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Augenheilkunde in WaldbrölAuch mit 76 denkt Hans-Jürgen Schnell nicht an den Ruhestand

Lesezeit 3 Minuten
Dr. Hans-Jürgen Schnell ist auch mit 76 Jahren als Augenarzt noch lange nicht im Ruhestand. Auch in der Gemeinschaftspraxis am Kreiskrankenhaus in Waldbröl ist er anzutreffen. Diese Praxis hat einst sein Bruder Dieter gegründet. Hier sieht man Hans-Jürgen Schnell bei einer Untersuchung.

Dr. Hans-Jürgen Schnell ist auch mit 76 Jahren als Augenarzt noch lange nicht im Ruhestand. Auch in der Gemeinschaftspraxis am Kreiskrankenhaus in Waldbröl ist er anzutreffen. Diese Praxis hat einst sein Bruder Dieter gegründet.

Vor 50 Jahren hat der Mediziner Dieter Schnell in Waldbröl eine Praxis gegründet. Heute gehören auch Standorte in Wiehl und Gummersbach dazu.

Der Feierabend muss warten. Soeben ist ein Notfall eingetroffen, in der Praxis für Augenheilkunde des Medic-Zentrums am Waldbröler Kreiskrankenhaus kümmert sich Hans-Jürgen Schnell sofort um die Patientin. Am frühen Nachmittag setzt der 76 Jahre alte Mediziner den Rucksack auf und startet nach Hause: Keine zwei Jahre dauert sein Ruhestand, nachdem sich Schnell im Dezember 2020 aus seinen Praxen in Wiehl und Waldbröl zurückgezogen hat – eigentlich.

An der Kaiserstraße mitten in Waldbröl beginnt vor 50 Jahrzehnten die Geschichte der Gemeinschaftspraxis

Doch als ein Kollege erkrankt ausfällt und das Handy klingelt, zögert der Ruppichterother keine Sekunde, sofort ist er zur Stelle: In Teilzeit und als Aushilfe kehrt der promovierte Mediziner an den Ort zurück, dessen Wurzeln vor 50 Jahren sein Bruder Dieter (heute 86) gelegt hat – allerdings mitten in der Marktstadt, an der Kaiserstraße 62. Dort arbeitet der Gründer allein – bis Hans-Jürgen Schnell 1982 hinzustößt. Die gemeinsame Praxis bleibt bis Dezember 2003 an der Kaiserstraße, in jenem Jahr nimmt zudem Netzhaut-Spezialist Martin Radermacher den Platz von Dieter Schnell ein, der aus Altersgründen ausscheidet.

Am 1. Januar 2004 beziehen sie die heutigen Räume im damals neuen Medizinischen Versorgungszentrum, dem früheren Schwesternwohnheim des Kreiskrankenhauses. „Gerade bemühen wir uns händeringend, einen Arzt zu finden – allerdings ist das sehr, sehr schwer, zumal vielen jungen Leuten heute die Work-Life-Balance wichtiger ist.“

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Heute führt der Augenarzt Philipp Heymer die Gemeinschaftspraxis, die einst in Waldbröl gegründet worden ist

Wir, das ist nun die Mannschaft von Philipp Heymer, er hat die Praxen von Hans-Jürgen Schnell übernommen. Und nicht nur die: Als die Gemeinschaft jüngst ihr 50-jähriges Bestehen feiert, da zählt sie drei Standorte: Nach der Übernahme der Augenarztpraxis von Herbert Klöckner in Wiehl 2015, gehört seit Beginn dieses Jahres die Fachpraxis von Konstantin Papakostas in Gummersbach ebenfalls dazu. „Wir wechseln uns in den Praxen ab“, erklärt Schnell.

Neben Philipp Heymer gehören Nina Kosanetzky, Olha Denysova und Franziskus Schützeichel sowie ein Arzt in Ausbildung zum Team des wachsenden Betriebs. „Heute arbeite ich da genauso gern wie früher“, betont der gebürtige Pfälzer aus Annweiler am Trifels. Früher seien Zwölf-Stunden-Tage meist selbstverständlich gewesen. „Und am Schreibtisch zu Hause ging es oft noch zwei Stunden weiter.“

Gesundheitliche Rückschläge zeigen Hans-Jürgen Schnell, dass er in Oberberg kürzer treten sollte

Gesundheitliche Rückschläge haben ihm zuletzt jedoch gezeigt, dass er kürzer treten sollte. „Das werde ich auch tun – sobald es eben geht, sobald ich in der Praxis nicht mehr gebraucht werde.“ Mit Tennis und Volleyball halte er sich übrigens fit.

Denn der Arzt kümmert sich nicht nur in Oberberg um die Augen anderer Menschen: Seit 2013 arbeitet er zudem ehrenamtlich in Kamerun, in der Stadt Nkongsamba unterstützt er die deutsche Ärztin Elisabeth Herz. Sie betreibt dort seit mehr als 20 Jahren die Manna Eye Clinic.

„Im April reise ich zum 31. Mal dorthin“, verrät Schnell, der Mitglied des Bergheimer Vereins „Africa Action“ ist. Diese Organisation hat er während der Arbeit in Kamerun kennengelernt. „Ich habe im Leben so viel Glück gehabt, davon möchte ich anderen etwas zurückgeben“, erklärt Schnell sein Engagement, für das er auch auf Spenden angewiesen ist.

Das filigrane Arbeiten an Organen wie eben der Netzhaut und nicht am Blinddarm ist es, was Hans-Jürgen Schnell zu seinem Beruf gebracht hat: „Die Augenmedizin ist zudem ein Fach, in dem man in mehr als 80 Prozent aller Fälle eine Ursache für die jeweilige Beeinträchtigung findet – die Aufklärungsrate ist also sehr hoch“, führt der 76-Jährige aus und ergänzt: „Auch wollte ich immer operieren und ganz nah an der Zeit sein.“ So habe er mindestens dreimal umgelernt, weil es die Entwicklungen in der Augenheilkunde verlangten. Fünf Jahre dauert übrigens die Ausbildung zum Facharzt, hat der angehende Mediziner erstmal das Staatsexamen in der Tasche.

Die Rückkehr in den Job bereue er nicht, betont Hans-Jürgen Schnell – auch wenn aus einem „Ab und zu mal helfen“ längst wieder eine Drei- bis Fünf-Tage-Woche geworden sei.