Seit 55 Jahren gibt es das Fanfarencorps der Zülpicher Prinzengarde. Unfälle bei Festzügen sind bisher gottlob ausgeblieben.
Karneval in ZülpichFür die Musiker ist Rosenmontag ein Kraftakt

Großer Auftritt: Das Fanfarencorps darf Prinz Basti I. nach Köln zur Kostümsitzung der Großen Allgemeinen Karnevalsgesellschaft begleiten.
Copyright: Julia Reuß
Ein Notenständer fällt klappernd zu Boden, zum allgemeinen Gemurmel mischen sich das Rascheln von Notenblättern und Posaunen- oder Trompetentöne. In der Zülpicher Grundschule herrscht ein reges Gewusel. Es ist die letzte Probe des Fanfarencorps der Prinzengarde Zülpich für diese Session. In knapp drei Wochen beginnt der Straßenkarneval, die heiße Phase der fünften Jahreszeit steht bevor – da bleibt keine Zeit mehr zum Üben. Von nun an muss es sitzen.
Zum Einspielen geht Patrick Embgenbroich ein paar Tonübungen mit den Musikerinnen und Musikern durch. Er ist der musikalische Leiter des Fanfarencorps – zumindest für diese Session. Eigentlich ist das nämlich der Job von Bastian Schumacher. Der 47-Jährige hat in diesem Jahr allerdings andere Aufgaben: Er muss als Prinz Basti I. in Strumpfhosen Bützje und Kamelle verteilen und über die Jecken herrschen. Zwar wäre ein Dirigent im Ornat sicherlich originell, doch so raderdoll geht es im Zülpicher Karneval dann doch nicht zu.
Zülpicher Prinzengarde zur Sitzung im Sartory-Saal eingeladen
Im Dezember 2023 habe man ihn gefragt, ob er diese Session einspringen könne, berichtet Embgenbroich. Der 33-Jährige hat viel musikalische Erfahrungen. Er spielte nach eigenen Angaben lange im Landesjugendjazzorchester und ist an Karneval normalerweise viel in Sitzungskapellen in Köln unterwegs.
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In dieser Session heißt es für ihn: Zülpicher Forum statt Gürzenich. Das wirke sich natürlich auch finanziell aus. Denn die Sitzungskapellen in Kölle werden für ihre Dienste bezahlt, während die Zülpicher Musiker nur „für Ruhm und Ehre“ spielen, wie es ein Fanfarencorps-Mitglied ausdrückt. Ein Jahr könne er diesen Verdienstausfall aber verschmerzen, sagt Embgenbroich.

Macht in der kommenden Session gerne wieder Platz: der Interimsleiter des Fanfarencorps, Patrick Embgenbroich.
Copyright: Julia Reuß
Ganz auf kölsches Karnevalsflair muss er aber nicht verzichten: Die Große Allgemeine Karnevalsgesellschaft aus Köln hat Prinz Basti I. zu ihrer Kostümsitzung im Sartory-Saal für diesen Freitag eingeladen. Und der kommt natürlich mit Gefolge. Entsprechend steht bei der Generalprobe der „Marsch der Großen Allgemeinen“ als Erstes auf dem Programm. Nach ein paar Takten winkt Embgenbroich ab und geht ins Detail.
Dicke Trommel gibt im Rosenmontagszug Rhythmus vor
Vor dem Auftritt seien sie alle aufgeregt, berichtet Ulrich Greitzke. Der 65-jährige Trompeter spielt seit 50 Jahren im Fanfarencorps und ist damit dienstältestes Mitglied. So ein Auftritt in Köln sei schon etwas ganz Besonderes, aber auch vor heimischem Publikum steige bei ihm immer noch der Puls. „Eine gesunde Portion Aufregung gehört einfach dazu.“
Gelassen ist er inzwischen, was das Marschieren und gleichzeitige Spielen beim Rosenmontagszug angeht. „Das geht irgendwann in Mark und Gebein über“, so Greitzke. „Man hat immer den Rhythmus durch die dicke Trommel“, führt er weiter aus. Wenn die geschlagen werde, müsse man mit links auftreten – im Prinzip also recht simpel. An einen Unfall kann sich der Trompeter in den vergangenen 50 Jahren nicht erinnern.
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Aufgeregt sind Ulrich Greitzke und Phillip Wolfgarten.
Copyright: Julia Reuß
Etwas nervöser ist da Phillip Wolfgarten, der Elfjährige ist das jüngste aktive Mitglied des Fanfarencorps und darf in dieser Session zum ersten Mal bei den Auftritten dabei sein. „Das ist aufregend.“ Im Rosenmontagszug sei er schon viele Jahre mitgelaufen – in diesem Jahr nun zum ersten Mal mit Posaune. Doch dank zweier Einsätze beim Martinszug, fühlt sich der junge Musiker gut vorbereitet.
Musiker üben an St. Martin für Rosenmontagszug
Es sei üblich, dass der Nachwuchs an St. Martin seinen ersten Auftritt habe, berichtet Simon Deuster, Trompeter und Vizepräsident der Prinzengarde. Die Dunkelheit sei zwar eine zusätzliche Herausforderung, gleichzeitig verstecke sie aber auch Fehltritte. Insgesamt sei der Martinszug einfach lockerer als der Rosenmontagszug.
Trotzdem rate man den jungen Musikerinnen und Musikern, das Spielen und gleichzeitige Marschieren vorab zu üben. Denn ganz ungefährlich sei das nicht, berichtet Deuster. „Wenn man in so ein Schlagloch tritt, rutscht die Trompete weg – da kann man sich ganz schön verletzen an der Lippe und an den Zähnen.“ Und gerade für die Blasmusiker seien intakte Lippen wichtig.
Knapp 3,5 Kilometer ist der Rosenmontagszug in Zülpich lang. Für die Strecke brauche man etwa vier Stunden, berichtet Deuster. Und der Tag fängt für das Fanfarencorps noch früher an, denn die Musiker holen den Prinzen ab und bringen ihn zu seinem Wagen. „Der Rosenmontag ist schon anstrengend für uns Musiker“, fasst es der Trompeter zusammen. Neben Kondition brauchen die Blasmusiker da vor allem eins: Ansatz.
Zülpicher Prinzengarde nimmt auch Frauen auf
Deshalb fängt das Fanfarencorps schon früh an, den Nachwuchs zu trainieren. „Wir haben die Regel, dass wir nach der Kommunion einen Infoabend machen“, berichtet Deuster. Wer Interesse hat, bekommt vom Verein finanzielle Unterstützung beim Musikschulunterricht und dem Instrumentenkauf. Aktuell spielen im Fanfarencorps Trompeten, Saxofone und Posaunen. Dazu kommt noch das Schlagwerk.
Grundsätzlich sei man aber für alle Blasinstrumente offen, sagt Patrick Embgenbroich. Offen ist man auch für alle Geschlechter. Anders als in anderen Zülpicher Karnevalsvereinen seien Frauen bei ihnen ebenso Mitglieder wie Männer, berichtet Deuster. Im Fanfarencorps sind Letztere dennoch deutlich in der Überzahl: Nur zwei Frauen sind bei dieser Probe dabei.

Letzte Probe: Konzentriert arbeiten die Musikerinnen und Musiker um Simon Deuster (3.v.r.) am Feinschliff.
Copyright: Julia Reuß
Sie haben wie ihre Kollegen inzwischen andere Noten aufgeschlagen. „Jeck Zesamme“ steht oben drüber. Es ist ein Medley aus Karnevalsklassikern. Das Stück sei ein Geschenk des Prinzen an alle Musikgruppen der Zülpicher Karnevalsvereine, berichtet Embgenbroich. Das Repertoire des Fanfarencorps werde stetig erweitert. Immer wieder kommen neue Stücke hinzu und andere müssen dafür weichen. Eine Besonderheit ist die Musik für das Tanzpaar. Die wird laut Simon Deuster nämlich eigens nach den Vorlieben des Paares für das Fanfarencorps arrangiert.
An Weiberfastnacht wird der Prinz überrascht
Und obwohl dies die letzte Probe der Session ist, studiert das Corps noch ein ganz neues Stück ein. Dabei handelt es sich um eine Überraschung für Prinz Basti. An Weiberfastnacht sei es Tradition, dass das Fanfarencorps nicht in Uniform, sondern im Kostüm spiele, berichtet Deuster. Dabei müssen die Kostüme irgendetwas mit dem Prinzen zu tun haben.
In diesem Jahr wollen die Musikerinnen und Musiker dem Auftritt mit einer kleinen musikalischen Überraschung die Krone aufsetzen. „Das ist zu tief für die Posaune“, bemängelt Patrick Embgenbroich nach einem ersten Durchspielen eine Stelle. Die Posaunisten korrigieren, danach spielt das Fanfarencorps das Stück noch einmal.
In der Mitte des Probenkreises steht ein Kasten Kölsch bereit – auch das Anstoßen will geübt sein und es ist immerhin die letzte Probe der Session.
Kein Ramba-Samba im diesjährigen Straßenkarneval
Unkonventionell und bunt – Musik im Karnevalszug kann auch ganz anders klingen als Marschmusik. Das beweisen seit knapp zehn Jahren die Mitglieder der Gruppe Ramba-Samba aus Lommersdorf auf zahlreichen Karnevalszügen in der Eifel. Gegründet wurde die Gruppe von Monika Kropp. „Mein Schwager lief Marathon in Köln, da habe ich das zum ersten Mal gehört und war sofort infiziert.“
Inzwischen umfasst die Gruppe etwa 20 Leute. Auch Kinder und Jugendliche seien dabei, es dürften aber gerne noch mehr werden, lässt Kropp wissen. Geprobt wird immer am ersten und dritten Freitag im Monat von 18.30 bis 20.30 Uhr in Lommersdorf. Wer Interesse hat, kann sich per E-Mail melden.

Fehlen in dieser Session: Ramba-Samba.
Copyright: Stephan Everling
Notenlesen ist keine Voraussetzung. Die Trommlerinnen und Trommler haben auch keine. Stattdessen geben Leitsprüche wie „Samba am Rhein, das ist geil“ den Rhythmus vor. Und das kommt an. „Da, wo wir sind, werden wir immer wieder eingeladen.“ Am Schönsten sei es, wenn auch die älteren Zuschauenden am Wegesrand mitwippten, berichtet Kropp.
In diesem Jahr müssen Groß und Klein allerdings auf Ramba-Samba im Eifeler Straßenkarneval verzichten. Der Grund: Die Anpfeiferin, Kropps Tochter, ist verzogen. Zwar gebe es schon jemand Neuen für die Rolle, allerdings sei es noch zu früh, um im Straßenkarneval aufzutreten, so Kropp.