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Bergische Bastion für Walking Football„Wer es einmal probiert, bleibt dabei“

Lesezeit 6 Minuten

Die Silberfüchse Mario Müller (l.) und Eckard Demmer sind begeisterte Walking Footballer.

Oberberg – 2018 gründete der SSV Süng die erste Walking Football-Mannschaft im Fußballkreis Berg. Bis heute ist es die einzige geblieben. Um für ihren Sport zu werben, haben die Sünger am Samstag ein internationales Turnier organisiert. Was sie am Geh-Fußball fasziniert, darüber sprach Andrea Knitter mit Mario Müller (48), SSV-Geschäftsführer, und Spieler Eckhard Demmer (62).

Sie nennen sich die Silberfüchse, haben im Schnitt 20 Fußballer und eine Fußballerin im Training. Wie kam es zu der Mannschaft?

Mario Müller: Im August 2018 hat der Fußballverband Mittelrhein (FVM) das Konzept „Walking Football“ an die Vereine herangetragen und wir haben einfach gesagt, dass wir es machen.

War das wirklich so einfach?

Müller: Ja, wir haben Leute angesprochen und ein Team auf die Beine gestellt, sowie ein Spiel gegen Leverkusen organisiert. Unter Beteiligung des FVM fand auf unserem Platz die Auftaktveranstaltung unter dem Titel „Bewegt Älter werden“ statt. Jeder, der wollte, konnte mitmachen und so waren es schnell 12 bis 14 Fußballer von 50 bis 80 Jahren, die sich zusammenfanden. So viele braucht man auch, um zwei Mannschaften á sechs Spieler zu stellen, die dann gegeneinander antreten.

Es blieb aber nicht beim Training, oder?

Müller: Nein, dafür sind wir zu ehrgeizig. Ein Jahr später haben wir in Almelo in den Niederlanden an einem internationalen Turnier teilgenommen und den achten Platz belegt. Dort haben wir andere Mannschaften getroffen und Kontakte geknüpft, so dass wir jetzt bei unserem Turnier namhafte Mannschaften empfangen, darunter Gold Heracles Almelo, Rosomak Lodz aus Polen, ein Team aus Prag, den FC Twente Enschede sowie Werder Bremen oder den 1. FC Nürnberg.

Eckhard Demmer: Das Turnier in Almelo ist unbeschreiblich. 50 Mannschaften sind am Start und gespielt wird im 12 000 Zuschauer fassenden Stadion. Es war toll, als wir gemerkt haben, dass wir mit Teams wie Schalke, Bielefeld oder Nürnberg mithalten können. Die Nürnberger spielen schon seit der Jugend zusammen. Gerade in den Teams, die an die Bundesliga-Mannschaften angeschlossen sind, gibt es namhafte Spieler wie beispielsweise den Schalker Martin Max. Die sind wie wir einfach fußballverrückt.

Müller: In Holland und in England gibt es sogar eigene Walking-Football-Ligen mit großem Zulauf. Wir besuchen in jedem Jahr drei bis vier Turniere, den Aufwand zahlen wir selber, weil es uns so viel Spaß macht.

Herr Demmer, Sie fahren jeden Montag aus Waldbröl nach Süng zum Training. Wie sind Sie auf Walking Football gekommen?

Ich bin Fahrlehrer und hatte meinen Kollegen Michael Quabach, der Prüfer ist und aus Süng kommt, hinten im Auto sitzen. Ich wusste, dass in Süng Walking Football gespielt wird und habe ihn darauf hingewiesen. Drei Wochen später hat er mich dann gefragt, was mit mir sei. Seitdem fahre ich jeden Montag zum Training und wache jeden Dienstag mit Muskelkater auf.

Sie waren beide aktive Fußballer, was macht Walking Football für Sie aus?

Demmer: Ich habe mit fünf Jahren in Hochwald angefangen, bin mit sieben Jahren zum RS 19 Waldbröl gewechselt, doch mit 21 Jahren war durch Verletzungen alles gegessen. Ich habe meinen Trainerschein gemacht und lange Jahre Mannschaften trainiert. Jetzt will ich mich in meiner Sportart im Alter ein bisschen bewegen. Man hat natürlich immer das Gefühl, losspurten zu wollen. Dann muss ich mich bremsen und sagen, du kannst gehen und Schluss.

Müller: Die meisten von uns hätten es ohne Walking Football nie geschafft, nochmal auf dem Fußballplatz zu stehen. Erst ist es schwierig, sich das vorstellen.

Demmer: Dann aber erwacht der Ehrgeiz.

Wie muss man sich Walking Football vorstellen?

Müller: Man darf nur gehen und der Ball muss flach, höchstens einen Meter hoch, gespielt werden. Das Tor ist dreimal ein Meter flach und es gibt keinen Torhüter. Zudem ist Körperkontakt verboten. Gespielt wird auf einem 42 mal 21 Meter großen Feld. Um das Spiel noch attraktiver zu machen, gibt es vor dem Tor eine Strafraum-Matte, die nicht betreten werden darf.

Demmer: Elfmeter werden von der Mittellinie aus geschossen.

Als die ersten Vorschläge für Walking Football kamen, wurde die Art des Fußballs belächelt. Süng ist auch heute noch der einzige Verein im Fußballkreis, der es anbietet. Woran liegt das?

Müller: Wir werden auch heute noch belächelt, dabei wissen die meisten gar nicht, wie anspruchsvoll das Spiel mit den schnellen, kurzen Wegen ist. Die meisten, die sich getraut haben, es auszuprobieren, sind geblieben. Bei mir war es ähnlich wie bei Eckard Demmer. Ich habe mit sieben Jahren mit dem Fußball angefangen und musste mit Mitte 20 aufhören, weil die Knochen nicht mehr mitmachten.

Demmer: Ich habe im Südkreis mittlerweile so viel Werbung gemacht, dass ich glaube, dass es nicht mehr lange dauert, bis es auch dort eine Walking-Football-Mannschaft geben wird. Ich war eingeladen, es vorzustellen. Das ging aber nur an einem Montag und da habe ich ja Training in Süng.

Jetzt sind Sie, Herr Müller, in einer besonderen Situation. Sie sind mit 48 Jahren eigentlich zu jung, um mit der Mannschaft bei Turnieren anzutreten. Ist das nicht schwierig für Sie?

Müller: Bei internationalen Turnieren gilt es ab 55, sonst meist ab 50 Jahren. Man kann aber bei nationalen Turnieren oder Freundschaftsspielen mit den anderen Mannschaften sprechen, dass auch sie jüngere Spieler einsetzen. Wir haben hier mit einigen Teams so guten Kontakt, dass wir uns zu Freundschaftsspielen treffen.

Gibt es bei Ihnen auch einen Trainer, und wie sieht es mit Schiedsrichtern aus?

Müller: Wir haben mit Wolfgang Seibert einen Trainer, der nach Übungen zum Warmmachen auch die Spiele im Training leitet. Bei unserem Turnier kommen ein Schiedsrichter aus Almelo, einer aus Polen und vier aus dem Fußballkreis Berg. Die schwierigste Entscheidung für sie ist immer die Frage, geht er noch oder läuft er schon.

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Auch wenn Sie jetzt vier Jahre der einzige Verein weit und breit sind, der Walking Football anbietet, glauben Sie, dass noch mehr Teams dazu kommen?

Müller: Das glaube ich schon, wir haben ja jetzt die geburtenstarken Jahrgänge und es sind gemischte Mannschaften. In einigen Nachbarvereinen regt sich auch langsam etwas. Vielleicht kommen Interessierte an diesem Samstag ab 11 Uhr bei uns in Süng vorbei und bekommen einen Eindruck vom Walking Football. Wie gesagt, wer es einmal probiert hat, der bleibt dabei.