Gummersbach – Gudjon Valur Sigurdsson musste schmunzeln. Der VfL Gummersbach hatte gerade am Freitag vor 1968 Zuschauern in der Schwalbe-Arena mit 35:27 (17:16) gegen den Dessau-Roßlauer HV 06 gewonnen und den dritten Sieg im dritten Spiel gefeiert. Sein Landsmann, Linksaußen Hakon Styrmisson, hatte mit zehn Treffern einiges beigetragen. In den ersten 40 Minuten hatte Styrmisson sogar mit allen sieben Versuchen aus dem Spiel heraus getroffen. Angesprochen darauf antwortete der Coach lachend: „Und dann? Dann hat er dreimal verworfen!“ So klingt Stolz auf Isländisch.
Dass Sigurdsson überhaupt Grund zum Lachen hatte, war nach 30 Minuten längst nicht ausgemachte Sache. Ausgeglichener als bis dahin kann ein Spiel nicht verlaufen. Immer wieder wechselte die Führung, kein Team konnte sich absetzen. Bei Gummersbach traf vor allem Janko Bozovic, am Ende wie Styrmisson zehnmal erfolgreich – allein siebenmal in den ersten 17 Minuten. Auf der anderen Seite schaffte es die Abwehr lange nicht, Dessaus Halblinken Yannick Danneberg, der da auch schon sieben Mal erfolgreich war, in den Griff zu bekommen.
Dennoch hätte der VfL wegziehen können, als Dessaus Max Emanuel in der 20. Minute zwei Minuten draußen saß. Stattdessen vergab in Überzahl zunächst Julian Köster leicht, dann Lukas Blohme mit einem Fernwurf aufs leere Tor. Nach der Strafzeit lag Gummersbach plötzlich 13:14 hinten. Es folgten eine Auszeit und eine Umstellung: Für den bis dahin glücklosen Köster, der den erkrankten Alexander Hermann auf halblinks ersetzen sollte, rückte im Angriff bis zur Pause Ole Pregler dorthin, in der Mitte kam Kapitän Timm Schneider von der Bank. Der VfL ging in Führung, aber das Spiel wogte weiter hin und her, bis Kreisläufer Stepan Zeman kurz vor der Halbzeit noch zum 17:16 traf.
Aus der Pause kam Sigurdsson mit einer Idee: Er ließ im Angriff den Torwart draußen, startete im Feld mit Sieben gegen Sechs. Am leeren Tor im Angriff änderte er auch während der Zeitstrafe gegen Timm Schneider (32.) nichts. Ausgerechnet da gelang dem VfL durch Bozovic beim 19:17 die erste Zwei-Tore-Führung. Gummersbach legte nach, zog auf 25:18 davon. Jetzt war auch Torwart Tibor Ivanisevic richtig im Spiel. Und: Yannick Danneberg traf nicht mehr für Dessau. So dauerte es bis zur 44. Minute, bis die Gäste Tor Nummer 19 erzielten.
Eine starke erste Halbzeit und dann gewinnt Gummersbach: Das kennt Dessaus Coach Uwe Jungandreas noch aus dem Rückspiel der Vorsaison. Was jetzt anders war? Jungandreas überlegt kurz, dann sagt er: „Da haben wir mit 14 Toren verloren, jetzt mit acht.“ Dann wird er ernster: „Die Niederlage jetzt lässt sich besser nachzuvollziehen.“ Obwohl die Saison noch jung sei, habe er viele Ausfälle auf wichtigen Positionen. „Dafür hat es mein Team vor allem in der ersten Hälfte sehr gut gemacht.“ So spürten am Ende beide Trainer ein kleines bisschen Stolz – jeder auf seine Weise.
Statistik: VfL Gummersbach: Ivanisevic (1. bis 20. Minute, 31. bis 60./11 Paraden, davon ein Siebenmeter), Nagy (21. bis 30. Minute); Fanger; Vidarsson (1), Köster (1), Blohme (3); Schroven; Schneider; Pregler (1); Dzialakiewicz (2); Santos; Styrmisson (10/1); Kiesler; Stüber (4); Zeman (3); Bozovic (10/5).