer Organisator der Lkw-Demos

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Gerd Fischer, Spediteur aus Bergheim-Niederaußem, hat zuletzt Lkw-Demos organisiert.

  1. Gerd Fischer organisierte eine große „Dieseldemo“ und führte am Wochenende einen Lkw-Protestkonvoi durch Köln.
  2. Wir haben den Spediteur, der überregionale Bekanntheit erlangte, getroffen.

Bergheim-Niederaußem – Das Leben von Gerd Fischer aus Niederaußem steht seit einigen Tagen auf dem Kopf: Ein Auftritt in der Tagesschau, Drohanrufe, zujubelnde Autofahrer, anonyme Schmähbriefe, ein von der Polizei begleiteter Konvoi, stolze Eltern und eine besorgte Freundin.

Dennoch sitzt der 46-Jährige mit selbstsicherer Gelassenheit in der Fahrerkabine seines roten 40-Tonners und lässt sich auch durch das ständige Vibrieren seines Handys in der Ablage über dem weißen Kaffeebecher nicht aus der Ruhe bringen. „Wir werden nicht stehen bleiben, sondern immer weitergehen, ich mache das nicht nur für mich, sondern für alle“, erklärt der selbstständige Spediteur seine Ambitionen, die zu bundesweiter Aufmerksamkeit führten: Aufgrund der hohen Spritpreise organisierte er am Wochenende eine große „Dieseldemo“ und führte auch einen Protestkonvoi von LKW durch die Kölner Innenstadt an.

Bergheim: Auslöser in der Nachbarschaft

Der Auslöser für das tatkräftige Engagement von Fischer war jedoch nicht nur die große Politik, sondern eine kleine Begebenheit in seiner Nachbarschaft. Ein älteres Rentnerpärchen hätte sich besorgt über den hohen Ölpreis geäußert: „Gerd, wir können das wohl nicht mehr bezahlen.“ Berührt von der Not habe er sich dann einfach mal ein paar Tage Gedanken gemacht und sei auf die Idee einer Demonstration gekommen.

Schnell fand er in seinem Kollegen Rainer Albers aus Schmallenberg einen Mitstreiter. Nicht zuletzt auch, weil beide wie viele der Spediteure sehr unter den hohen Spritpreisen leiden. „Wir hauen alle drei Tage 700 Liter Diesel in unsere Fahrzeuge rein“, klagt der Nießeraußemer. „Bei meinen drei Fahrzeugen sind das mehrere Tausend Euro Mehrkosten pro Woche, das geht langsam an meinen Puffer.“

Erst RWE-Kraftwerker, dann Fitnesstrainer, jetzt Spediteur

Aufgeben und zu Hause sitzenbleiben, wozu einige Kollegen schon gezwungen seien, war für Fischer keine Option: „Ich muss immer weitermachen, das habe ich so im Blut.“ Halbe Sachen sind wohl nicht sein Ding: Schon während der Ausbildung zum Kraftwerker bei RWE war er Schülersprecher und setzte sich für die Rechte seiner Kollegen ein. Als Kraftsportler machte er eine Ausbildung zum Fitnesstrainer und eröffnete ein eigenes Studio. Das Hobby Kochen perfektionierte er mit zahlreichen Kursen – am liebsten serviert er nun Hausmannskost und Steaks vom Grill. Und seine Leidenschaft für den 1. FC Köln wird seit über zehn Jahren mit einer Dauerkarte gekrönt.

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Entschlossen und etwas stur köpfig reagiert der Spediteur auch auf die Schattenseiten seiner Aktion. Er erhält anonyme Briefe und Anrufe, die ihm wüst drohen. „Man wolle mir die Beine brechen und ähnliches“, verwundert sich Fischer unerschrocken. „Ich kann mir das nicht erklären und würde gerne mit diesen Leuten mal richtig über das Dieselthema reden.“

Freundin hat ein wenig Angst um Bergheimer

Einschränken lässt sich der Vater zweier erwachsener Kinder davon nicht. Lediglich seine Freundin, die viel Verständnis und Bewunderung für das Engagement zeige, habe nun ein wenig Angst um ihn, ermutige ihn aber zum Weitermachen.

Und genau das hat Fischer vor: Weiterhin wird er morgens um fünf Uhr in seinen 16 Meter langen Truck steigen, ab halb sechs abends im Büro arbeiten, bis 21 Uhr die Anrufe besorgter Kollegen beantworten und neue Protestaktionen planen: „Es müssen noch mehr Leute mitmachen, wir müssen noch mehr Aufmerksamkeit bekommen.“ Bei allem Kampfgeist hat Fischer aber auch sanfte Seiten: Er liebt Spazierengehen, am liebsten in der Natur, und seine zwei Katzen: „Ich brauche abends einfach ein Schmusetier.“