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Interview mit OberstaatsanwaltWar der Messerangreifer von Gummersbach schuldunfähig?

Lesezeit 4 Minuten
Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt in Köln, sitzt vor einem Polizeimikrofon.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer ist der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft und berichtet im Interview mit dieser Zeitung über das Ermittlungsverfahren gegen den 30-jährigen Angreifer aus der Gummersbacher Innenstadt.

Nach den Schüssen in Gummersbach: Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer äußert sich unter anderem zur Staatsbürgerschaft des Messerangreifers.

Gut 14 Tage nach den Schüssen der Polizei auf einen mit einem Messer bewaffneten Angreifer in Gummersbach sprach Andreas Arnold mit Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.

Herr Bremer, gibt es rund 14 Tage nach den Vorfällen in der Gummersbacher Fußgängerzone im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den 30 Jahre alten Angreifer einen neuen Sachstand?

Ulrich Bremer: Die Polizei hat zwischenzeitlich die Zeugenvernehmungen, Spuren- und Videoauswertungen weiter vorangetrieben. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft eine psychiatrische Sachverständige mit der Untersuchung des Beschuldigten zu der Frage, ob dieser zur Tatzeit schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, beauftragt.

Zuletzt war der Sachstand der, dass Sie nicht wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermitteln. Bleibt es aktuell dabei?

Der gegen den Beschuldigten ergangene Haftbefehl stützt sich weiterhin auf die Vorwürfe des schweren räuberischen Diebstahls, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall und auf gefährliche Körperverletzung.

In der Öffentlichkeit glaubt man zu wissen, dass der Mann Deutsch-Marokkaner ist, die Staatsanwaltschaft hatte von einem Deutschen gesprochen. Warum konkretisieren Sie zum jetzigen Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens die Angaben zur Person nicht weiter? Nicht nur in den sozialen Medien wird ein System dahinter vermutet.

Nach Aktenlage besitzt der Beschuldigte ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft, weswegen es hierzu nichts weiter zu konkretisieren gibt.

Nach Aktenlage besitzt der Beschuldigte ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft, weswegen es hierzu nichts weiter zu konkretisieren gibt.
Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt

Wie handhabt die Staatsanwaltschaft Köln grundsätzlich Medienauskünfte zur Ausländereigenschaft und zum Vorleben Beschuldigter?

Die Staatsanwaltschaft muss sich bei Medienauskünften zunächst an den Vorgaben des Landespressegesetzes NRW orientieren und deshalb in jedem Einzelfall abwägen, ob das öffentliche Interesse an der Auskunftserteilung überwiegt oder der Schutz von Persönlichkeitsrechten Beschuldigter auch mit Blick auf die bis zur Rechtskraft eines Urteils geltende Unschuldsvermutung vorgeht. In einem Ermittlungsverfahren – bei dem gerade zu Beginn oft noch vieles unklar ist – ist die Staatsanwaltschaft also aus gutem Grund sehr zurückhaltend mit Informationen zur Person und zum Vorleben eines Beschuldigten.

Wann würden Sie davon abweichen?

Wenn die Benennung der Ausländereigenschaft allerdings notwendig für das Verständnis des Falles in der Öffentlichkeit ist, zum Beispiel wenn es sich um einen sogenannten Ehrenmord handelt oder Straftaten Auslandsbezug haben, etwa bei einer Entführung eines Kindes in sein Geburtsland, wird die Staatsanwaltschaft auch entsprechende Auskünfte erteilen können. In einer späteren Gerichtsverhandlung beleuchtet das Gericht, sofern entsprechende Erkenntnisse vorliegen, das Vorleben – Herkunft, Werdegang, Erkrankungen, etwaige Vorstrafen – eines Angeklagten im Übrigen eingehend, um sich ein genaues Bild von der Person machen zu können.

Dies geschieht bei Erwachsenen nach dem Willen des Gesetzes – von Ausnahmen abgesehen – in öffentlicher Hauptverhandlung. Jeder Interessierte kann also gerne im Zuschauerraum des Gerichtssaals Platz nehmen und sich informieren – auch zum Vorleben eines Angeklagten. Mit den in sozialen Medien offenbar häufiger erhobenen Vorwürfen der Vertuschung kann ich daher gar nichts anfangen. Sie sind schlicht falsch.

Der Beschuldigte ist zwischenzeitlich in ein Justizvollzugskrankenhaus verlegt worden, wo er weiterhin ärztlich behandelt werden muss.
Ulrich Bremer, Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hat am Freitag vor einer Woche beim Landgericht Köln einen Haftbefehl erwirkt, als der Mann noch im Krankenhaus war. Ist er dort noch immer?

Der Beschuldigte ist zwischenzeitlich in ein Justizvollzugskrankenhaus verlegt worden, wo er weiterhin ärztlich behandelt werden muss. Kurz nach dem Vorfall haben Sie berichtet, dass bei dem 30-Jährigen, wie in solchen Fällen üblich, eine Blutprobe genommen wurde.

Wann kommt das Ergebnis?

Das beim rechtsmedizinischen Institut in Köln in Auftrag gegebene chemisch-toxikologische Gutachten liegt noch nicht vor. Dies kann erfahrungsgemäß noch etwas Zeit in Anspruch nehmen.

Wie lange werden Ihre Ermittlungen noch dauern?

Das lässt sich im Moment noch nicht abschätzen. Da der Beschuldigte sich in Untersuchungshaft befindet, ist aber besondere Eile bei den Ermittlungen geboten.

Wie ist danach der übliche Weg mit Blick auf Anklageerhebung und deren Zulassung bei Gericht?

Nach Eingang der Akten bei Gericht wird dem Angeschuldigten die Anklageschrift zugestellt und ihm eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Anschließend prüft das Gericht, ob es die Auffassung der Staatsanwaltschaft bei der Bewertung des Falles teilt. Falls ja, lässt es die Anklage zur Hauptverhandlung zu, eröffnet das Hauptverfahren und setzt Verhandlungstermine an. Zwischen dem Eingang der Akten bei Gericht und dem Beginn der Hauptverhandlung vergehen in der Regel mehrere Monate. Haftsachen müssen die Gerichte wegen des sogenannten Haftbeschleunigungsgrundsatzes aber natürlich vorrangig bearbeiten.