Kurzfristig mussten auch die oberbergischen Karnevalsvereine als Veranstalter der Züge ihre Sicherheitskonzepte überarbeiten.
Nach TerroranschlägenHohe Sicherheitsauflagen bei Karnevalszügen fordern Oberbergs Vereine

Letzte Besprechung vor dem Sonntagszug in Reichshof-Denklingen: Der Vorstand der KG Rot Weiß, Vertreter vom Ordnungsamt und des Bauhofs der Gemeinde sowie des Straßenverkehrsamts des Kreises nehmen die Sicherheitsvorkehrungen in den Blick, darunter diese Antiterrorsperre.
Copyright: Monika Siegfried-Hagenow
„Jetzt ist es raus. Wir müssen keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen treffen“, Annette Schoder, als Schirrmeisterin des Ründerother Karnevalsvereins (RKV) zuständig für den Zug in der Engelskirchener Ortschaft, fällt ein Stein vom Herzen. Anfang der Woche noch hatte sie befürchtet, dass nach den Terroranschlägen in der jüngsten Zeit die Anforderungen an die Sicherheit erneut verschärft würden. „Ich habe inständig gehofft, dass der Zug fahren kann“, gesteht sie. „Aber die Sicherheit liegt uns natürlich am Herzen.“
Wie alle Karnevalsvereine, so hatte auch der RKV bereits Ende des Jahres das Sicherheitskonzept für den Zug dem Ordnungsamt vorgelegt. Kurzfristig mussten die Vereine als Veranstalter der Züge es jetzt überarbeiten: Wo bisher Schilder oder allenfalls Bauzäune oder Baken als Absperrung genügten, müssen nun an allen Einmündungen von Straßen unverrückbare Hindernisse stehen. Eine Herausforderung für die Vereine.
Sechs Lastwagen-Sperren bei Bielsteiner Rosenmontagszug
„Wir mussten aufrüsten“, berichtet Michael Röser, seit 18 Jahren Zugleiter des Bielsteiner Rosenmontagszugs. „Bisher waren wir immer ein sehr ruhiger Ort ohne Krawalle. Jetzt mussten wir lernen, dass sogar Kleinwagen eine Gefahr darstellen können. Nun haben wir sechs Lastwagen-Sperren, zwei Straßen sind nach München dazugekommen, wir haben den Sanitätsdienst aufgestockt, mehr als 40 Ordner sind unterwegs.“ Das hat Konsequenzen: „Eigentlich würden wir gern selbst feiern, aber wo sollen wir so viele Ordner herbekommen? Wir mussten sogar unseren eigenen Wagen aus dem Zug nehmen. Es kommt noch so weit, dass der Zug fest an einem Ort steht, die Musik spielt und die Leute laufen dran vorbei.“
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Wo das wohl mal enden solle, fragt sich auch Zugleiter Florian Stausberg von der KG Morsbach. Zusätzliche Sperren, auch an kleinen Straßen und Parkplätzen, ein aufgestockter Sicherheitsdienst. Hatte bisher die Polizei geholfen, Absperrungen zu sichern, so wird sie in diesem Jahr „mehr Präsenz auf der Fläche zeigen“, so Guido Lemmer, Ordnungsamtsleiter in Engelskirchen. Zugleiter Andreas Trenkmann zeigt Verständnis: „Sie kontrolliert die Massen.“ Rund 1600 jecke Teilnehmer und 45 Gruppen ziehen am Rosenmontag vorbei an bis zu 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern.

In Reichshof-Denklingen ist die Ortsmitte wegen des Umzugs gesperrt.
Copyright: Monika Siegfried-Hagenow
43 Gruppen sind es in Lindlar, so Zugleiter Oliver Knauf, in Denklingen jubeln bei gutem Wetter bis zu 20.000 Zuschauer den 600 Teilnehmenden zu. Dort geben sich Zugleiter Eric Schneider von der KG Rot Weiß und Ordnungsamtsleiter Markus Pollmann entspannt, hat doch die Gemeinde bereits vor fünf Jahren vier „Terrorsperren“ für die Hauptzufahrten angeschafft. Sie bestehen jeweils aus zwei schweren, durch eine Kette verbundenen Betonblöcken, diese kann im Bedarfsfall für die Durchfahrt von Rettungsdiensten geöffnet werden.
Neu gekauft hat die Gemeinde 20 mobile Betonblöcke, die wie Klemmbausteine verzahnt werden können. Jeder wiege 1,4 Tonnen und könne nur mithilfe eines Baggers bewegt werden, sagt Bürgermeister Rüdiger Gennies. KG-Mann Schneider ist dankbar, dass die Gemeinde Reichshof den Vereinen keine zusätzlichen Kosten aufbürdet.
Oberbergs Karnevalsvereine sind finanziell sehr belastet
Denn die sind ohnehin belastet: Allein die in diesem Jahr erstmals geforderte Betriebserlaubnis für die Prunkwagen schlage mit jeweils 200 Euro zusätzlich zu Buche, rechnet Annette Schoder vom RKV vor, dazu je zwei zusätzliche Security-Leute für sieben Stunden an den Absperrungen bei einem Stundensatz von 30 Euro – das gehe schnell in die Tausende. „Im kleinen Ründeroth mit einem Vereinsbeitrag von 40 Euro ist das kaum noch zu stemmen. Da gehen das Ehrenamt und das Vereinsleben dran kaputt.“
In Waldbröl sind die Ehrenamtler der WKG sogar noch mehr gefordert als in früheren Jahren: Hier geht der Zug bereits am (Wahl-) Sonntag. „Den Karnevalszug in Waldbröl hat Herr Scholz bei der Festlegung des Termins für die Bundestagswahl nicht bedacht“, sagt Vorsitzende Alexandra Noiron schmunzelnd. Schilder aufstellen, 17 Einmündungen sichern, aufräumen – da ist nicht nur von den Bauhofkräften voller Einsatz gefordert. „Der Terror ist im Kopf“, seufzt die Waldbrölerin. „Dieses Jahr sind wir noch aufmerksamer, um jedes Risiko zu vermeiden.“
Der Wipperfürther Bauhof hat zudem eine weitere „schwere“ Aufgabe: In der Hansestadt werden bereits an Weiberfastnacht – und dann auch für den Zug – neben großen Steinen und Traktoren zur Sicherung der Zufahrten sechs riesige, Indutainer genannte Kunststoffbehälter aufgestellt. Mit Wasser befüllt dienten sie – in der Wirkung vergleichbar mit Betonblöcken – als mobile Fahrzeugsperren, erklärt Ordnungsamtsleiter Björn Unterstenhöfer.
„Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht“, gibt Markus Pollmann in Reichshof zu bedenken. „Wir können ja nicht jeden Gullydeckel verschweißen.“ Aber es könne keine Lösung sein, alles komplett abzusagen. „Wir lassen uns den Spaß nicht nehmen“, pflichtet Andreas Trenkmann bei und Markus Stausberg versichert: „Wir geben unser Bestes!“
Das sagt die Polizei zur Sicherheit bei den Karnevalszügen in Oberberg
Karnevalszüge seien, so Polizeisprecher Marc Leporin, private Veranstaltungen. Für die Sicherheit verantwortlich sei der Veranstalter, also der Karnevalsverein. Der Umzug muss von der jeweiligen Kommune genehmigt werden.
Je nach Größe muss der Veranstalter ein Sicherheitskonzept für den Zug erstellen. Die Polizei hat nur anhörende Funktion. Die Straßensperrung muss als Sondernutzung bei der Straßenverkehrsbehörde genehmigt werden. Selbstverständlich, so Leporin, sei die Polizei bei allen Karnevalszügen mit starken Kräften vor Ort.