Oberbergischer Kreis – Uwe Ufer, Vorstand der Diakonie Michaelshoven, hat an einem juristischen Lehrbuch mitgewirkt. Wir sprachen mit ihm. Wie kommt ein Nicht-Jurist wie Sie, Herr Ufer, dazu, ein juristisches Lehrbuch zu schreiben, das dann auch in einem renommierten Fachverlag erscheint, den jeder Jurastudent kennen muss? Ufer (schmunzelt): Das ist eine lange Geschichte. Am Anfang stand ein Restrukturierungsprozess bei uns in der Diakonie Michaelshoven, der vor zwei Jahren begonnen hat und vor wenigen Wochen abgeschlossen wurde. Das lag zunächst vor allem daran, dass wir drei sehr gute Geschäftsführer beschäftigten, die nur ein Problem hatten: Sie waren gleich alt und gingen deshalb zur selben Zeit in den Ruhestand.
War das denn Ihr einziges Problem?
Nein, hinzukam auch, dass wir in den acht Jahren, in denen ich jetzt als Vorstand bei der Diakonie Michaelshoven bin, alle wesentlichen Kennzahlen des Unternehmens verdoppelt haben: unseren Umsatz, die Zahl unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und die Zahl unserer Einrichtungen. Die große Frage war: Wie geht man damit um? Und die habe eben nicht nur ich mir gestellt, sondern auch Prof. Dr. Stephan Schauhoff. Er ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner einer angesehenen Großkanzlei in Bonn und Professor an der Bonner Universität. In seinem Fachbereich ist Schauhoff der Papst des Gemeinnützigkeitsrechts. Und vor allem der designierte Vorsitzende unseres Kuratoriums bei der Diakonie Michaelshoven.
Das war ja aber zunächst einmal eine ganz praktische Frage. Wie kommt man von da bis zum Lehrbuch?
Rein zufällig hat genau in dieser Zeit der Bundesgesetzgeber das Gemeinnützigkeitsrecht in Deutschland von Grund auf verändert. Der einschlägige Kommentar zum alten Recht, den Schauhoff auch geschrieben hatte, war aber schon 15 Jahre alt. Außerdem meinten die Leute vom Verlag: So einen Kommentar mit 1500 Seiten, den liest doch heute keiner mehr. Was sie wollten, war etwas Neues – nicht nur eine rechtliche Einordnung der Vorschriften, sondern auch eine Einordnung in den Kontext einer modernen Unternehmenspolitik.
Und so kamen Sie ins Spiel?
Ja. Das Buch, das wir zusammen geschrieben haben, verbindet die rechtlichen Aspekte von Schauhoff und die betriebswirtschaftlichen Aspekte, die ich übernommen habe. Alle Fälle, die wir als Beispiele eingebaut haben, sind bei uns genauso passiert. Es ist ja vor allem für Praktiker gedacht.
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Zwei Autoren, zwei Disziplinen: Funktioniert das?
(lacht) Natürlich war es schwierig. Der Jurist strukturiert die Welt, dass es dem Finanzamt wohlgefällt. Der BWLer, der ich bin, strukturiert ein Unternehmen, um perfekte Prozesse zu etablieren und dafür zu sorgen, dass es erfolgreich ist. Natürlich muss dabei auch auf das Recht geachtet werden.
Und das trotz aller Gemeinnützigkeit?
Letztlich ist das nichts anderes. Ja, natürlich sind wir einerseits nicht dazu da, einfach nur besonders gute Zahlen zu schreiben. Da gibt es für mich als Vorstand zum Beispiel auch keine Boni und keine besondere Zuwendungen. Andererseits müssen auch wir Geld verdienen, denn sonst haben wir nichts, was wir reinvestieren könnten. Jeder Cent aus unserem Gewinn fließt wieder ins Unternehmen für gemeinnützige Zwecke. Das heißt also: Wir haben heute nicht nur zweimal so viel Umsatz, sondern auch zweimal so viele Altenheime, zweimal so viele Kitas und zweimal so viele Pflegeeinrichtungen. Ich sage immer: Das ist der einzige Unterschied zwischen uns und Porsche.
Aber ohne Recht geht es auch nicht, oder?
Völlig klar. Und natürlich beherrsche ich das Recht, das ich für meine Arbeit brauche. Aber der bloße Rechtsvollzug reicht nicht. Die kaufmännische Arbeit bestimmt den Alltag.
Was hat sich denn mit der Reform des Gesetzgebers geändert?
Sie bietet einfach mehr Möglichkeiten für Unternehmertum und ist auf die Praxis eingestimmt worden. Das alte Recht war mittlerweile wesentlich praxisfremder. In den neuen Vorschriften wird zum Beispiel der Tatsache Rechnung tragen, dass wir in Konzernstrukturen arbeiten: Es gibt einen eingetragenen Verein als Mutter und darunter viele einzelne gemeinnützige GmbHs. Das ist alles flexibler. Jemandem wie mir kommt das entgegen.
Wenn alles flexibler wird, warum braucht man dann überhaupt noch Gemeinnützigkeit?
Weil es einen Sinn ergibt. Das ist ein wichtiger Faktor geworden – auch für die Menschen, die für uns arbeiten. Es gibt viele junge Leute, die nicht mehr nur danach fragen, wie viel Geld sie verdienen, sondern ob es einen Sinn macht, was sie da tun. Umso attraktiver ist es für sie, eine sinnstiftende, weil gemeinnützige Tätigkeit auszuüben. Eine, deren Gewinn zu 100 Prozent reinvestiert wird.
Welche Rolle spielt dabei das Wachstum, das Sie beschrieben haben? Ist es dann ein Segen oder eben doch auch ein Fluch?
Es macht mir durchaus Sorgen. Nicht, weil ich glauben würde, dass wir mit der damit verbundenen Verantwortung nicht umgehen könnten. Die große Frage ist eine andere: Wenn wir so wachsen müssen, was heißt das für die Gesellschaft? Wie kann es sein, dass es so viel Bedarf gibt? In Köln zum Beispiel fehlen 4000 Pflegeplätze. Wir schließen Lücken, die es eigentlich nicht geben dürfte.
Vielleicht deshalb, weil der Job sich für andere nicht lohnt?
Ja, natürlich haben wir gewerbliche Konkurrenz. Und natürlich sind wir ein sehr teurer Anbieter. Aber das liegt eben auch daran, dass wir tarifgebunden sind, dass wir nach BAT-KF bezahlen. Alle wundern sich immer, aber eine Krankenschwester, die bei uns arbeitet oder zum Beispiel auch bei der Uniklinik Köln, verdient nicht schlecht. Das Problem mit der zu geringen Bezahlung gibt es nur da, wo die Mitbewerber die Kosten drücken müssen, um am Markt bestehen zu können.
Und wie sinnstiftend ist der Job für Sie?
So, dass ich ihn sehr gerne weitermachen würde – genauso wie Prof. Dr. Schauhoff im Kuratorium. Wir haben inzwischen bauliche Beschlüsse für die kommenden sechs Jahre auf den Weg gebracht. Und wir beide haben gesagt, dass wir das gerne zu Ende bringen würden. Entscheiden muss das aber mein Arbeitgeber. Aktuell läuft mein Vertrag bis 2023. Im nächsten Jahr wird über eine Verlängerung entschieden.
Zur Person:
Uwe Ufer war fünf Jahre Kämmerer in Reichshof, vier Jahre Beigeordneter in Morsbach und neun Jahre lang Bürgermeister in Hückeswagen. Eines war der 56-Jährige allerdings nie: Jurist. Dennoch hat er jetzt an einem juristischen Lehrbuch über „Gemeinnützige Unternehmen und Konzerne” mitgeschrieben, das im Beck-Verlag erschienen ist.