- Die Bürgermeisterwahl ist in Wiehl mehr oder weniger Formsache.
- Das öffentliche Interesse richtet sich desto mehr auf die Zusammensetzung des neuen Stadtrats.
- Die wichtigsten Informationen zu den Parteien und ihren Programmen.
Wiehl – Die Wiehler Konsensdemokratie ist in Bewegung gekommen ist. Als die CDU im März den Anspruch formuliert hat, nach der Wahl mit einer absoluten Mehrheit die Richtung vorzugeben, wurde der Wahlkampf eröffnet.
Aufgrund des Corona-Lockdowns war dann zwar erst einmal wieder Pause. Vor kurzem kam die SPD dann aber mit einem Alternativkonzept für den Neubau des Gymnasiums aus der Deckung. Die Großinvestition ist damit ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung gerückt. Die Wiehler Sozialdemokraten schärfen ihr Profil, sicher auch in der Sorge, dass die informelle Große Koalition im Stadtrat ihr ähnliche Stimmenverluste beschert wie der Bundespartei in Berlin. Aber auch wenn SPD-Parteichef Bernd Teuber angedroht hat, linke Mehrheiten zu organisieren, werden sich die Wogen nach der Wahl wohl bald wieder glätten.
Gymnasiumsbau, Gewerbegebiet, Steuererhöhungen
Den parteilosen Bürgermeister Ulrich Stücker dürfte es allemal vor der Aussicht grausen, dass die beiden großen Fraktionen im Rat, die ihn in die Stadt geholt haben und auch bei der erneuten Kandidatur unterstützen, künftig gegeneinander arbeiten. Ein breiter politischer Konsens ist für ihn Geschäftsgrundlage. In den vergangenen fünf Jahren hatte er genug damit zu tun, die kleinen Parteien einzubinden. Die politische Konkurrenz im Stadtrat wird nicht harmloser werden. Was der wahrscheinliche Einzug der AfD darüber hinaus für Auswirkungen hat, bleibt abzuwarten.
In Wiehl stehen in der bevorstehenden Wahlperiode zahlreiche Weichenstellungen mit politischem Reibungspotenzial an. Vom Gymnasiumsbau war schon die Rede, ein ähnliches Kaliber ist das Drabenderhöher Gewerbegebiet. Dazu kommen viele kleinere Schauplätze wie die konkrete Ausgestaltung des Wiehlparks und die Zukunft des Bereichs am Hotel Platte. Die Frage, ob Steuererhöhungen sinnvoll sind, ist mit der Corona-Krise auch nicht weniger heikel geworden. Ob der Stadtrat zur Bühne der politischen Eitelkeit oder zum Kampfplatz der Ideen wird, hängt von den Protagonisten ab.
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Auf den Vorschlagslisten der Parteien für die Wahl stehen viele bekannte Namen, manchmal in neuer Rolle. Beispielsweise kandidiert Altbürgermeister Werner Becker-Blonigen (FDP) für den Kreistag und Ehefrau Bettina für den Stadtrat, wenn auch nicht wie der liberale Parteichef Dr. Erwin Kampf (BBs Vorgänger an der Spitze des Kulturkreises) an vorderer Position. Bei der CDU tritt mit Markus Schell ein weiterer Mann aus der BPW-Chefetage an, Kollege Michael Pfeiffer hat als Schulpolitiker ohnehin noch viel vor.
Den mehr als 20 000 Wiehler Wählern obliegt es, die Karten neu zu mischen.
So gehen die Parteien in die Kommunalwahl
CDU: An der Spitze der Reserveliste stehen Fraktionssprecherin Larissa Gebser (41, Politikwissenschaftlerin, derzeit in Familienzeit), der Erste stellvertretende Bürgermeister Sören Teichmann (44, Diplom-Finanzwirt) und BPW-Chef Michael Pfeiffer (61). Die CDU strebt eine Mehrheit von 51 Prozent an (2014 holte sie 37,5), bekennt sich aber auch zur „Wiehler Koalition der Vernunft“. Die Union will eine „realistische Neubewertung der Finanzlage“ angesichts der Pandemie. Sie plädiert für konkrete Planungen für den Schulbau, namentlich für einen Neubau von Gymnasium und Grundschule auf dem Stadiongelände. Allgemein strebt sie eine „Zukunftssicherheit“ für junge Familien, Singles und ältere Mitbürger an. Dafür brauche man bezahlbaren Wohnraum, der Ökologie und Verkehrsnotwendigkeiten berücksichtigt.
SPD: Die Wiehler Sozialdemokraten haben den amtierenden Fraktionssprecher Karl-Ludwig Riegert (72, Pensionär) an die Spitze ihrer Liste gesetzt, dahinter folgen Iris Chromow (64, Diplom- Sozialarbeiterin) und Ortsvereinschef Bernd Teuber (62, Unternehmer). Bei der Stadtratswahl will die SPD zumindest die 34,9 Prozent der vergangenen Wahl erreichen, gern auch 40 Prozent. Im Zentrum des Programms steht eine „nachhaltige Bildungspolitik“. Dazu gehören kostenfreie Betreuungsplätze für die Kleinsten, der Neubau des Gymnasiums an alter Stelle und die Digitalisierung der Schulen. Weitere Forderungen sind barrierefreie, familienfreundliche und bezahlbare Wohnangebote. Umweltschutz und ein „ verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzen der Stadt“.
UWG: Hinter Fraktionssprecher Hans-Peter Stinner (60, Diplom-Kaufmann) und dem Stadtverordneten Jürgen Poschner (61, Polizeibeamter i.R.) steht Manuela Thiemig (38, Einzelhandelskauffrau) auf der Liste der UWG. Die Wählergemeinschaft hofft „auf eine Wahrnehmung unseres großen Einsatzes als einzige Nichtpartei im Stadtrat“, somit auf ein ähnliches Ergebnis wie die 8,8 Prozent von 2014. Politische Ziele der UWG sind die Schaffung eines gemeinsamen Campus für Gymnasium und Sekundarschule, die energetische und ökologische Modernisierung der städtischen Gebäude, ein Glasfasernetz für das gesamte Stadtgebiet, die Instandhaltung der Gemeindestraßen, Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum und ein besserer ÖPNV.
Grüne: Die amtierenden Ratsmitglieder Elke Zakaria (64, Apothekerin), Jürgen Körber (71, Lehrer a.D., Musiker) und Ricarda Weber (48, Verwaltungsangestellte) werden an der Listenspitze der Grünen abgesichert. Der Ortsverband will sein Wahlergebnis von 2014 diesmal annähernd verdoppeln auf 14 Prozent. Wichtigstes Thema ist der Klimaschutz. Dazu gehören flexible Lösungen für die Mobilität auf dem Lande, eine dezentrale Energieversorgung, der Stopp der Flächenversiegelung und die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft. Mit einem Sparkurs soll das Haushaltsdefizit abgebaut werden. Die Grünen wollen das DBG im Bestand sanieren und die Sekundarschule in Bielstein zur Gesamtschule ausbauen.
FDP: Die Liste der FDP führen Fraktionssprecher Dominik Seitz (36, IT-Berater) , Parteichef Dr. Erwin Kampf (68, Unternehmer) und Sebastian Franken (40, Rechtsanwalt) an. Die Liberalen halten 9 Prozent für erreichbar, das wären 2,6 Prozentpunkte mehr. Punkten wollen sie mit der Förderung des Wiehler Gemeinsinns. Dafür brauche es eine effiziente Verwaltung, einen engagierten Rat und bei allen den Mut, „über parteipolitische Tellerränder hinauszuschauen“. Der Wiehler Stadtrat sollte die zu erwartende politische Vielfalt nutzen, statt sich von ihr blockieren zu lassen. Es gelte der Grundsatz: „Unsere Demokratie kann bunt sein, verhandelbar ist sie mit uns nicht.“
Linke: Die amtierenden Ratsmitglieder Matthias Lammerich (38, Steuerfachangestellter) und Manfred Kriegeskorte (67, Technischer Zeichner i.R.) wollen mindestens 8 Prozent (2014: 4,9) und einen weiteren Sitz für Marko Wegner (53, Kaufmann) erringen. Die Partei sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und beim Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Neue Gewerbegebiete sollten nur im Einklang mit dem Naturschutz und den Lebensbedingungen der umliegenden Anwohner erschlossen werden.
AfD: Mit bis zu zehn Prozent wollen Jutta Hube (63, Betriebswirtin), Dietmar Rekowski (55, Berufsschullehrer) und Daniel Schwach (28 , Referent Vorstandsstab) in den Wiehler Stadtrat einziehen. Sie setzen auf Wirtschaftsförderung durch gute Infrastruktur und Freiräume fürWachstum, ein gutes Angebot an Gewerbeflächen, gute Verkehrsanbindungen und leistungsfähige Internetzugänge. Vorangetrieben werden müsse die Digitalisierung der Schulen, zudem brauche die Stadt einen Familienausschuss. (tie)